Die Absage der Landesausstellung schmerzt
Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl (UBV) ist seit einem Jahr im Amt. Im großen LT-Interview zieht sie Bilanz, berichtet über ihre schwierigste Entscheidung, die finanzielle Situation der Stadt und ihr Verhältnis zur CSU-Fraktion
Frau Baumgartl, Sie sind ein Jahr im Amt, wie fällt Ihre Bilanz aus? Baumgartl: Trotz Corona ist es uns gelungen, für unsere Stadt neue Wege zu beschreiten. Wir bringen bezahlbaren Wohnraum in Einklang mit zeitgemäßen Energiekonzepten und mit Fokus auf Nachhaltigkeit – am Reischer Talweg ebenso wie Am Wiesengrund. Bei den umfangreichen Projekten, die uns in den nächsten Jahren beschäftigen werden, sind wir gut vorangekommen. Bei der Sanierung des Stadtmuseums ist zwischenzeitlich der Dachstuhl untersucht und freigelegt, zur Zwischennutzung des Jesuitenkollegs konnte der Brandschutz geklärt werden, zur Nachnutzung des Schlossbergs gibt es einen Siegerentwurf aus dem Wettbewerb, die Gespräche zur Konversion des Fliegerhorstes Penzing sind auf einem guten Weg und beim Inselbad geht es nach Abschluss der Vorplanung um Finanzierungsvereinbarungen zwischen Stadt und Stadtwerken. Also, die Dinge sind im Fluss.
Was hat Sie an Ihrer Arbeit überrascht?
Baumgartl: Offen gestanden wenig. Ich war jahrelang Zweite Bürgermeisterin und Stadträtin und da ich aus der Verwaltung komme, kannte und kenne ich die entscheidenden Abläufe sozusagen von der Pike auf. Angetan war ich indes von der Flexibilität vieler Mitarbeiter, die sich schnellstens auf die neue, coronabedingte Situation eingestellt haben. Dafür bin ich sehr dankbar.
Was war Ihre erste Entscheidung? Baumgartl: Wie Sie wissen, habe ich das Amt zu Beginn der Corona-Pandemie übernommen. Naturgemäß drehten sich viele Entscheidungen um dieses Thema, vor allem zur Sicherheit von Mitarbeitern sowie der Bürger. Besonders in Erinnerung sind mir die Gespräche zur Fortsetzung des Baus am Lechsteg geblieben. Hier hätte mitten in Landsberg eine jahrelange Baustelle an dieser Stelle entstehen können, was glücklicherweise abgewendet werden konnte. Spätestens Ende Juni wird der Lechsteg dann für die Bürger fertiggestellt.
Was war Ihre schwierigste Entscheidung?
Baumgartl: Die Absage der für 2024 geplanten Landesausstellung ist mir alles andere als leichtgefallen. Sie war richtig und konnte im Einvernehmen mit den übrigen Beteiligten wie dem Bayerischen Haus der Geschichte erfolgen. Dass wir kurz darauf eine Förderzusage für unser Stadtmuseum vom Bund in Höhe von 1,5 Millionen Euro erhalten haben, das war mehr als eine Entschädigung. Es war eine Bestätigung dafür, dass wir die richtigen Weichen gestellt haben.
Wie hat die Corona-Pandemie Ihre Arbeit beeinflusst?
Baumgartl: Durch die Pandemie haben sich zusätzliche Aufgaben ergeben. Für unsere Mitarbeiter haben wir beispielsweise sehr schnell Homeoffice-Arbeitsplätze eingerichtet. Der Stadtrat tagte erst als Ferienausschuss – jetzt als Pandemieausschuss. Statt gewohnter persönlicher Kontakte und Diskussionen haben wir auf Telefonkonferenzen, E-Mails und Videomeetings zurückgegriffen.
Kritiker sagen, Sie seien in der Öffentlichkeit kaum wahrzunehmen. Was sagen Sie dazu?
