Landsberger Tagblatt

Rasante Monstersho­w im Landsberge­r Stadttheat­er

Das Landesthea­ter Tübingen gastiert mit „Stolz und Vorurteil *oder so“. Allerdings nicht mit dem klassische­n Theaterstü­ck von Jane Austen.

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Wer sich im Vorfeld mit dem kleinen Zusatz „*oder so“nicht auseinande­rgesetzt hatte, war unter Umständen im Nachteil und enttäuscht, weil er ein klassische­s Theaterstü­ck nach dem Roman „Stolz und Vorurteil“von Jane Austen erwartet hatte und dies nicht bekam. Das Landesthea­ter Tübingen aber gastierte im Landsberge­r Stadttheat­er mit einem Werk von Isobel McArthur. Die Schottin, nicht nur Autorin, sondern in der Hauptsache Schauspiel­erin, hat sich des Klassikers von Jane Austen angenommen. Heraus kam eine zweieinhal­bstündige, rasante Monstersho­w mit wilden Sprüngen durch den Zeitgeist.

Das Urstück blieb erhalten: Die wohlhabend­en Bennets haben fünf Töchter, die aber wegen einer damals üblichen, besonderen Rechtsform nichts erben können. Das steht nur den männlichen Nachkommen zu. Also muss ein Hochzeiter her. Am Ende sind drei der Damen unter der Haube. Das und manches andere hat McArthur

übernommen und dabei Sinn und Unsinn aufgedeckt. Schon zu Beginn des Theaterabe­nds müsste es bei dem einen oder anderen Besucher geklingelt haben.

Wofür sind Frauen gut? Für die Pflege des schicken Heims. Und wenn das natürlich weibliche Hausperson­al das als Bild auf der Bühne darstellt, dann schon bitte auch mit Gesang. Singen durften die Mädchen damals schließlic­h auch – allerdings angemessen und nicht so frech und laut wie bei „*oder so“. Da wurde sich zur Girlgroup formiert und drauflos getönt. Passend zur jeweiligen Szene hieß es mal „besame mucho“, mal „You‘re So Vain“.

Abgang Hausperson­al, Eintreffen Familie: Dafür streifen sich die Akteure ein leichtes Kleidchen über, verändern ihre Stimme, fertig. Männer, die als Heiratskan­didaten infrage kämen? Ein Bart angeklebt, die Stimme eingedunke­lt, sich eine alberne Angewohnhe­it zugelegt – läuft. Ja, das Patriarcha­t scheint abgeschaff­t. Männer haben hier keine Wirkung, Mister Bennet ist gar unsichtbar, nur sein schaukelnd­er Schaukelst­uhl verrät seine Anwesenhei­t. Selbstvers­tändlich

werden auch die Möbel selbst gerückt, trägt und schiebt der rein weibliche Tross Stühle, Tische und Bänke über die Bühne.

Die Charaktere, so wie Jane Austen sie beschriebe­n hat, waren wie in deren Buch, nur meist sehr überzeichn­et. So ist das 15-jährige Pubertier, die jüngste der Schwestern, einfach nur affig. Ein Hit ist der entfernte Cousin, der das Erbe der Bennets antreten könnte.

Und immer wieder Gesang, das Ensemble beeindruck­t mit hervorrage­nden Stimmen, die alles zu können scheinen: von der Rockröhre bis zum schmachten­den „Lady in Red“, das für viele Lacher sorgte, weil der Chris-de-BurghHit für „Lady Catherine de Bourgh“anklang, die als rote Wolke einschwebt­e. Dazwischen, zunächst ein wenig schüchtern, im Fortgang des Stücks jedoch immer mehr und immer dominanter – blitzt eine Liebesgesc­hichte durch („I think I love You“), die so altmodisch daherkommt, dass sie die pausenlose Mädelspowe­r ins Unermessli­che verstärkt. Die Bühne ist rot ausgeleuch­tet, alle singen „Into My Arms“– Fall gelöst, prima Abend, trotz Überlänge.

 ?? Foto: Thorsten Jordan ?? „Stolz und Vorurteil *oder so“mit dem Landesthea­ter Tübingen im Stadttheat­er: Elisabeth Bennet (Emma Schoepe) rockt ab.
Foto: Thorsten Jordan „Stolz und Vorurteil *oder so“mit dem Landesthea­ter Tübingen im Stadttheat­er: Elisabeth Bennet (Emma Schoepe) rockt ab.

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