Warten aufs Licht
In der Osternacht werden sie angezündet: die Kerzen, die vor einigen Tagen in Dießen in Handarbeit gefertigt wurden. Wir waren bei der Entstehung dabei.
Im Marienmünster passt sie ins Gesamtbild des großen Gotteshauses hoch über dem Ammersee. Liegt die 1,20 Meter lange Osterkerze aber auf einem Küchentisch, ist man doch von ihrer Größe überrascht. Die Kerze, die in der Osternacht entzündet wird, kommt nicht, wie mancher vielleicht denkt, fertig beklebt aus einer Manufaktur. Sie wurde von Hand von sechs Mitgliedern der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB) in einer kleinen Küche in Dießen gestaltet. Luise und Maria Mayr, Sonja Happach und Roswita Lochbrunner trafen sich dafür bei den Gastgebern Maria und Maximilian Schwarz.
Und das nicht zum ersten Mal. Seit sieben Jahren gestaltet die Gruppe Osterkerzen für das Marienmünster sowie die kleine Kirche Sankt Alban und bastelt zusätzlich etwa 350 kleine Exemplare. Die werden jedes Jahr in den drei Wochen vor Ostern in der Kirche verkauft. Dieses Jahr seien die Kerzen etwas teurer, da die Rohmaterialkosten stark gestiegen seien, erzählt Lochbrunner. Sie hoffe aber trotzdem auf einen guten Verkauf, denn der Erlös wird gespendet. So floss das Geld beispielsweise in die Finanzierung des Volksaltars im Marienmünster oder in Reparaturarbeiten, sagt Maximilian Schwarz. Seit vergangenem Jahr werden auch Projekte außerhalb der Pfarreiengemeinschaft Mariä Himmelfahrt unterstützt, etwa das Hospiz in Polling. Insgesamt sind im Laufe der Jahre schon rund 25.000 Euro eingenommen worden, berichtet Schwarz.
Auf den kleinen Kerzen entdeckt man Zweige, ein Lamm oder den See mit Sonnenaufgang. Das Seemotiv schmückt auch die St.Albaner-Kerze und ist ebenso für „die große“vorgesehen. Die große Osterkerze, die Pfarrer Josef Kirchensteiner in einer feierlichen Zeremonie in der Osternacht anzünden wird, entsteht nämlich auch jedes Jahr aufs Neue.
Inspirationen holt sich die Gruppe beim Wachsplatten- und Kerzenkauf und bringt auch eigene Ideen ins Spiel. Um einen festen Bezug zur Heimat herzustellen, habe man sich in diesem Jahr für das Motiv Ammersee entschieden, erklärt Roswita Lochbrunner. Gemeinsam geht es schließlich ans Werk, denn die Rohlinge gilt es zu verzieren und für die Osterzeit vorzubereiten. Sowohl die kleinen Kerzen als auch die beiden großen entstehen in Teamwork. Insgesamt sind sie dabei zu zehnt.
„Die einen schneiden aus, die anderen kleben die Motive auf. Vor allem bei den rund 350 kleinen Kerzen ist das schon fast Fließbandarbeit“, scherzt Maria Mayr. Um die Motive und Zahlen aus den farbigen Wachsplatten ausschneiden zu können, werden Schablonen verwendet. Einfache gerade Linien oder der Buchstabe A müssen mit ruhiger Hand ausgeschnitten werden. Dafür eignet sich ein Cuttermesser am besten. Andere Einzelteile, wie Kreise oder geschwungene Symbole, werden mit einer Nadel ausgestochen und dann aus der Wachsplatte gelöst. Die Blätter der Ranke, die sich später über die Kerze schlängelt, werden mit den Händen geformt. „Erst wutzeln, dann bazen, dann verzieren“, beschreibt Sonja Happach die teils sehr filigrane Arbeit. Und Roswita Lochbrunner witzelt über die Frage nach der Blattgröße: „Ach, einfach Auge mal Pi!“
Während dem Ausschneiden, dem Ausstanzen und Aufbringen der Wachsornamente auf die Kerzen wird viel geredet und gelacht. Über die Familie, die Freunde oder die Kirche. Auch eine Anekdote zu einer früheren Kerze wird ausgepackt. Einmal sei während der Ostermesse, als die Kerze ins Weihwasser getaucht wurde, das Omega abgefallen, erinnert man sich. Die Anwesenden nehmen es mit Humor.
