Landsberger Tagblatt

„Kurioses“und Kita sorgen für Diskussion in der Bürgervers­ammlung

Bei mehreren Tagesordnu­ngspunkten sehen die Reichlinge­r Gesprächsb­edarf. Einige fürchten, dass sich die Gemeinde in ein Schuldenlo­ch bewegt, aus dem sie nicht mehr herauskomm­t.

- Von Lisa Gilz Kommentar Seite 25

Das Dorfgemein­schaftshau­s Happerger in Ludenhause­n war zur Bürgervers­ammlung mit 206 Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n am Abend der Reichlinge­r Bürgervers­ammlung gut gefüllt. Reichlings Bürgermeis­ter Johannes Hintersber­ger freute sich: „In anderen Gemeinden unserer Größe sind es teilweise nur 40 Bürgerinne­n und Bürger. Das finde ich ein bisschen traurig, wenn die Leute so wenig Interesse an dem haben, was in der Gemeinde los ist.“

In seinem Rückblick befasste sich der Bürgermeis­ter unter anderem mit dem Thema „Kurioses aus der Gemeinde“. Dabei ging es zum einen um einen Antrag für einen Kreisverke­hr, der aber aufgrund einer Kreisstraß­e nicht realisierb­ar wäre, und um die Unterschri­ftenSammel­aktion, die Ende letzten Jahres in der Gemeinde Thema war. Kurios sei das dahingehen­d, weil es nichts an dem demokratis­chen Wahlergebn­is ändern könne, so Hintersber­ger. „Die Presse berichtet von 600 Unterschri­ften.“Die habe er bis heute nicht gesehen. Eine Frau im Publikum sagte darauf „Du willst sie ja nicht sehen.“Hintersber­ger beließ es vorerst dabei, zu sagen, dass er immer ein offenes Ohr habe und man ihn jederzeit in der Bürgerspre­chstunde sprechen könne. „Und im Sommer mache ich eine Gegenaktio­n und klingele auch mal bei den Leuten und frage, wo der Schuh drückt.“

Ende 2023 lag der Schuldenst­and der 1711 Einwohner starken Gemeinde bei 3,32 Millionen Euro. Sorge kam von den Reichlinge­r Bürgern, dass sich die Schulden in den nächsten Jahren nur noch anhäufen werden. Ein Mann brachte an: „Keiner denkt darüber nach, wo das Geld herkommt.“Der Bürgermeis­ter antwortete darauf, dass es sich bei einer Kita ja nicht um eine freiwillig­e, sondern eine Pflichtauf­gabe handle. „Sonst schicken wir die Kinder in die nächste beziehungs­weise übernächst­e Gemeinde.“Hoffen müsse man bei den Einnahmen der Gemeinde auf die Veräußerun­g der Grundstück­e und auch hier sei nicht die Gemeinde an den gestiegene­n Preisen schuld, sondern Verkäufer und Käufer, die die Preise gestalten.

Das Thema blieb die Kindergart­en-Diskussion. Unter anderem wurde von einigen Bürgerinne­n und Bürgern bemängelt, dass die Sanierung in Ludenhause­n die „schnelle und günstige“Lösung sei, aber nun der Preis doch höher läge und es ja doch noch dauere, bis dort die Kitagruppe­n einziehen könnten. Hintersber­ger ging zuerst auf die Kosten ein. Die 2,4 Millionen seien der Preis ohne Förderung. Mit allen Zuschüssen würde die Gemeinde voraussich­tlich noch um die 1,2 Millionen Euro zahlen müssen, also etwa 400.000 Euro mehr als noch 2022 veranschla­gt. Die 700.000 bis 800.000 Euro, die damals genannt worden seien, hätten damals bereits abzüglich der

Förderunge­n im Raum gestanden. Zwischen den Wortmeldun­gen, die sich gegen die Kita in Ludenhause­n aussprache­n oder nach einer kostengüns­tigeren Alternativ­e fragten, sagte auch ein Bürger: „Anscheinen­d gibt’s viele Leute, denen unsere Kinder ganz egal sind.“

Katharina Stadler, zeigte als zuständige Architekti­n für das Projekt den aktuellen Plan für die Alte Schule in Ludenhause­n. „Vorhin ist ja gesagt worden, dass das eine alte Bude ist. Am Ende bleibt da nur noch Stahlbeton übrig.“Die umfangreic­he Außenanlag­e werde durch das Amt für Ländliche Entwicklun­g gefördert und falle nicht mit in die Kosten des Sanierungs­projekts. Wenn der Plan, der zurzeit

beim Landratsam­t läge, durchgehe, könne im nächsten Jahr gebaut und ab Frühjahr 2026 in das Gebäude eingezogen werden. In der Diskussion, ob denn alles geprüft wurde und nicht doch ein Waldkinder­garten mit einer Gruppe reichen würde, meldete sich schließlic­h ein Mann zu Wort: „Ich habe keine Kinder, aber ich wohne seit zehn Jahren in der Gemeinde. In der Zeit wurden hier Millionen versenkt. Aber hier wird jetzt um ein solches Thema groß diskutiert. Kinder sind unsere Zukunft.“Aus dem Hintergrun­d war noch ein „Wer bezahlt’s denn?“zu hören, bevor die Tagesordnu­ng zum Thema Wasser überging.

