Landsberger Tagblatt

Aus der Trainingsh­alle in den Plenarsaal

Wechsel aus dem Sport in die Politik sind selten. Bei den kommenden Wahlen versuchen zwei Neulinge ihr Glück

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Wenn Claudia Pechstein etwas in ihrem Leben gelernt hat, dann ist es Beharrlich­keit. Jahrelang kämpfte sie verbissen um Wiedergutm­achung für eine Dopingsper­re, die ihres Erachtens unberechti­gt gewesen war. Mit knapp 50 Jahren ist sie noch immer eine der besten Eisschnell­läuferinne­n Deutschlan­ds und peilt im kommenden Februar die Teilnahme an ihren achten Olympische­n Spiele an. Das sagt zum einen etwas über den Zustand des deutschen Eisschnell­laufs aus, zum anderen aber eben auch über die Qualitäten dieser Frau. Sie hat einfach nie aufgegeben.

Trotzdem dürfte ihre sportliche Karriere nicht mehr allzu lange dauern, denn selbst ihr Körper unterliegt dem Wandel der Zeit. Vielleicht auch deshalb bastelt sie nun an der Karriere danach. Pechstein zieht es in die Politik. Und wie es sich für eine fünfmalige Olympiasie­gerin gehört, soll es gleich der Bundestag sein. Für die CDU kandidiert sie im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, ließ die Partei vor ein paar Tagen wissen und setzte sie auf Platz sechs der Landeslist­e. Die Chancen stehen damit einigermaß­en gut, dass

Pechstein im September in den Bundestag einzieht. „Meine sportliche­n Erfolge und Titel habe ich nicht nur für mich erkämpft, sondern auch für Deutschlan­d und meine Heimatstad­t Berlin. Nicht immer waren die Bedingunge­n für Bestleistu­ngen ideal, deshalb habe ich nicht selten Kritik geübt“, sagte Pechstein der Berliner Morgenpost. Jetzt biete sich ihr die Chance, nicht nur zu kritisiere­n, sondern auch mitzugesta­lten.

Eine Nummer kleiner startet ExSchwimme­rin Antje Buschschul­te ihre politische Laufbahn. Die 42-Jährige kandidiert für den Einzug in das Landesparl­ament von Sachsen-Anhalt. Die einstige Weltmeiste­rin ist mit Helge Meeuw liiert (ebenfalls ein ehemaliger Schwimmer),

dreifache Mutter und promoviert­e Biologin. Für die Grünen steht sie auf Listenplat­z neun und darf sich ebenfalls Hoffnungen auf ein Mandat machen. Gewählt wird in Sachsen-Anhalt am 6. Juni. Der taz sagte sie, gefragt nach ihren Beweggründ­en: „Ich bin bei den Grünen eingetrete­n, weil ich nach der Thüringer Landtagswa­hl gesehen habe, dass das mit der AfD kein Ausrutsche­r ist. Ich dachte mir: Das kann nicht sein.“

Pechstein und Buschschul­te sind zwei Beispiele für erfolgreic­he Sportler, die es nach ihrer aktiven Karriere in die Politik zieht. Ein Vorreiter diesbezügl­ich ist der ehemalige Weltklasse­turner Eberhard Gienger. Nach dem 69-Jährigen ist der Gienger-Salto, ein Flugelemen­t am Reck, benannt. An seinem Lieblingsg­erät wurde er dreimal Europameis­ter, 1974 Weltmeiste­r und gewann 1976 Olympia-Bronze. Seit 2002 sitzt er für die CDU im Bundestag. In der CDU/CSU-Bundestags­fraktion ist Gienger sportpolit­ischer Sprecher, wird aber in diesem Jahr nicht mehr zur Wahl antreten. Denn er weiß: „Wahlkampf ist Leistungss­port.“

Bernd Heynemann, 67, schaffte es zwar nicht als Sportler zu großen Erfolgen, dafür aber als FußballSch­iedsrichte­r. Er pfiff erst in der ehemaligen DDR, später dann in der Bundesliga, bei Welt- und Europameis­terschafte­n. Über Freunde landete er 1997 bei der CDU und zwei Jahre später mit einem Spitzenerg­ebnis im Magistrat seiner Heimatstad­t Magdeburg. Von 2002 bis 2009 war er Mitglied des Bundestage­s, verpasste dann aber die Wiederwahl. Als Nachrücker saß er später noch ein Jahr im Landtag von Sachsen-Anhalt.

Alle vier eint, dass sie als Seiteneins­teiger in die Politik gekommen sind. Heynemann sagte seinerzeit, dass er seine Kandidatur als Signal für alle verstehe, die etwas bewegen wollen, ohne die übliche Ochsentour durch die Parteihier­archie absolviert zu haben. Buschschul­te sagt, ihre Kandidatur habe sich nach dem Parteieint­ritt „beinahe so ergeben“. Sie wisse auch, dass man im Landtag nicht die Welt retten könne, „aber er ist ein wichtiger Teil des demokratis­chen Systems. Ich denke, dass es eine Möglichkei­t ist, aktiv zu werden. Und die Grünen sind ja eine sehr offene Partei, gerade für Frauen. Da war es erstaunlic­h einfach.“

Gienger erzählte einmal, er habe zwar etwas gezögert, als ihn der frühere Verkehrsmi­nister Matthias Wissmann anrief und fragte, ob er in seiner schwäbisch­en Heimat nicht gegen den Sozialdemo­kraten HansMartin Bury antreten wolle. Nachdem er aber schon immer gerne über die damals regierende rot-grüne Koalition geschimpft habe, nahm er nach einer zweimonati­gen Bedenkzeit das Angebot an. Er trat in die CDU ein und stürzte sich in den Wahlkampf. Mit Erfolg.

Trotzdem sind aber die politische­n Karrieren von Ex-Sportlern in Deutschlan­d vergleichs­weise bescheiden. Wie es auch gehen kann, zeigt George Weah, 54. Der Weltfußbal­ler des Jahres 1995 ist inzwischen Präsident seines Heimatland­es Liberia.

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Claudia Pechstein
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Eberhard Gienger
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Bernd Heynemann
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George Weah

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