Denn was hier wie ein Missgeschick klingt, zeigt die Besonderheit der Dießener Osterkerzen. So etwas passiere vermutlich nicht bei maschinell hergestellten Osterkerzen, das kommt nur dann vor, wenn die Kerze in Handarbeit von Gemeindemitgliedern für Gemeindemitglieder gemacht wird. Bei der Gestaltung der Osterkerzen gibt es einiges zu beachten. „Die dunkle Erde, die auf früheren Kerzen zu sehen war, hat nicht allen gefallen“, erinnert sich Schwarz. Deshalb sei die Entscheidung auf einen goldbraunen Farbton gefallen. Und nicht nur die Farbwahl muss gut durchdacht sein, auch die Anordnung der einzelnen Motivteile auf der Kerze ist wichtig. „Wird das Motiv zu weit oben angesetzt, dann schmilzt es an der brennenden Kerze schon recht schnell weg“, erklärt Lochbrunner. Gemeinsam wird über die Höhe und die Proportionen der Motive entschieden, schließlich sehen mehrere Augen mehr als nur ein Augenpaar.
„Das Kreuz ist etwas zu breit“, wirft Maria Mayr ein. „So wirkt die Sonne nicht“, stimmt Sonja Happach zu. Also wird die Reihenfolge noch einmal überdacht und das Kreuz neu gearbeitet. Das wird dann unter Sonne und See platziert, zumindest auf der Kerze, die später im Marienmünster stehen wird. Auf der St.-AlbanerKerze ist die Reihenfolge eine andere, die Kerze ist ja auch ein gutes Stück kleiner. Wenn das Kreuz als zentrales Element seinen Platz gefunden hat, folgen die restlichen Motive und die Zahlen. „Drück das Omega gut fest!“, scherzt Maximilian Schwarz und alle lachen.
Man merkt, dass alle Mitwirkenden ein gut eingespieltes Team sind und das nicht nur in der Zeit vor Ostern. Alle sind auch sonst in der KAB aktiv. Die 62-jährige Sonja Happach ist seit zwei Jahren Mitglied. Maximilian und Maria Schwarz, 77 und 76 Jahre alt, sind am längsten dabei. „Das müssen schon über 50 Jahre sein“, erinnert sich Schwarz. Bei Roswita Lochbrunner, 62, seien es über 30. Luise Mayr schätzt, dass sie schon 35 oder 40 Jahre dabei ist, genau weiß sie das gar nicht. Sie ist 67 Jahre alt. Auch Maria Mayr, 51 Jahre, ist schon so lange dabei, dass sie sich gar nicht mehr an den Anfang erinnern könne.
Während über die Zeit bei der KAB nachgedacht und in Erinnerungen geschwelgt wird, sind auch die letzten Verzierungen an den beiden Osterkerzen angebracht. „Das ist meine Lieblingskerze“, ist zu hören, genauso wie: „Das macht schon was her.“Und mit den Worten „In der Kombination mit dem Rot, ist das etwas Heiliges“wird zum Ausdruck gebracht, mit wie viel Liebe und Hingabe die Gruppe die Osterkerzen gefertigt hat. Kurz vor der Osternacht hat Maximilian Schwarz die Kerzen in die Kirche gebracht. Dort werden noch fünf Nägel, die für die fünf Wunden Christi stehen, in die Kerzen geschlagen.
In der Osternacht werden die Kerzen zum ersten Mal angezündet. Im Dießener Marienmünster geschieht dies nach einem besonderen Ritual, wie Pfarrer Josef Kirchensteiner verrät. „Um 5.30 Uhr wird die Kerze am Osterfeuer vor dem Marienmünster angezündet und dann in die Kirche getragen. Dabei singe ich dreimal Lumen Christi und die Kirchengemeinde antwortet mit Deo gratias. Anschließend werden nach und nach alle Kerzen im Gotteshaus angezündet, bevor das Licht an die Gottesdienst-Besucher weitergegeben wird.“
So erhelle sich in drei Stufen das zu Beginn völlig im Dunkeln liegende Kirchenschiff, bevor Pfarrer Kirchensteiner den Lobpreis über das Osterlicht anstimmt.
In Dießen gibt es am Ostermorgen ein besonderes Ritual.