Baumgartl: Der persönliche und direkte Kontakt ist durch nichts zu ersetzen. Noch immer kann dieser coronabedingt nicht in dem Umfang stattfinden, wie wir es uns alle wünschen und es bislang gewohnt waren. Das bedauere ich sehr. Per Telefon oder E-Mail stehe ich mit vielen Bürgern regelmäßig im Kontakt. Hilfreich ist, dass wir unseren Auftritt in den sozialen Medien intensiviert haben. Die Landsberger nutzen auch diese Möglichkeit sehr gerne für lebhafte und interessierte Rückmeldungen.
Hätte die Stadt in der Corona-Krise ihren Bürgern mehr Hilfe anbieten können?
Baumgartl: Die Frage müsste doch anders lauten. Innerhalb des kommunalen Konstruktes, in dem wir uns als Große Kreisstadt befinden, haben wir alle rechtlichen Möglichkeiten an Hilfestellungen ausgeschöpft und werden es weiterhin mit aller Kraft tun. So haben wir innerhalb kürzester Zeit ausgelotet, was wir tun können, wo wir entlasten können.
Zum Beispiel?
Baumgartl: Unsere Wirtschaftsförderung ist eine vielfrequentierte Anlaufstelle und geschätzter Gesprächspartner, wenn es um Unterstützung und kreative Lösungen geht. Das lokale Händlerportal Landsberg-hält-zusammen ging online und wird seither ständig ausgeweitet. Wir arbeiten mit sozialen
zusammen, haben Netzwerke aufgebaut und wir stunden Gebühren im Rahmen unserer Möglichkeiten, um weitere Beispiele zu nennen. Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Bürgern, die sich in der Krise spontan sozial engagiert und unterstützt haben.
Was war der wichtigste Beschluss im Stadtrat?
Baumgartl: Die Grundsatzentscheidung zum Einstieg in den sozialen Wohnungsbau bei den Luibachhäusern in Erpfting und aktuell die Konzeptausschreibung zum Baugebiet „Am Wiesengrund“. Das ist der Weg, den wir zukünftig gehen wollen, damit Landsberger sich ihre Stadt auch noch leisten können. Eine wichtige Entscheidung war darüber hinaus die Verabschiedung des Haushalts 2021 unmittelbar nach dem Dienstantritt des neuen Kämmerers.
Bei welchen Projekten wären Sie gerne weitergekommen?
Baumgartl: Ich hätte mir gewünscht, das Radwegekonzept schon fertigstellen zu können. Es waren jedoch zu viele Vorarbeiten zu leisten, um frühere Gutachten einzupflegen und zusammenzuführen. Nur so kommen wir ein Stück weiter und können die Ergebnisse dann in den Verkehrsentwicklungsplan einbringen. Unser gemeinsames Ziel ist es, sichere und bequeme Radwege an den Hauptachsen und, falls dies nicht möglich ist, attraktive Ausweichrouten zu haben.
Wie klappt die Zusammenarbeit mit Ihren Stellvertretern?
Baumgartl: Moritz Hartmann und Felix Bredschneijder sind zwei kompetente und zuverlässige Partner, die mit mir auf Augenhöhe arbeiten. Jeder bringt unterschiedliche, breit gefächerte Kompetenzen und Erfahrungen mit, die sich in der praktischen Arbeit hervorragend auszahlen. Unsere Zusammenarbeit basiert auf einem intensiven Austausch, sehr großem Vertrauen und wirkt sich positiv zum Wohle der Stadt aus.
Sind die Stellvertreter in Corona-Zeiten nicht unterbeschäftigt? Baumgartl: Wer schon die normalen Abläufe und aktuell die zusätzlichen, hohen Belastungen kennt, die uns alle in diesen Zeiten treffen, kann gar nicht auf die Idee kommen, an eine Unterbeschäftigung zu denken. Außerdem müssen wir auch Aufgaben aufgreifen, die schon lange dringend angepackt werden müssen. Sowohl Moritz Hartmann als auch Felix Bredschneijder gehen zudem neben ihrem Engagement für unsere Stadt bürgerlichen Berufen nach.
