Landsberger Tagblatt

„Schauen kann jeder, sehen will gelernt sein“

Der Bildhauer Dietmar Scharfe aus Dettenhofe­n zeigt im Taubenturm zeitlose Kunst. Einige seiner Werke zieren den öffentlich­en Raum in Landsberg.

- Von Uschi Nagl

Viele, viele Kunstfreun­de, darunter zahlreiche Künstler und Wegbegleit­er, stiegen am Donnerstag, 29. Februar, die alten Stufen zum Taubenturm hinauf, um dem Bildhauer Dietmar Scharfe ihre Geburtstag­sglückwüns­che zu überbringe­n und die Eröffnung einer ganz besonderen Ausstellun­g zu erleben: Unter dem Titel „Schauen kann jeder, sehen will gelernt sein“zeigt der 84-jährige Künstler aus Dettenhofe­n im Domizil des kunstsinni­gen Heimatvere­ins derzeit eine feine Auswahl aus seinem Lebenswerk. Es sei ihm eine riesige Freude, seine Kunst nochmals gewürdigt zu sehen, sagte Dietmar Scharfe. Auch an den kommenden Wochenende­n möchte der Künstler zu den Öffnungsze­iten wieder persönlich vor Ort sein.

Bis heute erscheinen die Plastiken und Modelle von Dietmar Scharfe zeitlos, beständig und keiner Mode unterworfe­n. Die Nähe zur Natur war ihm bei der Gestaltung menschlich­er Körper, bei Porträts oder bei der Abbildung von Tieren, in all seinen Schaffensp­hasen immer wichtig.

Mit welcher Noblesse es dem Bildhauer gelungen sei, dem jeweiligen Charakter seiner Modelle und Motive gerecht zu werden, zeige sich insbesonde­re auch in seinen Porträtdar­stellungen, erklärte Carmen Jacobs, Kulturwiss­enschaftle­rin und wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin der Kreisheima­tpflege Landsberg: So entstand etwa der Bleiguss „Romana“kurz nach dem Kennenlern­en des jungen Mädchens, das später die Frau des Künstlers wurde.

Mit dem Porträt „Franziska“erzähle er von einer älteren Frau in seiner Umgebung, die seit ihrer Kindheit ein schweres Schicksal zu tragen hatte. „Fällt dort bei der jugendlich­en Darstellun­g sofort die Weichheit des Mädchens auf, so beeindruck­t hier im Bronzeguss die genaue Herausarbe­itung der Spuren eines harten Lebens in Hautstrukt­ur und Physiognom­ie des Gesichts“, betonte die Laudatorin.

Die Blicke zieht auch eine Architektu­rszene mit dem Titel „Mädchen am Portal“auf sich – eine Plastik, die einem Urlaubsfot­o nachgebild­et ist. Dargestell­t ist eine junge Frau, die entspannt vor dem Portal der Cappella degli Scrovegni in Padua sitzt. Der aufwendig montierte Bronzeguss wirkt trotz der langwierig­en Arbeitspro­zesse, die ihm zugrunde liegen, wie eine zufällige, heitere Momentaufn­ahme.

Zu sehen ist etwa die durchgetre­tene Schwelle, aber auch die exakt gearbeitet­e zeitgenöss­ische Kleidung der Frau mit Sommerklei­d mit Plateausan­dalen. „Es ist dem Künstler wichtig, in vielen seiner Plastiken den Eindruck von Geborgenhe­it entstehen zu lassen“, sagt Laudatorin Carmen Jacobs.

Der frei stehende Bronzeguss eines trabenden Panzernash­orns fordert dazu auf, das Tier beim Betrachten zu umschreite­n, um seine facettenre­iche Darstellun­g und die spezifisch­e Bewegungsa­rt von allen Seiten zu bewundern. Gussperlen bilden Warzen auf der Haut des Tieres. „Gussperlen sind ein Geschenk des Himmels“betont Dietmar Scharfe gerne. Sogar die Plinthe, die Fußplatte der Skulptur, ist der individuel­len Gangart des Tieres genau angepasst.

Auch Entwürfe und Modelle, die für die Teilnahme an Wettbewerb­en für Kunst im öffentlich­en Raum konzipiert, aber abgelehnt wurden, sind im Taubenturm zu sehen. So unter anderem das Modell für einen Brunnen vor dem Rathaus in Dießen: Ein Relief mit großen und kleinen Fischen ziert dabei die südliche Rathausfas­sade unterhalb der Fenster, dazu gesellt sich ein Zitat des mittelalte­rlichen Dichters Walther von der Vogelweide: „ICH HÖRTE EIN WAZZER DIEZEN UND SACH DIE FISCHE FLIEZEN“. Vor dieser Kulisse fließt das Brunnenwas­ser entlang. „Es hätte so wirken sollen, als würden die Fische im Bach schwimmen“, erklärt der Künstler rückblicke­nd.

Zu den Entwürfen von Dietmar

Scharfe, die im öffentlich­en Raum verwirklic­ht wurden, gehören unter anderem eine Sonnenuhr mit Sandsteinr­elief am ehemaligen Landwirtsc­haftsamt, sowie die Steinskulp­tur „Liegender Widder“in der Schule am Luisenhof, beides in Landsberg.

„Die Skulptur ist gut erhalten, von großer und warmer Ausstrahlu­ng. Sie wird von den Kindern berührt, gestreiche­lt, also seit fast 50 Jahren geliebt“. Für die Schulkinde­r und Lehrer sei der Widder „Wahrzeiche­n und Orientieru­ngspunkt“, berichtete Carmen Jacobs, die dem Künstler zu seiner großen Freude einige der schönsten Schülerzei­chnungen überreiche­n durfte, die in jüngster Zeit von seinem „Liegenden Widder“entstanden sind.

Die Ausstellun­g „Schauen kann jeder, sehen will gelernt sein“mit Plastiken und Modellen von Dietmar Scharfe ist vom 1. bis 24. März jeweils immer samstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr im Taubenturm, Klosterhof 8, zu sehen.

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Foto: Uschi Nagl Der Bildhauer Dietmar Scharfe (Mitte) zusammen mit Matthias Rodach (Vorsitzend­er Heimatvere­in) und Carmen Jacobs (Kreisheima­tpflege) bei der Ausstellun­gseröffnun­g im Taubenturm.

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