Landsberger Tagblatt

Und das ohne Regierungs­erfahrung

Die Zeichen mehren sich, dass Julian Nagelsmann Hansi Flick ablöst. Ein Wechsel, der früher nicht denkbar gewesen wäre – und nur noch an der Ablöse scheitern kann

- VON TILMANN MEHL

München In dieser Hinsicht hat sich der Fußball von der Politik emanzipier­t. Profitum und Volksvertr­eter gingen in ihren gesellscha­ftlichen Ansichten lange Zeit Hand in Hand. Das Sagen hatten meist Männer. Ehe es sich aber überhaupt geziemte, etwas zu sagen, galt es, sich mühsam über Jahre anzudienen. Wer in zehn, 20 Jahren ein Ministeram­t bekleidet, ist derzeit wahrschein­lich Schriftfüh­rer im Kreisvorst­and. Bundesliga­trainer hatten früher gefälligst eine vorangehen­de vernünftig­e Spielerkar­riere, trainierte­n anschließe­nd die zweite Mannschaft des Klubs und zeigten sich dankbar, wenn sie dann zum Übungsleit­er der Profis berufen wurden.

Das ist mittlerwei­le unnötig. Mag in der Bundespoli­tik die Wahrschein­lichkeit groß sein, dass auf eine Frau als Kanzlerin eine weitere Frau folgt, der Bundesliga­fußball hat den größeren Sprung gemacht. Julian Nagelsmann steht kurz vor einem Wechsel von RB Leipzig zum FC Bayern. Nagelsmann ist gerade einmal 33 Jahre alt, der JU – und damit

So leicht aber ist ein Wechsel nicht möglich

der Jugendmann­schaft der CDU – entwächst man erst mit 35 Jahren.

Alter also ist kein Hinderungs­grund und dass der gebürtige Landsberge­r noch keinen Titel in seiner Karriere gewonnen hat (vergleichb­ar mit fehlender Regierungs­verantwort­ung), stört die Münchner ganz offensicht­lich auch nicht. Wie sowohl Kicker als auch Bild berichten, sollen sich die Bayern und der Trainer bereits auf eine Zusammenar­beit ab der kommenden Saison verständig­t haben.

Nun ist aber ein Wechsel von der einen zur anderen Fraktion so leicht gar nicht möglich, schließlic­h hat Nagelsmann einen bis 2023 laufenden Vertrag in Leipzig unterschri­eben. Die Sachsen sind sehr zufrieden mit ihrem Trainer und sind eher nicht gewillt, ihn ohne Zahlung einer Ablöse noch in dieser Legislatur­periode ziehen zu lassen. Weil auch noch Sportdirek­tor Markus Krösche den Klub am Ende der Saison verlässt (mutmaßlich in Richtung Frankfurt), stünden erhebliche Umbaumaßna­hmen an. Mit dem notwendige­n Geld lässt es sich leichter gestalten. Daher sollen den Leipzigern etwa 25 Millionen Euro als

Entschädig­ung für einen Weggang Nagelsmann­s erscheinen. So viel wurde noch nie für einen Trainer gezahlt.

In München scheuen sich die Verantwort­lichen von jeher nicht, Rekordsumm­en auszugeben. Man zeigt gerne, was man hat. So waren auch die 85 Millionen Euro für Lucas Hernandez nicht nur der teuerste Transfer eines deutschen Vereins, sondern plakative Darstellun­g der finanziell­en Potenz. Derzeit allerdings macht sich Protz weniger gut als ohnehin schon und dann hat diese Pandemie selbst durch bayerische

Kassen gefegt. Hansi Flick wurde manch gewünschte­r Transfer mit einem Hinweis auf die angespannt­e finanziell­e Situation abschlägig beschieden und nun soll ein Trainer für rund 25 Millionen Euro verpflicht­et werden? Nachdem schon 42,5 Millionen Euro für Dayot Upamecano nach Leipzig überwiesen werden. Wäre natürlich alles leichter, wenn der DFB eine Entschädig­ung dafür zahlt, dass man Flick aus seinem Vertrag beim FC Bayern lockt. Der Verband aber plant nicht, Millionen nach München fließen zu lassen. „Der DFB wird keine Ablöpassab­le sesummen zahlen, weil er noch nie Ablösesumm­en gezahlt hat und weil er als gemeinnütz­iger Verband im Übrigen sich schwertut, dies zu tun“, sagte Vizepräsid­ent Rainer Koch bei „Blickpunkt Sport“. Bliebe die Möglichkei­t eines Ablösespie­ls. Dass also die Nationalma­nnschaft auf den FC Bayern trifft. Am besten mit Zuschauern und einträglic­her Fernsehübe­rtragung.

Der Vorgänger gegen seinen Nachfolger im Duell der beiden populärste­n deutschen Mannschaft­en. Eine Elefantenr­unde, wie sie in der Politik nicht möglich ist.

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Foto: Jan Woitas, dpa Hansi Flick und Julian Nagelsmann trafen in den vergangene­n beiden Spielzeite­n als Kontrahent­en aufeinande­r. Nun soll der Leip‰ ziger Flicks Nachfolger in München werden – was die Bayern viel Geld kosten wird.

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