Wie beurteilen Sie die Arbeit im Stadtrat?
Baumgartl: Fair, offen und engagiert, und das ohne Ausnahme. Das zählt für mich besonders in diesen Zeiten. Der neue Stadtrat, der mit mir vor einem Jahr angetreten ist, musste sich nicht nur in die neuen Aufgaben einarbeiten. Er musste dies auch unter erschwerten Bedingungen tun. Das nötigt mir hohen Respekt und Anerkennung ab.
Nehmen Sie die CSU als Opposition wahr?
Baumgartl: Ich mag den Begriff Opposition in der Kommunalpolitik nicht. Es ist unser aller Aufgabe, gleich welcher Partei oder GruppieHilfsdiensten rung wir zugehörig sind, für die Bürger da zu sein. Wenn Mitglieder des Stadtrats andere Meinungen vertreten, so ist das gelebte Demokratie. Ich arbeite mit allen Mitgliedern des Stadtrats gerne und vertrauensvoll zusammen. Wichtig ist, dass man zu einem guten Konsens findet.
Kritik gibt es an der Vielzahl an Ausschüssen und Arbeitsgruppen. Warum lagern Sie so viel aus dem Stadtrat aus?
Baumgartl: Von den Mitgliedern der von Ihnen angesprochenen Ausschüsse und Arbeitsgruppen habe ich bis dato dergleichen nicht gehört. Eher umgekehrt: Sowohl die Stadträte als auch die Mitarbeiter profitieren von dem intensiven fachlichen Austausch. Die Themen, mit denen wir uns vielfach auseinanderzusetzen haben, sind mitunter sehr komplex, verlangen nach Gründlichkeit. Die Ergebnisse müssen nachvollziehbar und belastbar sein. Sie gelangen nach dieser aufwendigen Arbeit sorgfältig vorbereitet wieder in den Stadtrat.
Wie beurteilen Sie die finanzielle Lage der Stadt?
Baumgartl: Trotz der finanziellen Belastungen der Pandemie, die allgemein die Kommunen trifft, haben wir einen soliden Haushaltsplan aufgestellt. Bisher gibt es keinen Anlass zu Nachbesserungen, wenngleich wir weiterhin „auf Sicht fahren“müssen.
Müssen in den nächsten Jahren weitere Projekte geschoben werden? Baumgartl: Viele Projekte lassen sich nicht schieben, ohne zusätzliche Kosten nach sich zu ziehen. Wir werden sicher für manche Projekte etwas länger brauchen, aber das hängt nicht immer mit finanziellen Ressourcen zusammen. Ich denke hier gerade an die Engpässe im Materialbereich bei Bauprojekten. Die Unterbrechung von Lieferketten durch die weltweite Pandemie wird sich in Zukunft bemerkbar machen. Insgesamt sind wir als Stadt Landsberg bisher gut vorangekommen.
Was wollen Sie bis Mai 2022 unbedingt verwirklichen?
Baumgartl: Man muss nicht alles an Einjahresfristen festmachen. Ich möchte so schnell wie möglich, gerne auch unter einem Jahr, zumindest eine Interimsnutzung beim Jesuitenkolleg realisieren. Und ich würde mich freuen, wenn es uns gelingt, einen Christkindlmarkt oder alternativ eine Stadtweihnacht genießen zu können.
Bleibt genug Zeit für Ihre Familie und das Privatleben?
Baumgartl: Die Zeit, die wir haben, wissen wir mehr denn je zu nutzen und auch zu genießen.
Empfinden Sie das Amt als stressig? Wie entspannen Sie?
Baumgartl: Ich empfinde das Amt als eine positive Herausforderung, die ich mit Herzblut erfülle. Musik entspannt mich und deshalb freue ich mich sehr, wenn ich gemeinsam mit anderen Landsbergern endlich wieder eines der wunderbaren Livekonzerte in unserer Stadt erleben kann.