Ein Biber geht auf große Reise
An der Singoldquelle bei Waal wird versucht, das Tier mithilfe einer Lebendfalle zu fangen. Es soll mit Artgenossen in Griechenland angesiedelt werden.
In Waal untergräbt er gerade das Ufer an der Singoldquelle und geht damit der Gemeinde gewaltig auf die Nerven; in Griechenland könnte er bald ganz groß rauskommen: Die Rede ist vom größten Nager unserer Region, dem Biber. Als erstes Exemplar aus dem Ostallgäu soll das Tier im Zuge eines Wieder-Ansiedlungsprojekts mehrerer Tierschutzorganisationen im Nordosten von Griechenland ausgewildert werden.
Vorausgesetzt, er tappt in die Falle, werde der Biber eines von 25 Tieren aus ganz Südbayern sein, das Ende März auf große Reise gen Süden geht, erklärt Gerhard Schwab, Bibermanager des Bund Naturschutz (BN). Er koordiniert den Fang und den Transport der Tiere. Geplant sei, die Nager im Rhodopen-Gebirge im Nordosten von Griechenland an der Grenze zu Bulgarien auszusetzen. Organisiert und finanziert wird die Aktion laut Schwab von mehreren Tierschutz-Organisationen, vor allem aus Großbritannien und den Niederlanden. Das Projekt der BiberAnsiedlung sei auf fünf bis sechs Jahre ausgelegt; insgesamt sollen 120 Tiere wieder angesiedelt werden. Neben dem Rhodopen-Gebirge
wurde der griechische PrespesNationalpark an der Grenze zu Albanien und Mazedonien ausgewählt, berichtet Schwab. Die Kosten für die Wieder-Ansiedlung liegen bei rund 200.000 Euro, die vor allem über Spenden eingesammelt werden.
„Das Klima in den Rhodopen lässt sich mit dem der hiesigen Mittelgebirge vergleichen“, sagt Schwab, der die Gebiete vor zwei Jahren bereits gesichtet hat. Er ist zuversichtlich, dass sich der Waaler Biber dort wohlfühlen und gut einleben wird. Schwab begründet dies mit den guten Erfahrungen, die er und seine Mitstreiter seit 1998 mit der Wieder-Ansiedlung der Nager auf dem ganzen Balkan machten. Knapp 1000 Tiere fanden so beispielsweise in Bulgarien und Kroatien, in Rumänien oder Slowenien eine neue Heimat – und konnten sich vermehren.
Noch weiß der Waaler Biber nichts von seinem Neuanfang in Griechenland. Denn aktuell treibt er sich lieber in der Nähe der Singoldquelle herum, gräbt sich dort in die Uferverbauung und lässt die Falle links liegen. „Es besteht die konkrete Gefahr, dass Schäden an der unmittelbar angrenzenden Straße entstehen“, teilt Landratsamtssprecher Stefan Leonhart mit. Auf Antrag der Gemeinde wurde deshalb vom ehrenamtlichen Biberberater die Lebendfalle der Unteren Naturschutzbehörde aufgestellt. Immer wieder erregen Biber und deren Bauten die Gemüter in und um Buchloe. Dammbauten hatten in der Vergangenheit etwa die Ach bei Waalhaupten stellenweise trockenfallen gelassen.
Auch der Landwirt Georg Lochbrunner aus Dillishausen beobachtet die Nagetiere seit vielen Jahren aufmerksam. An seinem Grundstück an der Salach sorgten sie in der Vergangenheit für Ärger. Dort hatten sie Staudämme gebaut und die Wege entlang des Ufers untertunnelt. Eine Reiterin war deshalb sogar gestürzt und hatte sich verletzt. Seit einiger Zeit jedoch habe er keine Probleme mehr mit den Tieren, berichtet Lochbrunner. Für großes Aufsehen sorgte der Biber im Winter 2022 durch einen spektakulären Unfall bei Holzhausen. Dort hatte das Nagetier einen Damm gebaut, wodurch der Bahndamm der Strecke Lindau–München unterspült wurde. Als die Bahn dies beheben wollte und mit einem Bagger anrollte, versank dieser im Schlamm.
Biber waren in Deutschland fast gänzlich verschwunden. Erst durch strenge Schutzmaßnahmen gelang die Wiederansiedlung. In der 1960er- und 70er-Jahren sind die Tiere wieder zurückgekommen. Inzwischen wird ihre Population in Bayern auf rund 25.000 geschätzt. Weil es immer wieder zu Konflikten mit Land-, Forst- und Wasserwirtschaft kommt, gibt es in Bayern ein Bibermanagement, das diese lösen soll. Denn so wertvoll das Tier für die Natur ist, so groß sind mitunter auch die Schäden in Kulturlandschaften, die es hinterlässt.
Passt Bibern ihr Wohnumfeld nicht, machen sie kurzen Prozess mit Uferbepflanzung oder Landschaftsplanung und legen bei Bedarf ganze Gewässersysteme um. Betroffene können Ausgleichszahlungen erhalten, denn Biber sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz und der europäischen FaunaFlora-Habitat-Richtlinie geschützt – sie dürfen also nicht getötet werden. Der Bund Naturschutz wirbt eindringlich für eine Akzeptanz des Bibers. „Sie sind deutlich nützlicher als schädlich“, betont auch Gerhard Schwab. Es gebe meist einen Weg, um mit ihm auszukommen – und sei es in Griechenland. Übrigens: Für das Waaler Exemplar werde noch ein passender Name gesucht, sagt Schwab: „Nur ‚Zeus‘ ist schon belegt.“