Nachruf auf ein Landsberger Original: Gertraud Moratscheck ist tot
Die weithin bekannte Musikerin wurde 103 Jahre alt. Sie hat die städtische Sing- und Musikschule lange Jahre geprägt.
Mit einem nächsten Geburtstagsbesuch im November, zu dem sich unsere Redaktion 2023 vorsorglich angemeldet hatte, wird es nun nichts mehr: Gertraud Moratscheck ist am späten Mittwochabend friedlich eingeschlafen. Sie wurde 103 Jahre alt. „Damit ist eine Institution von uns gegangen“, sagt Elke Hartmann über den Tod der weithin bekannten Musikerin.
Am vergangenen Freitag sei die Traudl oder auch Tschecksn, wie sie von vielen Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern liebevoll genannt wurde, im Bett geblieben, erzählt Hartmann. In den folgenden Tagen sei ihr Zustand kontinuierlich schlechter geworden. „Mittwochabend waren wir noch dort, Donnerstag früh haben wir dann endgültig Abschied genommen.“Familie Hartmann war seit Jahrzehnten eng mit der Verstorbenen verbunden, hat sie in den vergangenen Jahren auch im täglichen Leben unterstützt.
Gertraud Moratscheck wurde am 11. November 1920 in Landsberg geboren. Ab 1929 erhielt sie Musikunterricht in der damals trotz angebotener Instrumentenfächer nur „Singschule“genannten städtischen Einrichtung. Gertraud Moratscheck sollte eine prägende Persönlichkeit der Schule werden, die seit 1971 den Namen „Städtische Sing- und Musikschule Landsberg“trägt. Ab 1950, nach dem Musikstudium in Augsburg, unterrichtete sie in der Singschule ihrer Heimatstadt. Sie brachte unzähligen Kindern und Jugendlichen das Musizieren mit der Blockflöte oder am Klavier und der Orgel nahe. Sie initiierte und leitete Chöre vom Schul- bis zum Erwachsenenchor. Im Jahr 1975, nach dem plötzlichen Tod von Otto Holzmann während einer Chorprobe, übernahm Gertraud Moratscheck acht Jahre lang bis zu ihrer Pensionierung dessen Stelle als Leitung, die Holzmann 30 Jahre lang war. In der Zeit baute sie das musikalische Angebot weiter aus, die Schülerzahlen gingen entsprechend in die Höhe.
Ruhestand? Das war in den
Jahrzehnten, die auf den Abschied von der Musikschule folgen sollten, ein Fremdwort für die Musikerin. Gertraud Moratscheck unterrichtete weiter, pflegte und leitete eine Hausmusik- und eine Flötengruppe. Auch war sie häufiger und gern gesehener Gast bei Konzerten in ihrer Heimatstadt. Und nicht nur da: Dank Familie Hartmann konnte Moratscheck den musikalischen Weg von Christoph Hartmann,
eines ihrer wohl bekanntesten Schüler bei weiter entfernten Konzerten begleiten. Christoph, Sohn von Elke und Gerhard Hartmann, hatte Klavierunterricht bei Gertraud Moratscheck. Sie hat ihm damals Oboen-Unterricht empfohlen, der ihn bis zu den Berliner Philharmonikern brachte.
Irgendwann wurde das Leben zu beschwerlich, die „Traudl“zog vom Hindenburgring, wo sie viele
Jahrzehnte gelebt hatte, in das Awo-Seniorenzentrum Bürgerstift in der Lechstraße um. Dort konnte sie sich dank treuer Weggefährten einiges an Selbstständigkeit bewahren. Und sie nahm laut Bürgerstift auch mit fast 103 Jahren noch teil am Programmangebot des Zentrums, war beliebter Gesprächspartner für das Personal. Singen und musizieren allerdings, das ging nicht mehr. Ihr Hörgerät habe sie dabei im Stich gelassen. Spaziergänge wurden immer weniger möglich, alles wurde beschwerlicher. Die Gedanken, abends ins Bett zu gehen und morgens nicht mehr aufzuwachen, hätten sich gehäuft.
„Der liebe Gott braucht ein Hörgerät“, habe sie bereits zu ihrem Ohrenarzt gesagt, erzählte die im Kopf so unendlich fitte Seniorin vor ein paar Monaten. „37 Jahre lang habe ich Orgel zu seiner Ehre gespielt und jetzt hört er mich nicht.“Am 20. März wurde Gertraud Moratscheck erhört. Angehörige von Gertraud Moratscheck sind zwei Nichten, Töchter ihrer Schwester.