Landsberger Tagblatt

Seeforelle­n brauchen Starthilfe

Die Fischer versuchen seit fast 100 Jahren den seltenen Fisch im Ammersee zu erhalten. 2018 gelingt eine kleine Sensation

- VON GERALD MODLINGER

Utting Die Renken sind die typischen Ammerseefi­sche, für die Fischer gelten sie als „Brotfische“und machen den größten Teil des Fangs aus. Doch wie es so ist, besondere Aufmerksam­keit wird oft auch besonderen Fischarten zuteil. Die Seeforelle ist dabei ein solcher spezieller Fisch – nicht nur, weil sie ganz selten vorkommt, sondern weil sie auch besondere Ansprüche an ihren Lebensraum stellt – und derzeit auch nur mithilfe des Menschen eine gesicherte Existenz im Ammersee hat.

Im März und April haben die Uttinger Fischer Andreas und Dr. Bernhard Ernst die Seeforelle­n besonders im Blick – nicht in den Netzen, sondern in den zylinderfö­rmigen Gläsern, in denen seit Dezember im Bruthaus der Fischereig­enossensch­aft in Utting die bebrüteten Seeforelle­neier so weit herangewac­hsen sind, dass nun eine Ortsveränd­erung ansteht. Die künftigen AmmerseeSe­eforellen stammen von der Fischzucht des Bezirks Oberbayern in Wildbad Kreuth, berichtet Bernhard Ernst. Im Ammersee gebe es zu wenige Seeforelle­n, um Laichfisch­e zu erhalten, und die natürliche Fortpflanz­ung gestalte sich nach wie vor schwierig, wenngleich man schon seit fast 100 Jahren versucht, durch künstliche­n Besatz die Seeforelle im Ammersee zu erhalten. Dass man 2018 erstmals wieder eine Seeforelle abstreifen konnte, um Laich zu gewinnen, war eine Sensation.

Die Seeforelle war zwar schon immer ein seltener Fisch im Ammersee. Schon 1280 werden neben den am herzoglich­en Hof in München abzuliefer­nden 1000 Renken nur sechs „Lachse“genannt, womit Seeforelle­n gemeint waren – und 1926 war der Fang einer 24-pfündigen Seeforelle im Tiefenbach durch den Fischer Simpert Ernst der Ammerseepo­st sogar eine Meldung wert.

Zu dieser Zeit war es nicht nur durch Verbauunge­n für Mühlen an den Zuflüssen, sondern vor allem auch durch die sogenannte Ammerkorre­ktion zu großen Lebensraum­einbußen für die Seeforelle gekommen, später kam noch die Überfracht­ung mit Nährstoffe­n hinzu, die der Seeforelle das Leben noch weiter erschwerte.

Deshalb wurde mit dem künstliche­n Besatz begonnen, der sich laut Bernhard Ernst jedoch zu einem jahrzehnte­langen Lernprozes­s entwickelt­e. Zunächst wurden einjährige Seeforelle­n in den See gesetzt. Diese gediehen zwar, pflanzten sich aber nicht fort. Denn zum Ablaichen gehen die Seeforelle­n dorthin, wo sie selbst aufgewachs­en sind – und zwar in kiesige Bäche und Flüs

Deswegen vollzieht sich der Besatz nun anders: Sobald die im Dezember ins Bruthaus gebrachten Eier sich bis zum sogenannte­n Augenpunkt­stadium entwickelt haben, bringt sie Bernhard Ernst eimerweise zum Beispiel in den Kittenbach an eine kiesige Stelle in der Nähe der Gasteigerv­illa zwischen Utting und Holzhausen. Wenn er sie aus einem Eimer in den Bach fließen lässt, wird schnell klar, warum sich die Seeforelle­n als Laichort kiesige Bäche aussuchen. Über den vielen Steinchen am Grund sind die kleinen noch durchsicht­igen Eier schon nach wenigen Momenten nicht mehr zu sehen und gut getarnt.

In den folgenden Wochen und Monaten vollzieht sich der Wandel von der Larve zum kleinen Fisch. Eine zweite Möglichkei­t ist, die Seeforelle­n in diesem Entwicklun­gsstadium in den Bach zu setzen, dann können sie sich schon selbststän­dig blitzschne­ll an eine vor Fressfeind­en sichere Stelle im Bach bewegen.

Ihre ersten zwei Lebensjahr­e verbringt die Seeforelle im seenahen Bereich eines Bachs, wo sie sich von Insekten und wirbellose­n Kleintiere­n ernährt. Erst nach zwei Jahren schwimmen die dann 15 bis 20 Zentimeter

großen Fische im Frühjahr meist im Rahmen eines kurzen Hochwasser­s in den See. Um zur Laichablag­e wieder in den Bach ihrer Jugend zurückzuko­mmen, braucht es wieder ein Hochwasser im Spätherbst.

Das könnte in der Zukunft, so Ernst, möglicherw­eise ein weiteres Problem für die natürliche Fortse. pflanzung der Seeforelle darstellen. Denn hohe Niederschl­agsmengen würden wegen des Klimawande­ls gerade im November und Dezember immer seltener. Und generell beeinträch­tigen auch allzu hohe Wassertemp­eraturen das Wohlbefind­en der Seeforelle – ähnlich wie bei den Renken. Am wohlsten fühle sie sich in sauerstoff­reichen Seen bei Temperatur­en von 15 bis 18 Grad. Doch immer häufige werde im Ammersee die für Seeforelle­n kritische Wasserhöch­sttemperat­ur von 23 Grad überschrit­ten. Trotzdem sei die Seeforelle „eine Galionsfig­ur des Gewässersc­hutzes“, so Ernst, weil sie die Lebensräum­e See und Bach benötige, die für ihr Fortkommen möglichst sauber, strukturre­ich und durchgängi­g sein müssen. „Diese Vernetzung müssen wir wiederhers­tellen, das zeigt diese Art extrem schön auf“, betont Ernst.

Laich wird eimerweise im Kittenbach ausgebrach­t

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 ?? Fotos: Gerald Modlinger ?? Der Fischer Bernhard Ernst (oben im Bild) setzt am Kittenbach bei Holzhausen winzige Larven von Seeforelle­n aus. Links zeigt An‰ dreas Ernst einen Becher mit Seeforelle­n‰Eiern, die im Uttinger Bruthaus herangewac­hsen sind. Auf einen Löffel passt die winzige Seeforelle im Dottersack, von dem sie sich zunächst ernährt.
Fotos: Gerald Modlinger Der Fischer Bernhard Ernst (oben im Bild) setzt am Kittenbach bei Holzhausen winzige Larven von Seeforelle­n aus. Links zeigt An‰ dreas Ernst einen Becher mit Seeforelle­n‰Eiern, die im Uttinger Bruthaus herangewac­hsen sind. Auf einen Löffel passt die winzige Seeforelle im Dottersack, von dem sie sich zunächst ernährt.
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