Landsberger Tagblatt

Letzte Ausstellun­g im Raum B1 gehört Milena Meller

Hasch mich, ich bin der Frühling: Mit „Am see im raum am baum“nistet Milena Meller noch bis zum 1. April im Raum B1.

- Von Sigrid Merkl

Ein verhuschte­r, skizzenhaf­ter Frühling, einer, wie er momentan schon in der Luft liegt, all das Filigrane, Fragile, die Graswurzel­n und ihre Halme, erste Blütenkron­en in Weiß, Gelb und Lila, alles das und dazu ein Hauch von Sommer liegt in der Arbeit von Milena Meller wie sie in der neuen Ausstellun­g im Raum B1 in Utting nun zu sehen ist. Schon lustig, wie sich die jeweiligen Staffagen je nach Jahreszeit ändern: Die Nisthilfen für emsige Vögel, bewohnt oder nicht, bevölkert oder schon verwaist – wer weiß das so genau? Der Kasten, die Kiste, die Truhe, der Verschlag, die Hütte: Im Inneren herrscht Dunkelheit. Es herrscht ein Flirren vor, hier das grelle Sonnenlich­t, dort ein (Halb-)schatten, der sich klarer Deutung entzieht, im Ungewissen verweilt, nur zusieht, abwartet, Raum gibt oder Verwirrung stiftet. Wer weiß das schon genau?

Ein Hochsitz für den Jäger oder den Bademeiste­r; Stege und Treppen, Handläufe, einsame Pfosten, zusammen wie gemacht für Sonnenanbe­ter und sommerfris­chelnde Badegäste, und dennoch seltsam unwirklich. Hier ein paar dünne Beine im Ausschnitt, braun gebrannt, die über lose Bretter aufs Wasser zu sprinten, dort ein Geländer im spitzen Winkel, zwischen den Eisenstreb­en nur See.

Was ist das? Ein Bootshaus mit Trockendoc­k für den Winter vielleicht, ein Schuppen mit überdimens­ionalem Schacht, der oben aus dem Dach herausragt, ein Kamin vielleicht. Prothesen am Körper der Natur könnten das sein, die wir Menschen implantier­en, um die Umgebung für uns dienlich zu gestalten, lächerlich und anrührend zugleich. Besonders gilt das, wenn sie auf weißem Hintergrun­d wie Lehrtafeln in der Schule daher kommen, fast wie verbindlic­he Handlungsa­nweisungen zum Selberbaue­n.

Diese letzte Ausstellun­g unter Kurator Harry Sternberg könnte zum Ausklang seiner Tätigkeit kaum besser passen, oszilliert sie doch ganz erstaunlic­h zwischen Scherz und Ernst, Improvisat­ion und Plan, dem Willen und der bloßen Vorstellun­g. „Das alles zusammen ist eine Installati­on, und die Serie ist mit dem Ort verbunden, dem See“, erklärt die Innsbrucke­rin Milena Meller.

Als freischaff­ende Künstlerin ist sie auch ausgebilde­te Musikerin, sodass eine Kombinatio­n mit Klangarbei­ten nahe liegt. Die dreidimens­ionale Installati­on in der Raummitte sei „ein Hybrid aus Badesteg, Nistkasten und Betschemel“, die Aufschrift „Wer fischt denn da?“zitiert zwar einen Heimatfilm, könnte aber ironischer­weise auch dem imaginären

Beichtvate­r im Inneren des Kastens zugeordnet werden.

Dies nur als kleines Beispiel für freiwillig­e oder unfreiwill­ige Assoziatio­nen, je nach Lebens- und Erfahrungs­hintergrun­d des betrachten­den Individuum­s. Letztlich vereint auch hier eine Klangarbei­t, die per Kopfhörer rezipiert werden kann, alles zu einer Collage, verstärkt die Wirkung, schließt die Nähte zwischen den unterschie­dlichen Medien, auch Mixed Media genannt.

Milena Meller nähert sich ihren Gegenständ­en tastend, wie sie erklärt: „Ich sammle in der Welt Bilder, die ich finde, die Fotos werden abgemalt und wie Schichten weiter untersucht, indem ich die Malerei wieder fotografie­re und über das Foto noch mal drüber arbeite.“Alle Stadien können hinterher miteinande­r

kombiniert werden, als reine Fotografie, reine Malerei, die Formen aufnimmt, dabei auch zunehmend abstrakter oder eben als Collage.

So wird der Untersuchu­ngsprozess dann auch für den Betrachter deutlich. Damit gehe ein „Verwirrspi­el“einher, und die Frage an den Betrachter, was davon ist Malerei, was Fotografie. Das Spielerisc­he nimmt in diesem Prozess Fahrt auf, reichert sich an, entwickelt Ausläufer ins Existenzie­lle. So könne eine Kiste Kostbares aufbewahre­n, aber auch die Kiste sein, also der Sarg, in dem wir zuletzt alle liegen. Eine Hütte kann Zuflucht sein oder Gefängnis. Wer weiß das schon?

Harry Sternberg erinnerte bei der Vernissage am Freitag an die erste Ausstellun­g im Juli 2018, als

der Raum B1 eröffnet wurde – Bahnhofstr­aße 1 übrigens, daher der Name. An der hohen Pinie nebenan firmiert ein Nistkasten als Raum B2. Vielleicht werden hier bald ein paar neue Mieter einziehen, so wie im Raum B1, der demnächst hoffentlic­h von einem Künstlerko­llektiv betrieben wird, dass diese ganz besondere Galerie im Sinne ihres Erfinders künftig weiterführ­t.

Vorerst aber wurde zum Abschied, die eine oder andere Träne zerdrückt, waren Wärme zu spüren, Verbundenh­eit und Zuversicht.

Die Ausstellun­g von Milena Meller im Raum B1 in Utting ist noch bis Ostermonta­g, 1. April, an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen von 14 bis 18 Uhr zu sehen.

 ?? Foto: Sigrid Merkl ?? Unser Bild zeigt die Künstlerin Milena Meller zusammen mit Harry Sternberg (links) und Stephan Bastian bei der Eröffnung ihrer Ausstellun­g im Raum B1 in Utting.
Foto: Sigrid Merkl Unser Bild zeigt die Künstlerin Milena Meller zusammen mit Harry Sternberg (links) und Stephan Bastian bei der Eröffnung ihrer Ausstellun­g im Raum B1 in Utting.
 ?? Foto: Milena Meller ?? Milena Meller aus Innsbruck zeigt ihre Werke „Am see im raum am baum“im Raum B1 in Utting am Bahnhofpla­tz 1.
Foto: Milena Meller Milena Meller aus Innsbruck zeigt ihre Werke „Am see im raum am baum“im Raum B1 in Utting am Bahnhofpla­tz 1.

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