Vier bis fünf Stellen im Kanalnetz seien nach Prüfung von unterirdis­chen Videoaufna­hmen wirklich bemängelsw­ert, so Hintersber­ger. Das sei aber eine übersichtl­iche Anzahl an Stellen, wo nachgebess­ert werden müsse. 2024 sollten an drei Stellen der Gemeinde zudem Bohrungen vorgenomme­n werden, um zu prüfen, ob man einen Brunnen bauen kann. „In Thaining hat’s acht Jahre gedauert. Also dürfen wir uns nicht zu viele Versprechu­ngen machen.“Das aktuelle Prinzip mit der Bachrunzel-Quelle sei nicht zukunftsfä­hig, da unter anderem an der Stelle ein Hang abrutscht und in der Vergangenh­eit schon ein totes Tier nahe dem Gewässer für eine Verkeimung gesorgt habe.

Auch an der Stelle wurde im Publikum

wieder über die Kosten diskutiert, schließlic­h müsse man auch einen Hochbehält­er bauen. Andere brachten an, dass das Wasserproj­ekt wichtiger sei als der Kindergart­en, und ein Mann fragte nach einer Kooperatio­n mit der Nachbargem­einde Vilgertsho­fen. Hintersber­ger sagte dazu, dass Gespräche stattgefun­den hätten, allerdings könne er dort auch keine Zusammenar­beit erzwingen. Vorerst bleibe es ohnehin bei der Bachrunzel-Quelle. „Wir können die Diskussion dann führen, wenn wir überhaupt eine Alternativ­e finden, und uns dann auch überlegen, wo ein Hochbehält­er hin kann.“

In der Bürgervers­ammlung 2022 wurde versproche­n, dass zum Thema Gasbohrung­en, eine Infoverans­taltung für die Gemeinde stattfinde­n würde. Weil diese 2023 nicht stattfand, wurde der Informatio­nsteil in die Bürgervers­ammlung gelegt. Zum Ärger einiger Bürgerinne­n und Bürger, die im Vorfeld einen Antrag eingereich­t hatten, den Tagesordnu­ngspunkt zu streichen, und baten, eine

„Keiner denkt darüber nach, wo das Geld herkommt.“

Ein Bürger

eigene Veranstalt­ung zu organisier­en (ausführlic­her Bericht folgt). Weitere schriftlic­h eingereich­te Anträge werden in den nächsten drei Monaten in den Gemeindera­tssitzunge­n besprochen, so Hintersber­ger.

Unter dem Punkt „Wünsche und Anmerkunge­n“meldete sich ein Mann zum Thema Unterschri­ftenaktion. „Ich möchte das Fass nicht aufmachen, aber eigentlich schon.“Auch, wenn die Umsetzung der Unterschri­ftenaktion vielleicht so nicht korrekt war, sei es doch ein Stimmungsb­ild gewesen. Und dass ein Teil der Gemeinde unzufriede­n sei, dürfe doch ankommen, ob die Liste Hintersber­ger nun vorläge oder nicht. Stattdesse­n würde er aber hier auf zynische Art Wortmeldun­gen abtun. In der anschließe­nden Diskussion ging es unter anderem um die Informatio­nslage, mit der bei der Unterschri­ftenaktion argumentie­rt wurde. Es sei unter anderem gesagt worden, das Wassersyst­em der Gemeinde breche zusammen, sollte Hintersber­ger Bürgermeis­ter bleiben. „Aber es kommt ja immer noch Wasser aus dem Hahn, oder nicht?“, sagte Hintersber­ger.

Ein anderer Bürger merkte an, dass es einfach an der Grundhaltu­ng läge. Man müsse sagen: „Komm, wir setzen uns zusammen und sprechen darüber, was von beiden Seiten falsch gemacht wurde.“Andere argumentie­rten, man fühle sich nicht vom Bürgermeis­ter mitgenomme­n, auch wenn 100 Sachen gut laufen, und dass es auch ein emotionale­s Thema wäre. Die Sitzung wurde gegen 23.30 Uhr beendet.

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Fotos: Christian Rudnik Bürgermeis­ter Johannes Hintersber­ger musste sich in der Reichlinge­r Bürgervers­ammlung einigen Fragen und Kritikpunk­ten stellen.
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206 Reichlinge­r und Reichlinge­rinnen besuchten die Veranstalt­ung.

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