Landsberger Tagblatt

Die Absage der Landesauss­tellung schmerzt

Oberbürger­meisterin Doris Baumgartl (UBV) ist seit einem Jahr im Amt. Im großen LT-Interview zieht sie Bilanz, berichtet über ihre schwierigs­te Entscheidu­ng, die finanziell­e Situation der Stadt und ihr Verhältnis zur CSU-Fraktion

- Interview: Thomas Wunder

Frau Baumgartl, Sie sind ein Jahr im Amt, wie fällt Ihre Bilanz aus? Baumgartl: Trotz Corona ist es uns gelungen, für unsere Stadt neue Wege zu beschreite­n. Wir bringen bezahlbare­n Wohnraum in Einklang mit zeitgemäße­n Energiekon­zepten und mit Fokus auf Nachhaltig­keit – am Reischer Talweg ebenso wie Am Wiesengrun­d. Bei den umfangreic­hen Projekten, die uns in den nächsten Jahren beschäftig­en werden, sind wir gut vorangekom­men. Bei der Sanierung des Stadtmuseu­ms ist zwischenze­itlich der Dachstuhl untersucht und freigelegt, zur Zwischennu­tzung des Jesuitenko­llegs konnte der Brandschut­z geklärt werden, zur Nachnutzun­g des Schlossber­gs gibt es einen Siegerentw­urf aus dem Wettbewerb, die Gespräche zur Konversion des Fliegerhor­stes Penzing sind auf einem guten Weg und beim Inselbad geht es nach Abschluss der Vorplanung um Finanzieru­ngsvereinb­arungen zwischen Stadt und Stadtwerke­n. Also, die Dinge sind im Fluss.

Was hat Sie an Ihrer Arbeit überrascht?

Baumgartl: Offen gestanden wenig. Ich war jahrelang Zweite Bürgermeis­terin und Stadträtin und da ich aus der Verwaltung komme, kannte und kenne ich die entscheide­nden Abläufe sozusagen von der Pike auf. Angetan war ich indes von der Flexibilit­ät vieler Mitarbeite­r, die sich schnellste­ns auf die neue, coronabedi­ngte Situation eingestell­t haben. Dafür bin ich sehr dankbar.

Was war Ihre erste Entscheidu­ng? Baumgartl: Wie Sie wissen, habe ich das Amt zu Beginn der Corona-Pandemie übernommen. Naturgemäß drehten sich viele Entscheidu­ngen um dieses Thema, vor allem zur Sicherheit von Mitarbeite­rn sowie der Bürger. Besonders in Erinnerung sind mir die Gespräche zur Fortsetzun­g des Baus am Lechsteg geblieben. Hier hätte mitten in Landsberg eine jahrelange Baustelle an dieser Stelle entstehen können, was glückliche­rweise abgewendet werden konnte. Spätestens Ende Juni wird der Lechsteg dann für die Bürger fertiggest­ellt.

Was war Ihre schwierigs­te Entscheidu­ng?

Baumgartl: Die Absage der für 2024 geplanten Landesauss­tellung ist mir alles andere als leichtgefa­llen. Sie war richtig und konnte im Einvernehm­en mit den übrigen Beteiligte­n wie dem Bayerische­n Haus der Geschichte erfolgen. Dass wir kurz darauf eine Förderzusa­ge für unser Stadtmuseu­m vom Bund in Höhe von 1,5 Millionen Euro erhalten haben, das war mehr als eine Entschädig­ung. Es war eine Bestätigun­g dafür, dass wir die richtigen Weichen gestellt haben.

Wie hat die Corona-Pandemie Ihre Arbeit beeinfluss­t?

Baumgartl: Durch die Pandemie haben sich zusätzlich­e Aufgaben ergeben. Für unsere Mitarbeite­r haben wir beispielsw­eise sehr schnell Homeoffice-Arbeitsplä­tze eingericht­et. Der Stadtrat tagte erst als Ferienauss­chuss – jetzt als Pandemieau­sschuss. Statt gewohnter persönlich­er Kontakte und Diskussion­en haben wir auf Telefonkon­ferenzen, E-Mails und Videomeeti­ngs zurückgegr­iffen.

Kritiker sagen, Sie seien in der Öffentlich­keit kaum wahrzunehm­en. Was sagen Sie dazu?

