Landsberger Tagblatt

„Was bedeutet Schönheit?“

50 Frauen über 50, an dem Projekt arbeitet Susan Graul in ihrem Fotostudio in Thaining und geht dabei der Frage nach, welche Facetten Schönheit haben kann.

- Von Lisa Gilz

Thaining Susan Graul nennt ihre Fotomodell­e gerne „Ladies“. Das Studio, in dem sie die Frauen willkommen heißt, liegt gleich neben ihrem Wohnhaus in Thaining. Ein Schild an einer Seitentür weist auf die Räumlichke­iten hin. In den dahinterli­egenden Zimmern gewinnen manche ihr Selbstbewu­sstsein zurück, das ihnen von anderen oder der Gesellscha­ft ausgeredet wurde. Die Bilder, die Graul macht, sind für eine Ausstellun­g „50 über 50“. In dem Prozess möchte die Fotografin aber auch mit den Frauen ins Gespräch kommen und dem Thema Schönheit auf den Grund gehen. Dabei gibt sie manchen auch ein Stück Macht über sich selbst zurück.

Angefangen habe das alles für Graul mit einem Online-Fotokurs, den sie genommen hatte. „Damals hatte ich noch eine kleine Digitalkam­era und wollte selbst dazu lernen. „Aber so richtig zufrieden mit den Ergebnisse­n war ich nicht.“Sie legte die Kamera wieder weg, bis sie Bilder von sich selbst benötigte und entschied, sie mit Selbstausl­öser und Stativ selbst zu machen. „Und die waren dann gar nicht so schlecht. Es geht also doch!“Und so habe sich das ganze entwickelt zu: selbst Kurse in Businessfo­tografie anzubieten und schließlic­h dann zu der Idee eine Fotoserie zu machen, mit Frauen über 50 Jahren im Fokus.

Mittlerwei­le ist bei dem Projekt Halbzeit. „Ungefähr 25 Frauen habe ich jetzt fotografie­rt“, sagt Graul. Darunter auch Gitta Pill. Die 72-Jährige kommt aus dem Allgäu. „Eigentlich habe ich mich mein Leben lang absolut nicht fotografie­ren lassen“, erzählt Pill. Heutzutage vermutet sie, dass es etwas mit ihrer Mutter zu tun hat. „Sie hat mir immer gesagt, ich sei nicht fotogen.“Das sei bei der Allgäuerin hängen geblieben. „Ich habe mich absolut nicht gut gefühlt.“Auf das Fotoprojek­t von Susan Graul sei sie durch ihre Schwester gekommen und schließlic­h habe sie sich überwunden. „Es war eine schöne Erfahrung und ich bin mir während des Fotoshooti­ngs gar nicht fotografie­rt

vorgekomme­n.“Die Bilder habe sie mittlerwei­le alle angeschaut – dafür macht Graul gewöhnlich immer noch einen zweiten Termin. Der „Reveal“(das Aufdecken) sei eine sehr intime Sache, weil die Frauen, das erste Mal alle Bilder sehen und dabei teilweise auch emotional seien.

Emotionen träten auch bei den Fotoshooti­ngs hervor, sagt Marianne Rinker. Die 60-Jährige hatte sich bei Graul gemeldet, nachdem bereits eine Freundin an dem Projekt teilgenomm­en hatte. „Bis dahin bin ich zwar schon mal vor Kameras gestanden, aber eben für Businessbi­lder“, sagt Rinker. Da müsse schnell ein gewisses Ergebnis her. Sich aber mal die Zeit zu nehmen, sich herrichten zu lassen und dann ohne Druck in eine solche Sache zu gehen, sei ganz anders. Das Interview, das Graul parallel mit den Frauen führe, habe Rinker geholfen, sich locker zu machen. Für die 60-Jährige kommt Schönheit von innen. „Ob jetzt jemand

schiefe Zähne, große Ohren oder Falten hat. Wer mit sich im Reinen und glücklich ist, strahlt das auch aus.“

Graul sieht das ähnlich. „Irgendwann bemerkt man eben doch, dass man keine 25 mehr ist“, sagt sie, „aber bedeutet das dann, dass wir uns nicht mehr schön fühlen können oder das wir aufhören sollen, Mühe in Kleidung oder Haare und Make-up zu stecken?“Sie will den Frauen die Zeit und den Raum und die Zeit geben, sich noch einmal auszuprobi­eren, dabei möglichst viele Facetten dazustelle­n. „Meine Anforderun­g ist, am Ende ein Bild für meine Ausstellun­g zu haben und wenn die Kundin alle anderen nicht schön findet, ist das auch in Ordnung.“Wenn sie die Fotos mit den Frauen durchgeht, versuche sie genau hinzuhören, wieso ein Bild vielleicht nicht infrage kommt. „Vielleicht schaut der Bauch raus, oder es sind doch die Falten.“Das könne sie als Fotografin nur akzeptiere­n, schließlic­h sollen sich ihre „Ladies“mit dem Ergebnis gut fühlen und nicht sie. Eine ihrer Erkenntnis­se: „Schönheit bedeutet auch Stress.“

So wie Menschen schnell über andere ein Urteil fällen würden, mache das auch jeder für sich selbst. Zu der Vernissage im nächsten Jahr sollen sich noch mal alle Frauen, die Fotomodell waren, treffen. „Ich hoffe, da kann man dann einen Moment innehalten, anstatt sich miteinande­r zu vergleiche­n.“Viele hätten durch die Bilder mit sich selbst ihren Frieden geschlosse­n, sagt Graul. Das gilt auch für Gitta Pill. Für die 73-Jährige hat das Fotoshooti­ng einen nachhaltig­en Effekt. „Ich habe da noch gar nicht so konkret darüber nachgedach­t, aber als meine Tochter jetzt Geburtstag gefeiert hat, habe ich mich einfach mit fotografie­ren lassen.“Früher hätte sie sich das nicht vorstellen können. Aber die entmutigen­den Worte ihrer Mutter werden mittlerwei­le durch das positive Erlebnis überdeckt.

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Foto: Thorsten Jordan 50 Frauen Ü50: Fotografin Susan Graul fotografie­rt 50 Frauen über 50.

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