Landsberger Tagblatt

Der Esel, das Tier der einfachen Leute

Auf einer Anhöhe bei Pähl, mit Blick über den Ammersee, betreibt Anahid Klotz seit 2005 eine Eselfarm. Nicht nur rund um den Palmsonnta­g lohnt sich ein Ausflug dorthin.

- Von Frauke Vangierdeg­om

Der Palmsonnta­g ist, zumindest in der christlich­en Religion, eng verbunden mit dem Esel. Schließlic­h soll Jesus nicht „hoch zu Ross“, sondern auf dem Rücken eines Esels, dem Tier der einfachen Leute, in die Stadt Jerusalem geritten sein. Doch auch Menschen, die mit dem religiösen Hintergrun­d gar nichts oder nur wenig zu tun haben, verfallen nicht selten dem ganz eigenen Charme dieser Vierbeiner, die landläufig gerne als arbeitsam und geduldig, aber auch störrisch oder eigensinni­g bezeichnet werden.

„Esel sind überhaupt nicht störrisch oder eigensinni­g“, entgegnet Anahid Klotz. Sie muss es wissen, schließlic­h befasst sie sich mindestens seit 2005 intensiv mit diesen Tieren. Damals gründete sie bei Pähl ihre Farm „Asinella“. Vier Esel gehörten ihr damals, heute sind es zwölf und die Eselfarm, von der aus man einen herrlichen Blick über den Ammersee in Richtung Dießen hat, gibt es noch immer. Auch wenn Anahid Klotz und ihr Mann Gerhard Gregori zwischenze­itlich schwer um das Lebenswerk bangen mussten. Denn im Jahr 2020 wurde das Paar unter Androhung von Bußgeld aufgeforde­rt, sämtliche Stallungen, Gerätehütt­en und das kleine Wohnhaus im alpenländi­schen Stil abzureißen.

Unter strengen Auflagen darf der Betrieb der Asinella-Eselfarm jetzt aber weitergefü­hrt werden, bis ans Lebensende von Anahid Klotz. „Ich sitze zwar auf einem Pulverfass und muss genau aufpassen, alles richtigzum­achen“, sagt Klotz, aber sie sei erleichter­t, dass sie und ihre Tiere weiter für Freude bei Besucherin­nen und Besuchern sorgen dürfen.

Und Freude empfindet augenschei­nlich jeder, der die Vierbeiner namens Fandina, Frederico, Gina, Fernanda, Eddi und Co. auf dem weitläufig­en Gelände entdeckt. Wer sich dem großen Gatter zur Eselfarm nähert, wird mit einem freudigen „I-Ah“begrüßt während Eddi, der Großeselwa­llach mit einem

Stockmaß von fast 1,50 Meter, auf seinem „Aussichtsp­osten“weiter oben auf dem Gelände die Neuankömml­inge beobachtet.

Anahid Klotz öffnet das Gatter und erläutert den großen und kleinen Gästen, dass ihre Esel sehr freundlich­e Wesen seien, denen aber immer mit Respekt zu begegnen sei. „Es dauert manchmal ein wenig, bis meine Tiere fremde Menschen ganz nah an sich heranlasse­n.“Der jugendlich­e Esel Frederico ist der Erste, der an diesem

regnerisch­en Tag Kontakt zu den Besuchern der Farm aufnimmt. Und Eselin Gina gesellt sich gleich dazu. Sie genießt es sichtlich, von Kindern gestreiche­lt und umarmt zu werden. Zwergesels­tute Walli schaut aufmerksam zu und lässt sich nach kurzem Überlegen ebenfalls streicheln. Der Körperkont­akt mit den Tieren gehört auf der Asinella-Eselfarm zum Programm. Schließlic­h werden die Tiere auch als Therapiees­el eingesetzt. Und „Gäste“bei etlichen Kindergebu­rtstagen

sind sie auch, denn die gehören ebenfalls zum Freizeitan­gebot auf der Eselfarm. Sehr beliebt sind die Eselwander­ungen durch die Umgebung von Pähl. Selbst an diesem Tag, es ist nasskalt und sehr windig, macht sich eine Gruppe aus München auf den Weg. Angeführt von Anahid Klotz geht es mit Kind, Kegel und Eseln über Stock und Stein. Auch Eselin Fandina ist dabei und scheut kaum ein Hindernis, das ihr auf der gut zweieinhal­bstündigen Tour begegnet. Ganz anders verhält es sich da auf der Farm, die gleichzeit­ig auch ein Übungsgelä­nde für die Tiere ist. Dort gibt es eine Rampe aus Stahl, über die Fernanda gehen soll. „Seit Wochen versuche ich ihr beizubring­en, dass die Rampe überhaupt nicht gefährlich ist, aber Fernanda traut sich nicht.“Da helfen auch keine Überredung­skünste, keine aufmuntern­den Worte, keine verlockend­en Leckereien. „Wenn ein Esel sich einer Sache nicht sicher ist, geht er diese erst einmal gar nicht an“, weiß die Eselkenner­in. Das habe nichts mit Starrsinn zu tun, das sei reine Vorsicht vor einer möglichen Gefahr. „Erst wenn alle Eventualit­äten abgewogen sind, machen die Tiere den nächsten Schritt. Und das kann sehr lange dauern“, erläutert Anahid Klotz. Im Falle Fernandina stellt sie sich darauf ein, dass es wohl noch viele Wochen dauern wird, bis die Eselin mehr als nur einen Huf auf das Metall stellt.

Manchmal gelänge es den Kindern, die zur Eselfarm kommen, viel schneller, einem der Esel etwas beizubring­en, als ihr selbst. „Kinder gehen ganz anders an die Sache heran und das merken die Tiere. Wenn dann ein neues Hindernis gemeinsam bezwungen worden ist, sei das nicht nur für die Tiere ein Erfolgserl­ebnis. „Das bestärkt auch die Kinder in ihrem Selbstbewu­sstsein“, freut sich Klotz.

Vor einiger Zeit besuchte der Schauspiel­er und Umweltakti­vist Hannes Jaenicke mit Grundschul­kindern die Farm. „Die Klasse wurde mir vorher als schwierig beschriebe­n“, berichtet Klotz. Im Kontakt mit den Eseln seien die Kinder allerdings sehr umgänglich miteinande­r und mit den Tieren gewesen. Selbst ein Schüler, dem es im Alltag schwerfall­e, Gefühle zu zeigen, sei auf einmal aufgetaut und habe fröhlich mit den anderen gespielt, erzählt Anahid Klotz, als es wieder zu regnen beginnt. Wie auf ein geheimes Zeichen hin gehen die Tiere zu einem der Unterständ­e. Nur Eddi steht noch eine Weile auf seinem Aussichtsp­osten und lässt den Blick übers Gelände schweifen. Dann stellt auch er sich unter einen großen Baum.

„In einer Gruppe von Eseln gibt es keinen Chef“, erzählt Anahid Klotz ihren Gästen. „Da ist jedes Tier gleichbere­chtigt. Und wer lieber seine Ruhe haben möchte, geht den anderen halt für eine gewisse Zeit aus dem Weg. Eine Rangordnun­g, wie etwa unter Pferden, gibt es nicht.“Vielleicht war dieses Miteinande­r auf gleicher Ebene auch ein Grund, warum Jesu einen Esel gewählt hatte, um nach Jerusalem zu reiten, als Symbol für die Gleichheit aller Menschen.

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Foto: Frauke Vangierdeg­om Fernanda ist noch sehr skeptisch, was das Laufen über diese Rampe angeht. Da ist viel Geduld gefragt.

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