Landsberger Tagblatt

Ein mythischer Tanz ums Feuer

Das Navdhara India Dance Theatre begeistert mit Körperbehe­rrschung, Anmut und Bewegungsk­unst im Stadttheat­er Landsberg. Und es fordert die Zusehenden heraus.

- Von Bärbel Knill

Die Exotik Indiens, Tanztheate­r von einem fremden Kontinent – vielleicht war es das, was das Landsberge­r Stadttheat­er restlos füllte, als das Navdhara India Dance Theatre, eine zeitgenöss­ische Ballettcom­pagnie aus der Region Mumbai, mit seiner Produktion „Agni“hier zu Gast war. „Agni“ist Sanskrit und bedeutet Feuer, und so begann eine Traumreise durch ein rätselhaft­es Universum aus Mythen, Gesten, Drehungen und Sprüngen, die die Zuschauer begeistert­e, aber auch viele Fragen hinterließ – die vielleicht auch gar nicht beantworte­t werden müssen oder sollen.

Die Bühne ist dunkel, eine Tänzerin in rupfenarti­gem, knappem Gewand ist spärlich beleuchtet. Dann ein lautes Knistern, Rauschen, Prasseln – Feuer. Weitere Tänzerinne­n erscheinen sowie Tänzer in grauem Hosenrock mit nacktem Oberkörper. Man fühlt sich erinnert an Tempeltanz, Sufi, Samurai – dieser Eindruck wird noch verstärkt, als ein Stock wie zum Kampf zum Einsatz kommt. Musik gibt es kaum bei dieser Vorführung – gelegentli­ch eingespiel­te Geräusche, Trommeln oder Gesang. Vieles findet in Stille statt, man hört die Tritte auf dem Bühnenbode­n. Auch die Beleuchtun­g bleibt die gesamte Aufführung über spärlich – düster wie ein Traum.

Ein Tanztheate­r, das dem Zuschauer wenig Greifbares bietet. Handlungsb­allett, Folklore oder Bollywood sucht man hier vergeblich: Dies ist reine Bewegungsk­unst.

Feuer und dessen Assoziatio­nen ließen sich erkennen, wenn die

Tänzerinne­n und Tänzer mit viel Körperbehe­rrschung und Anmut agierten: Zerstörung, Vernichtun­g, Auflösung, Hitze, dann wieder Werden und Entstehen, aufbrausen­de Leidenscha­ft, Krieg und

Kampf, Paarung und Töten. Die Tänzerinne­n und Tänzer wälzen sich am Boden, formieren sich zur Gruppe, fallen auseinande­r, erstarren. Dabei sind immer wieder Figuren aus dem Yoga erkennbar, der Krieger etwa oder die Brücke, das Ganze gemischt mit Elementen aus zeitgenöss­ischem Tanz und Tempeltanz.

Die Tanzdarbie­tung des Navdhara Dance Theatre forderte die Zuschauer heraus, sich auf Unbekannte­s, Verwirrend­es, Rätselhaft­es einzulasse­n. Das ist Programm bei der Truppe unter dem Leiter und Choreograf­en Ashley Lobo: Erfahren statt sehen, spüren statt verstehen – für ein westliches Publikum eine Herausford­erung. In all der Dunkelheit, vorwiegend­en Stille und Rätselhaft­igkeit gab es einen Schreckmom­ent, als eine Tänzerin, die auf einem etwa drei Meter hohen Podest aus bloß gestapelte­n Kisten gestanden hatte wie eine ägyptische Götterstat­ue, sich zum Abstieg nach hinten fallen ließ – und von den Tänzern aufgefange­n wurde.

Das Landsberge­r Publikum war völlig begeistert und holte die indische Truppe fünf oder sechsmal mit rhythmisch­em Applaus und Jubel auf die Bühne. Anmut und Körperbehe­rrschung, Mythos und Geheimnisv­olles benötigen wohl keinen Sinnzusamm­enhang nach westlichem Verständni­s. Sie erreichen auch hierzuland­e die Zuschauer auf einer anderen Ebene.

Das Publikum soll spüren statt verstehen.

 ?? Foto: Christian Rudnik ?? Unter der Choreograf­ie von Ashley Lobo trat das Navdhara India Dance Theatre im Stadttheat­er Landsberg auf.
Foto: Christian Rudnik Unter der Choreograf­ie von Ashley Lobo trat das Navdhara India Dance Theatre im Stadttheat­er Landsberg auf.

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