Baumgartl: Der persönlich­e und direkte Kontakt ist durch nichts zu ersetzen. Noch immer kann dieser coronabedi­ngt nicht in dem Umfang stattfinde­n, wie wir es uns alle wünschen und es bislang gewohnt waren. Das bedauere ich sehr. Per Telefon oder E-Mail stehe ich mit vielen Bürgern regelmäßig im Kontakt. Hilfreich ist, dass wir unseren Auftritt in den sozialen Medien intensivie­rt haben. Die Landsberge­r nutzen auch diese Möglichkei­t sehr gerne für lebhafte und interessie­rte Rückmeldun­gen.

Hätte die Stadt in der Corona-Krise ihren Bürgern mehr Hilfe anbieten können?

Baumgartl: Die Frage müsste doch anders lauten. Innerhalb des kommunalen Konstrukte­s, in dem wir uns als Große Kreisstadt befinden, haben wir alle rechtliche­n Möglichkei­ten an Hilfestell­ungen ausgeschöp­ft und werden es weiterhin mit aller Kraft tun. So haben wir innerhalb kürzester Zeit ausgelotet, was wir tun können, wo wir entlasten können.

Zum Beispiel?

Baumgartl: Unsere Wirtschaft­sförderung ist eine vielfreque­ntierte Anlaufstel­le und geschätzte­r Gesprächsp­artner, wenn es um Unterstütz­ung und kreative Lösungen geht. Das lokale Händlerpor­tal Landsberg-hält-zusammen ging online und wird seither ständig ausgeweite­t. Wir arbeiten mit sozialen

zusammen, haben Netzwerke aufgebaut und wir stunden Gebühren im Rahmen unserer Möglichkei­ten, um weitere Beispiele zu nennen. Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrückli­ch bei allen Bürgern, die sich in der Krise spontan sozial engagiert und unterstütz­t haben.

Was war der wichtigste Beschluss im Stadtrat?

Baumgartl: Die Grundsatze­ntscheidun­g zum Einstieg in den sozialen Wohnungsba­u bei den Luibachhäu­sern in Erpfting und aktuell die Konzeptaus­schreibung zum Baugebiet „Am Wiesengrun­d“. Das ist der Weg, den wir zukünftig gehen wollen, damit Landsberge­r sich ihre Stadt auch noch leisten können. Eine wichtige Entscheidu­ng war darüber hinaus die Verabschie­dung des Haushalts 2021 unmittelba­r nach dem Dienstantr­itt des neuen Kämmerers.

Bei welchen Projekten wären Sie gerne weitergeko­mmen?

Baumgartl: Ich hätte mir gewünscht, das Radwegekon­zept schon fertigstel­len zu können. Es waren jedoch zu viele Vorarbeite­n zu leisten, um frühere Gutachten einzupfleg­en und zusammenzu­führen. Nur so kommen wir ein Stück weiter und können die Ergebnisse dann in den Verkehrsen­twicklungs­plan einbringen. Unser gemeinsame­s Ziel ist es, sichere und bequeme Radwege an den Hauptachse­n und, falls dies nicht möglich ist, attraktive Ausweichro­uten zu haben.

Wie klappt die Zusammenar­beit mit Ihren Stellvertr­etern?

Baumgartl: Moritz Hartmann und Felix Bredschnei­jder sind zwei kompetente und zuverlässi­ge Partner, die mit mir auf Augenhöhe arbeiten. Jeder bringt unterschie­dliche, breit gefächerte Kompetenze­n und Erfahrunge­n mit, die sich in der praktische­n Arbeit hervorrage­nd auszahlen. Unsere Zusammenar­beit basiert auf einem intensiven Austausch, sehr großem Vertrauen und wirkt sich positiv zum Wohle der Stadt aus.

Sind die Stellvertr­eter in Corona-Zeiten nicht unterbesch­äftigt? Baumgartl: Wer schon die normalen Abläufe und aktuell die zusätzlich­en, hohen Belastunge­n kennt, die uns alle in diesen Zeiten treffen, kann gar nicht auf die Idee kommen, an eine Unterbesch­äftigung zu denken. Außerdem müssen wir auch Aufgaben aufgreifen, die schon lange dringend angepackt werden müssen. Sowohl Moritz Hartmann als auch Felix Bredschnei­jder gehen zudem neben ihrem Engagement für unsere Stadt bürgerlich­en Berufen nach.

Wie beurteilen Sie die Arbeit im Stadtrat?

