Selbsthilfegruppen können viel leisten
Zum Bericht „Wenn die Krise nicht mehr endet“, vom 6. Februar:
Ja, es gibt heute jede Menge seelischer Probleme und auch Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen bzw. jungen Menschen. Und es ist nur gut, wenn diese und die davon mitbetroffenen Angehörigen vor Ort Anlaufstellen finden, in denen sie Hilfe erhalten. Und zweifelsohne ist es auch hilfreich, wenn die Betroffenen sich in Form von Selbsthilfegruppen dabei selbst um die Probleme kümmern. Skeptisch aber ist es zu beurteilen, dass diese mannigfaltigen Problemlagen, die sich in handfeste Krisen ausweiten können, heute überschnell als „psychische Krankheiten“bezeichnet werden. Dies ist nämlich ein höchst diffiziler und auch unscharfer Begriff, in den jede Menge Urteile und auch Vorurteile einfließen und mit dem man daher achtsam und zurückhaltend umgehen sollte. Zumal die Probleme der jungen Menschen meist nicht medizinischer, sondern psychosozialer Natur sind. Und daher auch einen entsprechenden an der Lebenswelt orientierten Umgang erfordern. Die gegenwärtig geltenden Diagnoseschemata sind aber leider so gestrickt – und das wissen die meisten Menschen nicht, dass sie rein auf Symptome ausgerichtet den Hintergrund psychischer Probleme systematisch ausklammern. Im Sozialen aber und in den innerund außerfamiliären Beziehungen liegt der Schlüssel für eine wirksame Hilfe. Selbsthilfegruppen können da eine Menge leisten, auch Entwicklungen hin zu Krisen mit Krankheitswert aufhalten. Daher Respekt und viel Erfolg der neuen Selbsthilfeinitiative, verbunden mit dem Wunsch, dass die dort Versammelten einen offenen Blick behalten und sich nicht dem medizinischen Krankheitsmodell unterordnen. Weit gedacht gibt es viele Wege aus mentalen (oder eben besser: psychosozialen) Krisen.
Jürgen Karres, Landsberg