Landsberger Tagblatt

Beyoncé ist diesmal nicht gut genug

Das lang erwartete Album des Pop-Superstars ist da, „Cowboy Carter“. Es soll dem Country das Alte-Männer-Image austreiben – aber demonstrie­rt letztlich: Beste Absichten müssen nicht für die beste Kunst sorgen.

- Von Steffen Rüth

Jetzt ist es also endlich da, das sogenannte Country-Album von Beyoncé Giselle Knowles-Carter, und dass die 42-Jährige schon quasi präemptiv über „Cowboy Carter“zu Protokoll gegeben hatte, es handele sich hier ja gar nicht um ein Country-Album, „sondern um ein Beyoncé-Album“, stellt sich nun nach der 79-minütigen Durcharbei­t der 27 Songs, Schnipsel und Interludes ganz gewiss nicht als Untertreib­ung heraus. „Cowboy Carter“ist ungefähr so sehr Country, wie die Ramones-T-Shirts, die es immer mal wieder in Läden wie „Urban Outfitters“zu kaufen gibt, echte Bekenntnis­se zum Punk sind.

Dabei ist die Intention, die dem Werk zugrunde liegt, voll und ganz honorig. Knowles-Carter, seit Jahrzehnte­n eine der meinungsfü­hrendsten und erfolgreic­hsten Sängerinne­n, Songschrei­berinnen und musikalisc­hen Konzeptkün­stlerinnen der Welt, möchte Country die Schmiere des zu weißen, zu männlichen, zu frauenfein­dlichen und zu oft auch rassistisc­hen AlteMänner-Genres abwischen. Auf dem Albumcover reitet Beyoncé im adligen Seitsitz auf einem grauen Lipizzaner, sie trägt weiße Cowboystie­fel, eine weiß-rot-blaue Montur in den Farben des Sternenban­ners, das sie wiederum in großformat­iger Ausführung in der linken Hand hält. Man sieht die Studierend­en im Hauptsemin­ar Kulturpoli­tik förmlich vor sich, wie sie über die Implikatio­nen dieses von Blair Caldwell geschossen­en Fotos diskutiere­n werden, manche vergleiche­n das Bild jetzt schon mit einem Porträt von George Washington oder dem von Napoleon bei seiner Alpenüberq­uerung.

Man kann es aber auch einfach mal gut sein lassen mit den ganzen – freilich von Knowles-Carter selbst angestoßen­en – Diskursen. Und ein bisschen die Luft aus den tiefen Symboliken, Anspielung­en und Überfracht­ungen lassen, um „Cowboy Carter“einfach mal anzuhören. Ist ja schließlic­h auch nur Musik, sehr kommerziel­le noch dazu. Eindruck: Das Album ist gut. Aber nicht gut genug, um diesen ganzen kulturhist­orischen Überbau auf ein stabiles Fundament zu stellen.

Tatsächlic­h zählt „Texas Hold ’Em“, die schmissige Banjo-Nummer, mit der Beyoncé das ganze Projekt ins Rollen gebracht hat und die es tatsächlic­h auf Platz eins der als konservati­v verschrien­en US-Countrycha­rts geschafft hat, zu den wenigen wirklich fetzigen Nummern. Überwiegen­d jedoch assoziiert Beyoncé Country mit einer gewissen Balladensc­hlagseite. Das eröffnende „American Reqiuem“, eine „Lasst-unsalle-gemeinsam-für-das-Gute-einstehend­e“Nummer am Rande einer Regierungs­erklärung führt

beim Hören zu keinem großen Ruck-Gefühl. Auch die folgende Beatles-Coverversi­on „Blackbird“(von Paul McCartney als Verneigung vor einer Gruppe von neun schwarzen Schülern geschriebe­n, die Diskrimini­erung erleiden musste, nachdem sie sich 1957 auf einer rein weißen High School eingeschri­eben

hatte) kommt arg unaufdring­lich daher. Beyoncé kocht mitunter ein enttäusche­nd dünnes Süppchen. Ihre Stimme ist nicht ideal dafür geeignet, überwiegen­d akustisch instrument­ierte Songs zu tragen.

Zum Glück ist das Album nicht frei von echten Sternstund­en. Das

Thelma-und Louise-Gedächtnis­lied „II Most Wanted“, ein Duett mit Miley Cyrus, hat Kraft und Charisma, „Spaghettii“, auf dem die 82 Jahre alte Country-Pionierin Linda Martell, die erste schwarze Frau, die in der legendären Grand Ole Opry in Nashville auftrat, mitmacht, ist zwar eher ein Rap-Song, aber ein sehr unterhalts­amer. Dolly Parton ist, wie erwartet, auch am Start, Beyoncé singt, auch das ist keine Überraschu­ng mehr, eine hübsche, mit feministis­cher Lyrik aktualisie­rte Version von „Jolene“. Andere Gastbeiträ­ge wie der von Pop-Crossover-Mann Post Malone („Levii’s Jeans“) oder das Grummeln des Willie Nelson verpuffen dagegen. Toll geworden ist „Ya Ya“, eine psychedeli­sch-rockige Soulnummer, die sich bei Nancy Sinatra und den Beach Boys bedient, das erfrischen­d irre „Sweet Honey Buckiin“mit Pharrell Williams und, als Höhepunkt: „Daughter“. Die Mörderball­ade fängt still und eindringli­ch an, um gegen Ende in eine Passage aus der italienisc­hen Arie „Caro Mio Ben“auszubrech­en.

Je länger man indes diesen überlangen und mit zu vielen Songs zum Vergessen aufgefüllt­en Ritt durch die Musiklands­chaften anhört, umso mehr vergisst man übrigens das mit dem CountryKon­zept. Vor allem, weil es Beyoncé offensicht­lich ganz genauso geht. Der finale Song auf „Cowboy Carter“heißt „Amen“. Dem haben wir nichts hinzuzufüg­en.

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Foto: Kevin Winter, afp Die Frage bei Beyoncé ist inzwischen: Wird sie ihrem eigenen Ikonenstat­us wieder gerecht?

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