Die Dotter-Debatte
Nur noch ein Ei pro Woche: Das rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Eine Empfehlung, die hohe Wellen schlägt und die Frage stellen lässt: Wie ungesund sind Eier?
Kein Ostern ohne Eier. Hart gekocht in Grün, Rot, Blau, Lila, weich gekocht, pochiert, gerührt, als Omelette auf dem Osterbrunch-Tisch – die ganze Palette eben. In diesem Jahr birgt das Ei allerdings nicht nur wachsweichen Dotter, sondern auch ordentlich Zündstoff. Denn seit Kurzem wird heftig darüber debattiert, wie viele Eier man denn nun pro Woche essen sollte. Und wie gesund oder ungesund sie eigentlich sind.
Hintergrund der Diskussion ist eine neue Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DEG). Der zufolge soll nur noch ein Ei pro Woche auf dem Speiseplan stehen – ziemlich wenig, finden viele Menschen. Auch auf Fleisch und Wurst soll weitgehend verzichtet werden. Die DEG empfiehlt pro Woche maximal 300 Gramm – früher lag die Grenze noch doppelt so hoch.
Annegret Hager, Ernährungsexpertin beim Verbraucherservice Bayern, weiß, dass das Thema viele Menschen umtreibt. Sie warnt aber angesichts der neuen DEG-Empfehlung davor, das Ei an sich zu verteufeln. „Das Ei ist eigentlich ein ziemlich geniales Lebensmittel, ein Kompaktpaket an Nährstoffen“, sagt sie. „Es hat hochwertiges Eiweiß, ist gut sättigend und bekömmlich. Zudem enthält es fettlösliche Vitamine und B-Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe.“Aber natürlich, fährt Hager fort, hätten Eier auch eine gewisse Menge an Cholesterin.
Wie Eier sich auf den Cholesterinspiegel auswirken, darüber wurde in der Vergangenheit schon oft diskutiert – ein ziemliches Rumgeeier, wenn man so will, das die Menschen verunsichert hat. Inzwischen geht man in der Ernährungswissenschaft davon aus, dass Eier das Cholesterin nicht in die Höhe treiben und eben nicht zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. „Die meisten gesunden Menschen kommen mit der Cholesterin-Menge von mehreren Eiern
pro Woche problemlos klar“, sagt auch Ernährungsexpertin Hager. „Der Körper stellt da ein Gleichgewicht her.“Bei Menschen, die erblich vorbelastet seien und ohnehin einen hohen Cholesterinspiegel hätten, sähe die Sache allerdings etwas anders aus. „Aber grundsätzlich kann man sagen, dass der Verzehr auch von mehreren Eiern kein Risiko für die Allgemeinbevölkerung darstellt“, erklärt Hager. Ähnlich argumentiert die Deutsche Herzstiftung. Untersuchungen hätten gezeigt, dass der Körper die eigene Cholesterinproduktion bremsen könne, wenn er über die Nahrung zu viel Cholesterin zugeführt bekommt. Und: Insgesamt beeinflusse der Cholesteringehalt eines einzelnen Nahrungsmittels den Cholesterinspiegel im Blut weniger als Art und Menge der grundsätzlich verzehrten Nahrungsfette. Viel wichtiger sei es daher, insgesamt auf eine gesunde Ernährung zu achten.
Ein entscheidender Punkt in der neuen DEG-Empfehlung ist, dass Lebensmittel, in denen Eier verarbeitet sind, nicht mit eingerechnet sind. Darunter fallen etwa Nudeln, Backwaren und viele Fertiggerichte, etwa Salatdressings oder Milchreis aus dem Kühlregal. Dass in der Empfehlung keine verarbeiteten Eier berücksichtig seien, rücke die Grenze von nur einem Ei pro Woche in ein anderes Licht, sagt Hager vom Verbraucherservice.
„Bisher galt als Orientierungswert, dass man bis zu drei Stück pro Woche essen dürfe – aber da waren verarbeitete Eier auch berücksichtigt. Jetzt ist von einem Ei die Rede, aber eben ohne andere Eierprodukte“, sagt Hager und ergänzt: „Wenn man diese dazuzählt, dann kommt man auch auf mindestens zwei Eier pro Woche. Das ist dann im Vergleich zu vorher keine wirklich große Einschränkung.“Hager sieht die neue Empfehlung nicht als strenge Vorgabe an oder gar ein Verbot, mehr Eier zu essen. „Das ist mehr eine Orientierungshilfe“, sagt sie. Und dabei gehe es nicht nur um gesundheitliche Aspekte, sondern auch um ökologische. Ähnlich argumentiert die DEG. Die Lebensmittelgruppen hätten keine starren Grenzen, es komme vielmehr auf das Mengenverhältnis der einzelnen Gruppen an.
Als Faustregel gelte: Drei Viertel der Lebensmittel sollten pflanzlich sein, ein Viertel dürfe aus tierischer Herkunft stammen. Die DEG betont außerdem: „Die Portionsangabe von einem Ei pro Woche beruht nicht auf einer Begrenzung aus gesundheitlichen Gründen, zum Beispiel dem Cholesterin. Es ist eine Menge, die für die Nährstoffzufuhr und Gesundheit ausreichend ist, zugleich die Umwelt nicht stärker als nötig belastet und die den durchschnittlichen Verzehrgewohnheiten der deutschen Bevölkerung entspricht.“
Die Essensgewohnheiten der Menschen verändern sich allerdings immer wieder. 2023 haben Verbraucherinnen und Verbraucher etwas mehr Eier gegessen als im Vorjahr. Allerdings ist der Unterschied nicht groß: Der ProKopf-Verbrauch ist nach aktuellen Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung um sechs auf 236 Eier – laut Hager inklusive verarbeiteter Eier – gestiegen. Insgesamt wurden 19,9 Milliarden Eier verbraucht, das ist ein Plus von drei Prozent. Die Bundesanstalt führt diese Entwicklung unter anderem auf die gewachsene Bevölkerung zurück und darauf, dass die Menschen in Zeiten gestiegener Lebensmittelpreise sparsamer mit ihrem Geld umgingen und Eier eben ein vergleichsweise günstiges Produkt seien, das deswegen häufiger gekauft worden sei.
Beim Thema Ernährung seien die Menschen sehr sensibel geworden, sagt Annegret Hager. „Sie machen sich heute mehr Gedanken darüber, was sie essen und wo die Produkte herkommen.“Das zeige sich auch darin, dass immer mehr Bio- oder Freilandeier verkauft würden. 2023 stammten dem Bayerischen Landesamt für Statistik zufolge fast 19 Prozent der Eier von Legehennen aus ökologischer Haltung. Das sind etwa 212 Millionen von rund 1,1 Milliarden Eiern, die pro Jahr im Freistaat produziert werden.
Auch bei Cholesterin kommen andere Fragen hinzu.
Beim Essen sind die Menschen sensibel geworden.