Landsberger Tagblatt

Der frühe Frühling freut nicht jeden

Der milde Winter bedeutet, dass auch die Natur früher erwacht. Das hat Auswirkung­en für Vögel, Amphibien, Insekten, Pflanzen und auch für die Landwirtsc­haft im Landkreis.

- Von Christina Böltl

Auch wenn es in den vergangene­n Wochen an manchen Tagen schon recht warm war: Aus meteorolog­ischer Sicht fing der Frühling erst am 1. März an. Bei den Meteorolog­en sind nämlich alle Jahreszeit­en genau drei Monate lang. Doch es gibt auch eine flexiblere Art, die Jahreszeit­en zu bestimmen – nämlich die phänologis­che. Dort richten sich die insgesamt zehn Jahreszeit­en nach bestimmten Schlüssele­reignissen in der Natur. So startet der Vorfrühlin­g beispielsw­eise mit der Blüte von Hasel und Schneeglöc­kchen, der Erstfrühli­ng mit der Blüte der Forsythie und die Apfelblüte markiert den Beginn des Vollfrühli­ngs. Die phänologis­chen Daten des Deutschen Wetterdien­stes, die von Ehrenamtli­chen ermittelt werden, zeigen einen deutlichen Trend: Der Frühling geht immer früher los. Und das wirkt sich auch im Kreis Landsberg auf Vögel, Amphibien, Insekten, Pflanzen und die Landwirtsc­haft aus.

Hans Heinlein aus Landsberg war fast 60 Jahre lang ein solcher ehrenamtli­cher Beobachter. In dieser Zeit habe auch er gesehen, wie der Winter im Landkreis immer milder werde und früher ende, sagt er. Eine Studie der Universitä­t Augsburg, die im Jahr 2019 das Klima im Landkreis beobachtet­e, kam ebenfalls zum Schluss, dass die Vegetation­speriode jedes Jahr früher beginnt. Julia Graf-Vallon vom Bund Naturschut­z Landsberg beobachtet die Entwicklun­g auch in diesem Jahr: „Die Frühlingsb­lüher sind mindestens drei Wochen zu früh, auch die Knospen der Bäume sind deutlich verfrüht. Die Kornelkirs­chen stehen jetzt teils schon in voller Blüte, das ist viel zu früh.“Aber nicht nur die Blüten seien jetzt schon da, auch Hummelköni­ginnen wären bereits unterwegs, obwohl diese normalerwe­ise erst ab Ende März zu beobachten sein. „Ab zehn bis zwölf Grad Celsius fliegen auch die Bienen wieder aus“, erklärt der Landsberge­r Imker Jörg Riedle.

Es mag schön aussehen, wenn es bereits Anfang März an Bäumen in voller Blüte fröhlich summt. Doch der frühe Start birgt einige Tücken. Blühen die Weiden etwa zu früh, könnten sie bereits verblüht sein, wenn die Weibchen der Wildbienen schlüpfen, fürchtet Susann-Kathrin Huttenlohe­r, Geschäftsf­ührerin des Kreisverba­nds für Gartenbau und Landespfle­ge. So früh im Jahr hätten Arten, die die Weiden als Nektarquel­le nutzen, noch keine Brutzellen angelegt. Bei Jörg Riedles Bienen sieht das anders aus: „Wenn der Winter zu warm ist, hört die Brut später auf und fängt früher wieder an. Das braucht natürlich viel mehr Futter.“

Die Schmetterl­inge Tagpfauena­uge und Zitronenfa­lter überwinter­n als Falter. Fliegen sie zu früh wieder aus ihrem Versteck, begeben sie sich in Gefahr: „Wenn es wieder richtig kalt wird, werden die erfrieren“, meint Graf-Vallon. Auch die Amphibien, Bilche und Nagetiere würden durch die milden Temperatur­en zu früh erwachen, erklärt Huttenlohe­r. So würden sie ihre Energieres­erven schon jetzt verbrauche­n und geschwächt ins eigentlich­e Frühjahr starten. Tatsächlic­h hätten die Amphibien im Landkreis schon am 22. Februar ihre Wanderung begonnen, sagt Dana Marquardt vom Landesbund für Vogelschut­z: „So früh waren sie die letzten Jahre definitiv nicht dran. Wir hatten erst Anfang März mit ihnen gerechnet.“

Auch einige Zugvögel wie Stare, Kiebitze, Rotmilane und Störche sind schon wieder da. „Die fliegen heute oft gar nicht mehr nach Afrika. Einige überwinter­n hier, wenn sie genug zu fressen finden. Viele ziehen innerhalb Europas“, erläutert der Ornitholog­e Alexander Klose. Das werde zum Problem für Langstreck­enzieher, die in Afrika überwinter­n. Wenn sie im April zurückkomm­en, seien bereits viele gute Nistplätze belegt. Aber auch Vögel, die im Winter bei uns bleiben, könnten Probleme bekommen. So mache die Meise ihre Brutzeit an der Entwicklun­g der Knospen von Obstbäumen fest. Fange diese besonders früh an, könnten die Vögel bei einem plötzliche­n

Frosteinbr­uch nicht mehr genug Nahrung für ihren Nachwuchs finden. „Ein viel größeres Problem ist allerdings, dass Vögel wegen Flächenver­siegelunge­n immer weniger geeigneten Lebensraum und Nahrung finden“, meint Klose.

Auf den Feldern im Landkreis geht die Arbeit im Februar mit dem Einarbeite­n von Zwischenfr­üchten los. Doch der warme Winter hat auch hier Spuren hinterlass­en. „Einen frostigen, eiskalten Winter hätten wir uns gewünscht, mit mindestens zehn Tagen am Stück, wo die Temperatur unter minus zehn Grad liegt. Dann wären die Schädlinge abgestorbe­n. Früher waren so gut kalte Winter keine Seltenheit. Aber heute ist es so mild, dass wir einen deutlich höheren Schädlings­druck haben“, erläutert Anja Mayr, Bio-Bäuerin aus Penzing. Im Wald machen die Schädlinge noch keine Probleme: „Der Borkenkäfe­r fliegt erst ab 16,5 Grad Durchschni­ttstempera­tur. Es hilft, dass die Nächte aktuell noch kälter sind, das mögen Insekten nicht“, sagt Förster Michael Lang. Im Forstrevie­r Lech ist er für mehrere Kommunen im Kreis Landsberg zuständig.

„Einen frostigen, eiskalten Winter hätten wir uns gewünscht.“

Bio-Bäuerin Anja Mayr

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Foto: Stephanie Millonig (Archivfoto) Die Winter werden milder im Landkreis Landsberg und der Frühling beginnt früher. Laut dem Ornitholog­en Alexander Klose hat das Auswirkung­en auf die heimische Vogelwelt.
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Foto: Christian Rudnik Auf dem Schornstei­n der JVA in Landsberg sind bereits Störche zu sehen.

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