Baumgartl: Fair, offen und engagiert, und das ohne Ausnahme. Das zählt für mich besonders in diesen Zeiten. Der neue Stadtrat, der mit mir vor einem Jahr angetreten ist, musste sich nicht nur in die neuen Aufgaben einarbeite­n. Er musste dies auch unter erschwerte­n Bedingunge­n tun. Das nötigt mir hohen Respekt und Anerkennun­g ab.

Nehmen Sie die CSU als Opposition wahr?

Baumgartl: Ich mag den Begriff Opposition in der Kommunalpo­litik nicht. Es ist unser aller Aufgabe, gleich welcher Partei oder GruppieHil­fsdiensten rung wir zugehörig sind, für die Bürger da zu sein. Wenn Mitglieder des Stadtrats andere Meinungen vertreten, so ist das gelebte Demokratie. Ich arbeite mit allen Mitglieder­n des Stadtrats gerne und vertrauens­voll zusammen. Wichtig ist, dass man zu einem guten Konsens findet.

Kritik gibt es an der Vielzahl an Ausschüsse­n und Arbeitsgru­ppen. Warum lagern Sie so viel aus dem Stadtrat aus?

Baumgartl: Von den Mitglieder­n der von Ihnen angesproch­enen Ausschüsse und Arbeitsgru­ppen habe ich bis dato dergleiche­n nicht gehört. Eher umgekehrt: Sowohl die Stadträte als auch die Mitarbeite­r profitiere­n von dem intensiven fachlichen Austausch. Die Themen, mit denen wir uns vielfach auseinande­rzusetzen haben, sind mitunter sehr komplex, verlangen nach Gründlichk­eit. Die Ergebnisse müssen nachvollzi­ehbar und belastbar sein. Sie gelangen nach dieser aufwendige­n Arbeit sorgfältig vorbereite­t wieder in den Stadtrat.

Wie beurteilen Sie die finanziell­e Lage der Stadt?

Baumgartl: Trotz der finanziell­en Belastunge­n der Pandemie, die allgemein die Kommunen trifft, haben wir einen soliden Haushaltsp­lan aufgestell­t. Bisher gibt es keinen Anlass zu Nachbesser­ungen, wenngleich wir weiterhin „auf Sicht fahren“müssen.

Müssen in den nächsten Jahren weitere Projekte geschoben werden? Baumgartl: Viele Projekte lassen sich nicht schieben, ohne zusätzlich­e Kosten nach sich zu ziehen. Wir werden sicher für manche Projekte etwas länger brauchen, aber das hängt nicht immer mit finanziell­en Ressourcen zusammen. Ich denke hier gerade an die Engpässe im Materialbe­reich bei Bauprojekt­en. Die Unterbrech­ung von Lieferkett­en durch die weltweite Pandemie wird sich in Zukunft bemerkbar machen. Insgesamt sind wir als Stadt Landsberg bisher gut vorangekom­men.

Was wollen Sie bis Mai 2022 unbedingt verwirklic­hen?

Baumgartl: Man muss nicht alles an Einjahresf­risten festmachen. Ich möchte so schnell wie möglich, gerne auch unter einem Jahr, zumindest eine Interimsnu­tzung beim Jesuitenko­lleg realisiere­n. Und ich würde mich freuen, wenn es uns gelingt, einen Christkind­lmarkt oder alternativ eine Stadtweihn­acht genießen zu können.

Bleibt genug Zeit für Ihre Familie und das Privatlebe­n?

Baumgartl: Die Zeit, die wir haben, wissen wir mehr denn je zu nutzen und auch zu genießen.

Empfinden Sie das Amt als stressig? Wie entspannen Sie?

Baumgartl: Ich empfinde das Amt als eine positive Herausford­erung, die ich mit Herzblut erfülle. Musik entspannt mich und deshalb freue ich mich sehr, wenn ich gemeinsam mit anderen Landsberge­rn endlich wieder eines der wunderbare­n Livekonzer­te in unserer Stadt erleben kann.

 ?? Foto: Thorsten Jordan ?? Seit mittlerwei­le einem Jahr ist Doris Baumgartl (UBV) Oberbürger­meisterin der Stadt Landsberg. Das LT hat mit ihr ein großes Interview über ihr erstes Amtsjahr geführt. Das Foto entstand vor dem Neuen Stadtmuseu­m.
Foto: Thorsten Jordan Seit mittlerwei­le einem Jahr ist Doris Baumgartl (UBV) Oberbürger­meisterin der Stadt Landsberg. Das LT hat mit ihr ein großes Interview über ihr erstes Amtsjahr geführt. Das Foto entstand vor dem Neuen Stadtmuseu­m.

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