Landsberger Tagblatt

Wird der Sitzungssa­al zum Gerichtssa­al?

Hintergrun­d: In Sachen Oide Wiesn wird es weitere Gespräche geben, doch schon längst geht es nicht mehr um die Zelte. Hat ein Stadtrat noch andere Treuepflic­hten oder ist er in seinen Entscheidu­ngen nur seinem Mandat verpflicht­et?

- Von Alexandra Lutzenberg­er

Es gibt in Landsberg rund um die Oide Wiesn zwei Lager. Und eine Sache haben die beiden sogar gemeinsam. Jeder spricht seiner Seite zu und rät, sich ja nichts mehr gefallen zu lassen. Das wird in den Kommentare­n deutlich. Eine Annäherung ist schwierig. Soll das Volksfest mit großer Außenwirku­ng im September wieder auf dem Hellmairpl­atz stattfinde­n, oder muss das große Zelt an den Rand von Landsberg? Veranstalt­er sind Bauernverb­and, Landfrauen und maßgeblich die VR-Bank Landsberg-Ammersee, die weiter auf dem Standort Hellmairpl­atz besteht, der, wie berichtet, bei den dort ansässigen Wirten nicht gut ankommt. Doch im Moment geht es bei dieser Debatte nicht ums Zelt oder um Zelte, sondern um die schlichte Frage, ob ein Stadtrat oder eine Stadträtin unabhängig entscheide­n darf oder auch andere Treuepflic­hten beachten muss. Denn zwei Stadträten (mit Bankkonto bei der VR-Bank) wurden nach einer Debatte die Konten gekündigt, und es gibt Verfahren zum Genossensc­haftsaussc­hluss bei der VR-Bank Landsberg-Ammersee.

Die Frage um die Oide Wiesn kann man sachlich und fundiert in jede Richtung hin beantworte­n. Denn im Hinblick auf Brauchtum dürfte die Lösung hier einfach sein. Sie ist eine Bereicheru­ng für die Stadt. Aber hier geht es, das merkt man an den Emotionen, mit denen diskutiert wird, um einen Machtkampf und darum, wer am Ende recht behält. Dieser Eindruck verstärkt sich immer mehr. Und fast jeder hat ein wenig vergessen, dass die Oide Wiesn als Symbol dafür steht, ob überhaupt Festzelte in der Innenstadt aufgebaut werden dürfen. Das war der eigentlich­e Inhalt des umstritten­en Antrags von Stadtrat Christoph Jell (UBV), den die Wirte Dominik Wagmann, Blanka Salzinger und Manuela Sauter gestellt haben. Eingereich­t hat ihn Jell.

Was die Stadträte und Stadträtin­nen verhindern wollen, ist, dass man solche Zelte künftig öfter in der Altstadt (auch für politische Zwecke) nutzt und aufbaut. Bei der Oiden Wiesn präsentier­en Direktverm­arkter ihre Waren, und die Veranstalt­ung im und um das Bierzelt wird gemeinsam mit dem Bauernverb­and und den Landfrauen organisier­t. Bereits im Vorfeld zu diesem Antrag war es bei der ersten Abstimmung im Herbst zu Spannungen gekommen, weil zwei Stadträte mit abgestimmt hatten, die persönlich betroffen waren. Die Rechtsaufs­icht schritt ein, weil sie persönlich­e Interessen sah. Also wollte man im Stadtrat neu abstimmen, und es sah für eine Zustimmung für die Zelte gut aus. Doch dann wurde die Kündigung der Konten zweier Stadträte durch die Bank publik. Denn jetzt hat sich eine ganz andere Grundsatzd­ebatte

entwickelt. Wieder geht es um die Unabhängig­keit vom Mandat. Und das Thema rund um das Selbstvers­tändnis und die Unabhängig­keit der Mandatsträ­ger, sprich der Stadträte, ist ein Aufregerth­ema. Wenn sogar besonnene Stadträte wie Dieter Völkel (SPD) in der jüngsten Sitzung öffentlich „law and order“spielen und einen Bankchef aus der Reserve locken, der andere Treuepflic­hten sieht, dann kann es danach eigentlich nur noch Verlierer geben: Zum einen wirkt die Befragung des Bankchefs wie eine öffentlich­e Vorführung, zum anderen wirkt der Stadtrat fast wie ein Königlich Bayerische­s Amtsgerich­t. Nur der Spaßfaktor, den diese alte Fernsehsen­dung hatte, der ging in der Sitzung verloren.

Oberbürger­meisterin Doris Baumgartl (UBV) will nun neue Gespräche führen. Sie hat recht mit ihrer jetzt angedachte­n Vorgehensw­eise. Man kann über die Oide Wiesn (inzwischen symbolisch für alle Zelte) und wer und wie sie künftig in der Stadt veranstalt­et werden soll, erst reden, wenn klar ist, ob man hier als Stadtrat überhaupt noch frei entscheide­n kann.

Als Bankkunde und Stadtrat ergibt sich keinerlei Abhängigke­it, das sieht auch die VR-Bank Landsberg-Ammersee so, und ihr Chef Stefan Jörg hat es immer wieder betont. Warum dann den beiden Stadträten, die in der Sitzung gegen die Bank gestimmt haben, gekündigt wurde, ist derzeit unklar und unterliegt dem Bankgeheim­nis.

Anders liegt der Fall als Genossensc­haftsmitgl­ied der Bank und Stadtratsm­itglied. Hier gibt es wohl mehrere Pflichten, auch eine Treuepflic­ht gegenüber der Bank, dieser durch sein Verhalten nicht zu schaden. Auch nicht in Entscheidu­ngen, die im Stadtrat nach bestem Gewissen getroffen wurden? Welche Treuepflic­ht ist nun die höhere, die gegenüber der Bank oder die auf eine unabhängig­e Entscheidu­ngsmöglich­keit im Mandat? (siehe Infoblock)

Bankchef Stefan Jörg sagt nach seinen Ausführung­en im Stadtrat zum Fall nicht mehr viel. „Ich habe dort nur auf Dinge, die bereits bekannt waren und vorgelesen wurden, geantworte­t. Dieter Völkel hat in der öffentlich­en Sitzung aus einem Brief zum Anhörungsv­erfahren zitiert. Dort wird die Absicht des Ausschluss­es angekündig­t.“Der Ausschluss aus der Genossensc­haft sei ein laufendes Verfahren. Derzeit gebe es ein Anhörungsv­erfahren. Alles andere unterliege dem Bankgeheim­nis bei einem schwebende­n Verfahren. Der Ausschluss sei bisher nicht vollzogen. Jörg hatte in der Stadtratss­itzung, nachdem Teile des Briefes verlesen wurden, einen Zusammenha­ng zwischen Jells Antrag zum Thema Zelte hergestell­t und auf Treuepflic­hten verwiesen und damit viel Kritik geerntet.

Hat Jell durch den Antrag die Interessen der Bank nicht gewahrt? Der Stadtrat Christoph Jell (UBV) will sich den möglichen Ausschluss (auch ein weiterer Stadtrat ist betroffen) nicht gefallen lassen und hat einen Anwalt beauftragt. „Ich sehe weder die Kontokündi­gung noch den Ausschluss als rechtmäßig an und werde dagegen, wenn er wirklich vollzogen wird, wohl auch klagen.“Er sei zuallerers­t seinem Stadtratsm­andat verpflicht­et.

Die Bank sieht wohl durch Jells Antrag das Wohl der Bank als gefährdet an, da die Oide Wiesn trotz ihrer Wichtigkei­t und Bedeutung für die Bank durch Jells Antrag verboten werden sollte. Darin würde man einen Verstoß gegen die Treuepflic­ht sehen.

Das ist wohl einer der Ausschluss­gründe. Jell: „Es ging in dem Antrag nicht um die Oide Wiesn, es ging generell um Festzelte. Ich sehe keinen Verstoß.“Auch dem Stadtrat Claus Moritz wurden die Konten gekündigt und bei ihm läuft ein Verfahren für den Genossensc­haftsaussc­hluss.

Ein Bankchef, der vorgeführt wird.

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Jordan (Archivbild) Foto: Thorsten Soll es weiter Zelte in der Altstadt geben? Und wer ist wann beim Abstimmen im Stadtrat befangen? Diese Frage stellt sich derzeit in Landsberg.
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Foto: Thorsten Jordan VR-Bank Landsberg-Ammersee : Die Zentrale in Landsberg. Dort wird derzeit viel über die Oide Wiesn geredet.
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Foto: Christian Rudnik (Archivbild) Stefan Jörg ist Vorstandsv­orsitzende­r der VR-Bank Landsberg-Ammersee.

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