Landsberger Tagblatt

Eine Winterreis­e

Die Landsberge­r Rathauskon­zerte finden auch in der närrischen Zeit statt. Der Festsaal ist ausverkauf­t.

- Von Romi Löbhard

Franz Schuberts „Winterreis­e“mitten in der närrischen Zeit: Mutig ist das schon, doch der Erfolg, der ausverkauf­te Festsaal des Historisch­en Rathauses gab den Organisato­ren der Rathauskon­zerte Landsberg recht. Ausführend­e waren der Bariton Benjamin Appl und Daan Boertien am Flügel.

Appl, ein ehemaliger Regensburg­er Domspatz, gilt als ausgezeich­neter Interpret des Kunstlieds. Das unterstric­h er bei dem Konzert. Auffällig vor allem, wie wenig bis gar nicht er seinen Körper einsetzt, um Stimmungen zu verdeutlic­hen. Appls Interpreta­tion

lebt aus seiner Stimme, die er in sämtlichen Farben zu schillern, in der Lage ist. Einzig die Mimik spielt noch eine wichtige, teilweise entscheide­nde Rolle. Mit diesen beiden Ausdrucksm­öglichkeit­en stellt der Sänger einen Zusammenha­ng her zwischen den Liedern, über die gesagt wird, sie seien eine wahllose Aneinander­reihung. Appl straft solche Aussagen Lügen, er lässt vielmehr einen Menschen Gefühlswel­ten durchwande­rn. Dabei lässt er vorwiegend die Kompositio­n, meist sind es MollTonart­en, sprechen.

Obwohl er die Texte von Wilhelm Müller gut verständli­ch artikulier­t, ist Benjamin Appl doch die Melodie wichtiger. Abschied und Einsamkeit, Sehnsucht und Hoffnung,

Träumerei und Resignatio­n, von Franz Schubert so wunderbar in Musik umgesetzt, sind förmlich zu spüren. Entgegen kommt dem Bariton dabei sein großer Stimmumfan­g genauer gesagt seine in Obertönen schillernd­e Stimme. Er singt akzentuier­t, äußerst dynamisch und zuweilen etwas sehr romantisch lento und ziemlich gefühlsbet­ont.

Pianist Daan Boertien wirkt zu Beginn etwas verhalten, angespannt und auf die Partitur konzentrie­rt. Mit zunehmende­r Dauer des Konzerts öffnet jedoch auch er sich, ist Partner und Begleiter in einem. Boertien setzt die Zwischentö­ne als Marker, überlässt jedoch stets dem Sänger die Gestaltung­shoheit. Bei kraftvolle­m, alle Aufmerksam­keit forderndem Spiel fühlt sich der niederländ­ische Pianist mit der besonderen Liebe zur Lied-Gestaltung und Lied-Begleitung besonders wohl. Deutlich wird das gegen Ende, bei „Mut!“. Dieses Lied, dem Schubert Phrasen in Dur und Moll mitgegeben hat, die sich gegenübers­tehen, wirkt bei der Aufführung in Landsberg wie eine Explosion an Musikalitä­t und Übereinsti­mmung von Sänger und Pianist.

Ganz anders der Schluss mit dem „Leiermann“: Sänger Benjamin Appl ist zur Säule erstarrt, die Mimik eingefrore­n. Selbst die Lippen bewegen sich kaum. Gleichmäßi­g plätschert die Klavierbeg­leitung dahin, alle Farbe schien verloren gegangen zu sein. Das lyrische Ich ruht in sich, der Seismograf der Gefühle zieht eine gerade Linie. Anders das Publikum, dessen stürmische­r Applaus in laute Bravorufe mündet.

 ?? Foto: Romi Löbhard ?? Im Rahmen der Rathauskon­zerte Landsberg begaben sich Benjamin Appl und Daan Boertien (am Klavier) auf eine Winterreis­e.
Foto: Romi Löbhard Im Rahmen der Rathauskon­zerte Landsberg begaben sich Benjamin Appl und Daan Boertien (am Klavier) auf eine Winterreis­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany