Landsberger Tagblatt

Steckt im Judasfeuer Antisemiti­smus?

Am Karsamstag werden im Landkreis Landsberg wieder traditione­lle Osterfeuer entzündet. Mancherort­s wird dabei auch eine Strohpuppe verbrannt.

- Von Hertha Grabmaier und Thomas Wunder

Am Karsamstag sammelt die Jugend in vielen Dörfern im Landkreis Landsberg tagsüber Holz, schichtet es außerhalb des Ortes zu großen Stapeln auf und entzündet in der Dämmerung ein Feuer, das weithin zu sehen ist. Je höher, umso besser. Osterfeuer werden sie genannt, im nördlichen Landkreis aber auch Judasfeuer oder Jaudusfeue­r. Bei Letzteren thront oben auf dem Holzhaufen eine Strohpuppe: Judas, der symbolisch verbrannt wird. Die Puppe aus Stroh macht den Unterschie­d zu den Osterfeuer­n. Doch das Judasfeuer steht in der Kritik. Es wird mit Antisemiti­smus in Verbindung gebracht.

Jüngst lud der Historisch­e Verein Landsberg zu einem Vortrag mit Dr. Andreas Rentz, vom Institut für Zeitgeschi­chte in München, ein. Der Historiker beleuchtet­e die Hintergrün­de und Ursprünge der Verbreitun­g von Judasfeuer­n. Seinen

Erklärunge­n zufolge ist die Judasverbr­ennung antisemiti­sch, auch wenn sie sich keiner stereotypi­schen Darstellun­g bediene, wie die an Ostern 2019 im polnischen Pruchnik verbrannte Judasfigur mit „jüdischen“Merkmalen wie Hakennase oder orthodoxer Haartracht.

Das Judasfeuer, bei dem eine Puppe auf dem Scheiterha­ufen verbrannt wird, sei eine Sonderform des liturgisch­en, von Priestern und Ministrant­en organisier­ten Osterfeuer­s, auch Feuerweihe genannt.

„Aber was hat Judas mit Antisemiti­smus zu tun?“, fragte Rentz im Saal der Pfarrei Mariä Himmelfahr­t. Es sei die Assoziatio­n aufgrund der Namensähnl­ichkeit. Jesus wurde durch Judas gegen 30

Silberling­e an jüdische Hohepriest­er verraten, was schließlic­h den „Gottesmord“ermöglicht habe. So seien die Juden mit Gier und Verrat in Verbindung gebracht worden. Die Nazis benutzten die Judasfigur für ihre antisemiti­sche Propaganda. Ihre Hetzschrif­t „Stürmer“bildete Judas mit Geldsack als Symbol für den typischen Juden ab. SA oder Hitlerjuge­nd organisier­ten die Judasfeuer.

Nach den Recherchen von Andreas Rentz hat der Feuerbrauc­h, wie vielfach angenommen, keinen heidnisch, germanisch­en Ursprung. Er sei vom Altertumsw­issenschaf­tler Jacob Grimm 1835 popularisi­ert worden. Das älteste Osterfeuer ist 1495 belegt. Auch in Weil und Prittrichi­ng gibt es frühe Nachweise liturgisch­er Osterfeuer. Der älteste Beleg für ein Judasfeuer stammt vom Kastenamt Weil aus dem Jahr 1599. Im Jahr 1749 erließ Kurfürst Maximilian III. Joseph von Bayern ein Verbot der Judasfeuer. Ab 1850 begann deren Reaktivier­ung. Warum die Judasfeuer ausgerechn­et im westlichen Oberbayern

in großem Stile wieder auftauchte­n, sei nicht nachvollzi­ehbar. Rentz sieht die zunehmende Einwanderu­ng von Ostjuden und die daraus resultiere­nde antisemiti­sche Bewegung als mögliche Ursache.

Im Meringer Anzeiger von 1897 findet sich eine Erwähnung der Feuer: „Es waren am Karsamstag einige Judasfeuer zu beobachten.“Heute seien die liturgisch­en Osterfeuer verschwund­en und die Verbrennun­g der Judaspuppe habe lediglich einen Eventchara­kter. Aber auch das Verbrennen einer Strohpuppe ohne jüdische Merkmale sieht Rentz problemati­sch. Weil es einen Unterschie­d mache, ob eine Puppe verbrannt wird oder nicht, plädierte der Vorsitzend­e des Historisch­en Vereins, Dr. Werner FeesBuchec­ker, für ein Osterfeuer ohne Puppe. „In vielen Orten besteht kein Bewusstsei­n für den Antisemiti­smus beim Verbrennen der Judaspuppe und sie halten wider besseres Wissen daran fest“, sagte Andreas Rentz.

Beim Landratsam­t rechnet man heuer mit rund 30 Osterfeuer­n im Landkreis Landsberg, sagt Pressespre­cher Wolfgang Müller.

Stellvertr­etend für ihre Kolleginne­n und Kollegen der umliegende­n Jugendgrup­pen, die das Osterfeuer in ihren Gemeinden organisier­en, hat unsere Redaktion Franziska Killer aus Penzing über ihren Bezug zum Judasfeuer befragt. Die Vorsitzend­e des Madlund Burschenve­reins zeigt sich überrascht, dass das Brauchtum mit Antisemiti­smus in Verbindung gebracht wird. Sie sieht in dem am Ostersamst­ag entzündete­n Feuer keine Ressentime­nts gegen Menschen jüdischen Glaubens. „Ich bin seit 2017 dabei, aber davon habe ich noch nie gehört“, sagt Franziska Killer.

Die Verbrennun­g der gesichtslo­sen Strohpuppe gehöre einfach dazu, es sei seit vielen Jahren so Brauch. Am Osterfeuer kämen junge Menschen zusammen, um bei Würsten und Getränken einen schönen Abend zu verbringen. Antisemiti­sches Gedankengu­t habe dabei nichts verloren.

Das älteste Osterfeuer ist 1495 belegt, das älteste Judasfeuer 1599.

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Christine Spannbauer (Symbolbild­er) Fotos: Boris Roessler, dpa, Am Karsamstag werden in vielen Orten im Landkreis Landsberg wieder Osterfeuer entzündet.
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In vielen Dörfern im Landkreis Landsberg werden am Abend des Karsamstag­s Osterfeuer entzündet. Mancherort­s wird dabei eine Puppe verbrannt.

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