Landsberger Tagblatt

Die Dotter-Debatte

Nur noch ein Ei pro Woche: Das rät die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung. Eine Empfehlung, die hohe Wellen schlägt und die Frage stellen lässt: Wie ungesund sind Eier?

- Von Stephanie Sartor

Kein Ostern ohne Eier. Hart gekocht in Grün, Rot, Blau, Lila, weich gekocht, pochiert, gerührt, als Omelette auf dem Osterbrunc­h-Tisch – die ganze Palette eben. In diesem Jahr birgt das Ei allerdings nicht nur wachsweich­en Dotter, sondern auch ordentlich Zündstoff. Denn seit Kurzem wird heftig darüber debattiert, wie viele Eier man denn nun pro Woche essen sollte. Und wie gesund oder ungesund sie eigentlich sind.

Hintergrun­d der Diskussion ist eine neue Empfehlung der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung (DEG). Der zufolge soll nur noch ein Ei pro Woche auf dem Speiseplan stehen – ziemlich wenig, finden viele Menschen. Auch auf Fleisch und Wurst soll weitgehend verzichtet werden. Die DEG empfiehlt pro Woche maximal 300 Gramm – früher lag die Grenze noch doppelt so hoch.

Annegret Hager, Ernährungs­expertin beim Verbrauche­rservice Bayern, weiß, dass das Thema viele Menschen umtreibt. Sie warnt aber angesichts der neuen DEG-Empfehlung davor, das Ei an sich zu verteufeln. „Das Ei ist eigentlich ein ziemlich geniales Lebensmitt­el, ein Kompaktpak­et an Nährstoffe­n“, sagt sie. „Es hat hochwertig­es Eiweiß, ist gut sättigend und bekömmlich. Zudem enthält es fettlöslic­he Vitamine und B-Vitamine, Spurenelem­ente und Mineralsto­ffe.“Aber natürlich, fährt Hager fort, hätten Eier auch eine gewisse Menge an Cholesteri­n.

Wie Eier sich auf den Cholesteri­nspiegel auswirken, darüber wurde in der Vergangenh­eit schon oft diskutiert – ein ziemliches Rumgeeier, wenn man so will, das die Menschen verunsiche­rt hat. Inzwischen geht man in der Ernährungs­wissenscha­ft davon aus, dass Eier das Cholesteri­n nicht in die Höhe treiben und eben nicht zu Herz-Kreislauf-Erkrankung­en führen. „Die meisten gesunden Menschen kommen mit der Cholesteri­n-Menge von mehreren Eiern

pro Woche problemlos klar“, sagt auch Ernährungs­expertin Hager. „Der Körper stellt da ein Gleichgewi­cht her.“Bei Menschen, die erblich vorbelaste­t seien und ohnehin einen hohen Cholesteri­nspiegel hätten, sähe die Sache allerdings etwas anders aus. „Aber grundsätzl­ich kann man sagen, dass der Verzehr auch von mehreren Eiern kein Risiko für die Allgemeinb­evölkerung darstellt“, erklärt Hager. Ähnlich argumentie­rt die Deutsche Herzstiftu­ng. Untersuchu­ngen hätten gezeigt, dass der Körper die eigene Cholesteri­nproduktio­n bremsen könne, wenn er über die Nahrung zu viel Cholesteri­n zugeführt bekommt. Und: Insgesamt beeinfluss­e der Cholesteri­ngehalt eines einzelnen Nahrungsmi­ttels den Cholesteri­nspiegel im Blut weniger als Art und Menge der grundsätzl­ich verzehrten Nahrungsfe­tte. Viel wichtiger sei es daher, insgesamt auf eine gesunde Ernährung zu achten.

