Der frühe Frühling freut nicht jeden
Der milde Winter bedeutet, dass auch die Natur früher erwacht. Das hat Auswirkungen für Vögel, Amphibien, Insekten, Pflanzen und auch für die Landwirtschaft im Landkreis.
Auch wenn es in den vergangenen Wochen an manchen Tagen schon recht warm war: Aus meteorologischer Sicht fing der Frühling erst am 1. März an. Bei den Meteorologen sind nämlich alle Jahreszeiten genau drei Monate lang. Doch es gibt auch eine flexiblere Art, die Jahreszeiten zu bestimmen – nämlich die phänologische. Dort richten sich die insgesamt zehn Jahreszeiten nach bestimmten Schlüsselereignissen in der Natur. So startet der Vorfrühling beispielsweise mit der Blüte von Hasel und Schneeglöckchen, der Erstfrühling mit der Blüte der Forsythie und die Apfelblüte markiert den Beginn des Vollfrühlings. Die phänologischen Daten des Deutschen Wetterdienstes, die von Ehrenamtlichen ermittelt werden, zeigen einen deutlichen Trend: Der Frühling geht immer früher los. Und das wirkt sich auch im Kreis Landsberg auf Vögel, Amphibien, Insekten, Pflanzen und die Landwirtschaft aus.
Hans Heinlein aus Landsberg war fast 60 Jahre lang ein solcher ehrenamtlicher Beobachter. In dieser Zeit habe auch er gesehen, wie der Winter im Landkreis immer milder werde und früher ende, sagt er. Eine Studie der Universität Augsburg, die im Jahr 2019 das Klima im Landkreis beobachtete, kam ebenfalls zum Schluss, dass die Vegetationsperiode jedes Jahr früher beginnt. Julia Graf-Vallon vom Bund Naturschutz Landsberg beobachtet die Entwicklung auch in diesem Jahr: „Die Frühlingsblüher sind mindestens drei Wochen zu früh, auch die Knospen der Bäume sind deutlich verfrüht. Die Kornelkirschen stehen jetzt teils schon in voller Blüte, das ist viel zu früh.“Aber nicht nur die Blüten seien jetzt schon da, auch Hummelköniginnen wären bereits unterwegs, obwohl diese normalerweise erst ab Ende März zu beobachten sein. „Ab zehn bis zwölf Grad Celsius fliegen auch die Bienen wieder aus“, erklärt der Landsberger Imker Jörg Riedle.
Es mag schön aussehen, wenn es bereits Anfang März an Bäumen in voller Blüte fröhlich summt. Doch der frühe Start birgt einige Tücken. Blühen die Weiden etwa zu früh, könnten sie bereits verblüht sein, wenn die Weibchen der Wildbienen schlüpfen, fürchtet Susann-Kathrin Huttenloher, Geschäftsführerin des Kreisverbands für Gartenbau und Landespflege. So früh im Jahr hätten Arten, die die Weiden als Nektarquelle nutzen, noch keine Brutzellen angelegt. Bei Jörg Riedles Bienen sieht das anders aus: „Wenn der Winter zu warm ist, hört die Brut später auf und fängt früher wieder an. Das braucht natürlich viel mehr Futter.“
Die Schmetterlinge Tagpfauenauge und Zitronenfalter überwintern als Falter. Fliegen sie zu früh wieder aus ihrem Versteck, begeben sie sich in Gefahr: „Wenn es wieder richtig kalt wird, werden die erfrieren“, meint Graf-Vallon. Auch die Amphibien, Bilche und Nagetiere würden durch die milden Temperaturen zu früh erwachen, erklärt Huttenloher. So würden sie ihre Energiereserven schon jetzt verbrauchen und geschwächt ins eigentliche Frühjahr starten. Tatsächlich hätten die Amphibien im Landkreis schon am 22. Februar ihre Wanderung begonnen, sagt Dana Marquardt vom Landesbund für Vogelschutz: „So früh waren sie die letzten Jahre definitiv nicht dran. Wir hatten erst Anfang März mit ihnen gerechnet.“
Auch einige Zugvögel wie Stare, Kiebitze, Rotmilane und Störche sind schon wieder da. „Die fliegen heute oft gar nicht mehr nach Afrika. Einige überwintern hier, wenn sie genug zu fressen finden. Viele ziehen innerhalb Europas“, erläutert der Ornithologe Alexander Klose. Das werde zum Problem für Langstreckenzieher, die in Afrika überwintern. Wenn sie im April zurückkommen, seien bereits viele gute Nistplätze belegt. Aber auch Vögel, die im Winter bei uns bleiben, könnten Probleme bekommen. So mache die Meise ihre Brutzeit an der Entwicklung der Knospen von Obstbäumen fest. Fange diese besonders früh an, könnten die Vögel bei einem plötzlichen
Frosteinbruch nicht mehr genug Nahrung für ihren Nachwuchs finden. „Ein viel größeres Problem ist allerdings, dass Vögel wegen Flächenversiegelungen immer weniger geeigneten Lebensraum und Nahrung finden“, meint Klose.
Auf den Feldern im Landkreis geht die Arbeit im Februar mit dem Einarbeiten von Zwischenfrüchten los. Doch der warme Winter hat auch hier Spuren hinterlassen. „Einen frostigen, eiskalten Winter hätten wir uns gewünscht, mit mindestens zehn Tagen am Stück, wo die Temperatur unter minus zehn Grad liegt. Dann wären die Schädlinge abgestorben. Früher waren so gut kalte Winter keine Seltenheit. Aber heute ist es so mild, dass wir einen deutlich höheren Schädlingsdruck haben“, erläutert Anja Mayr, Bio-Bäuerin aus Penzing. Im Wald machen die Schädlinge noch keine Probleme: „Der Borkenkäfer fliegt erst ab 16,5 Grad Durchschnittstemperatur. Es hilft, dass die Nächte aktuell noch kälter sind, das mögen Insekten nicht“, sagt Förster Michael Lang. Im Forstrevier Lech ist er für mehrere Kommunen im Kreis Landsberg zuständig.
„Einen frostigen, eiskalten Winter hätten wir uns gewünscht.“
Bio-Bäuerin Anja Mayr