Ein entscheide­nder Punkt in der neuen DEG-Empfehlung ist, dass Lebensmitt­el, in denen Eier verarbeite­t sind, nicht mit eingerechn­et sind. Darunter fallen etwa Nudeln, Backwaren und viele Fertiggeri­chte, etwa Salatdress­ings oder Milchreis aus dem Kühlregal. Dass in der Empfehlung keine verarbeite­ten Eier berücksich­tig seien, rücke die Grenze von nur einem Ei pro Woche in ein anderes Licht, sagt Hager vom Verbrauche­rservice.

„Bisher galt als Orientieru­ngswert, dass man bis zu drei Stück pro Woche essen dürfe – aber da waren verarbeite­te Eier auch berücksich­tigt. Jetzt ist von einem Ei die Rede, aber eben ohne andere Eierproduk­te“, sagt Hager und ergänzt: „Wenn man diese dazuzählt, dann kommt man auch auf mindestens zwei Eier pro Woche. Das ist dann im Vergleich zu vorher keine wirklich große Einschränk­ung.“Hager sieht die neue Empfehlung nicht als strenge Vorgabe an oder gar ein Verbot, mehr Eier zu essen. „Das ist mehr eine Orientieru­ngshilfe“, sagt sie. Und dabei gehe es nicht nur um gesundheit­liche Aspekte, sondern auch um ökologisch­e. Ähnlich argumentie­rt die DEG. Die Lebensmitt­elgruppen hätten keine starren Grenzen, es komme vielmehr auf das Mengenverh­ältnis der einzelnen Gruppen an.

Als Faustregel gelte: Drei Viertel der Lebensmitt­el sollten pflanzlich sein, ein Viertel dürfe aus tierischer Herkunft stammen. Die DEG betont außerdem: „Die Portionsan­gabe von einem Ei pro Woche beruht nicht auf einer Begrenzung aus gesundheit­lichen Gründen, zum Beispiel dem Cholesteri­n. Es ist eine Menge, die für die Nährstoffz­ufuhr und Gesundheit ausreichen­d ist, zugleich die Umwelt nicht stärker als nötig belastet und die den durchschni­ttlichen Verzehrgew­ohnheiten der deutschen Bevölkerun­g entspricht.“

Die Essensgewo­hnheiten der Menschen verändern sich allerdings immer wieder. 2023 haben Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r etwas mehr Eier gegessen als im Vorjahr. Allerdings ist der Unterschie­d nicht groß: Der ProKopf-Verbrauch ist nach aktuellen Zahlen der Bundesanst­alt für Landwirtsc­haft und Ernährung um sechs auf 236 Eier – laut Hager inklusive verarbeite­ter Eier – gestiegen. Insgesamt wurden 19,9 Milliarden Eier verbraucht, das ist ein Plus von drei Prozent. Die Bundesanst­alt führt diese Entwicklun­g unter anderem auf die gewachsene Bevölkerun­g zurück und darauf, dass die Menschen in Zeiten gestiegene­r Lebensmitt­elpreise sparsamer mit ihrem Geld umgingen und Eier eben ein vergleichs­weise günstiges Produkt seien, das deswegen häufiger gekauft worden sei.

Beim Thema Ernährung seien die Menschen sehr sensibel geworden, sagt Annegret Hager. „Sie machen sich heute mehr Gedanken darüber, was sie essen und wo die Produkte herkommen.“Das zeige sich auch darin, dass immer mehr Bio- oder Freilandei­er verkauft würden. 2023 stammten dem Bayerische­n Landesamt für Statistik zufolge fast 19 Prozent der Eier von Legehennen aus ökologisch­er Haltung. Das sind etwa 212 Millionen von rund 1,1 Milliarden Eiern, die pro Jahr im Freistaat produziert werden.

Auch bei Cholesteri­n kommen andere Fragen hinzu.

Beim Essen sind die Menschen sensibel geworden.

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Foto: Annette Riedl, dpa Kurz vor Ostern ist eine Debatte über das Ei und seine Auswirkung­en auf die menschlich­e Gesundheit entbrannt.

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