Dieses Preisschafkopfen ist Kult
Jedes Jahr herrscht am Gründonnerstag im Gasthof Saxenhammer in Hechenwang Hochbetrieb: Beim Preisschafkopfen hoffen alle, ein schönes Stück Geräuchertes für Ostern zu gewinnen.
Ein gutes Stück Schinken gehört in den Korb, mit dem viele Katholiken ihre Speisen in die Kirche bringen, um sie an Ostern segnen zu lassen. Rund um Hechenwang kann man an der Größe des Fleischstücks ablesen, wie gut es am Gründonnerstagabend beim Preisschafkopfen im Gasthof Saxenhammer gelaufen ist. Dieses Schafkopfturnier ist Kult – regelmäßig kommen dazu rund 160 Kartenspieler zusammen, in der Hoffnung ein ordentliches Stück vom Geräucherten zu gewinnen – oder gar noch mehr.
Wer beim Wort „Schinkenstraße“allenfalls an das Vergnügungsviertel auf Mallorca denkt, der war noch nie am Gründonnerstag im Hechenwanger Wirtshaus. Eine solche Schinkenstraße wird da kurz vor Mitternacht auf einer langen Tafel aufgebaut, wenn die Preisverteilung ansteht. Mehr als 80 Preise bereitet Gastwirt Johann Saxenhammer jedes Jahr vor. Die Chance, einen zu gewinnen, ist also recht groß – so wie es sonst halt auch beim Schafkopfen ist: Zwei von vier Spielern gehen mit einem Gewinn nach Hause, die beiden anderen hoffen darauf, dass es beim nächsten Mal besser läuft.
Schafkopfen gilt bisweilen als Spiel, das ein gewisses Können voraussetzt, doch die Turnierspieler sehen es meistens anders: „Das A und O sind gute Karten“, sagt etwa Harry Pfab aus Windach, der zusammen mit Erich Schneider gekommen ist. Beide stehen zusammen für 100 Jahre Schafkopf-Spiel, wie Uli Sawrun, der neben ihnen
Platz genommen hat, sagt. Sie spielen aber nicht nur das bayerische National-Kartenspiel, auch Watten und das selten gewordene, aber in Windach noch gut bekannte Grasobern, das traditionell am Dreikönigstag in Windach Turnierspiel ist.
Derweil stehen kurz vor halb acht Uhr die Schafkopfer an der Anmeldung Schlange. Wer seinen Einsatz bezahlt hat, erhält gleich
mal ein Osterei und noch vor dem eigentlichen Beginn knallen schon die Karten auf die Tische. Manche sitzen schon seit dem späten Nachmittag beim „Vorglühen“, wie ein Spieler aus einer Runde sagt, die aus Meitingen nach Hechenwang gereist ist. Wer am Ende mit wem in der Runde spielt, wird ausgelost. So kommen ganz unterschiedliche Leute an einem Tisch zusammen. Es handelt sich zwar weitgehend um Männer, die augenscheinlich sehr viele Jahre Schafkopf-Erfahrung haben. Jüngere sind weniger vertreten und Frauen gerade mal eine Handvoll, aber das Spiel vereint viele soziale Schichten vom Freiherrn, über den Arzt und Bankkaufmann bis zum Austragsbauern, Einheimische mit Zugereisten und Bayern mit Schwaben.
Während es in der Stube und im Saal immer enger und heißer und für die Bedienungen immer mühsamer wird, zu den Gästen durchzukommen, sitzt Gastwirt Johann Saxenhammer in der kleinen privaten Stube neben der Küche. Dort können später auch noch drei Partien untergebracht werden, wenn sonst im Wirtshaus kein Platz mehr ist. Seit rund 40 Jahren gibt es das Schafkopfen am Gründonnerstag, zuvor habe es an anderen Tagen stattgefunden, erzählt der Wirt. Eingeführt habe es nach dem Krieg seine Mutter, die „Res“, wie sie manche der Gäste noch kennen. Sie stammte aus dem Gasthof Haas in Mammendorf. Der erste Preis sei ein Geschenkkorb gewesen, der zweite eine Torte und der dritte ein Kaffeeservice, „aber natürlich nicht das teuerste“.
Immer schon legte er noch einige Stücke Schinken als weitere Preise hinzu. Saxenhammer ist gelernter Metzger und die Schweine hatte man aus der eigenen Landwirtschaft. „Die Spieler haben dann das andere liegen lassen, weil ihnen das Geräucherte mehr wert war.“So entstand die riesige Schinkentafel, auf die auch ein halbes Schwein und ein Schweineschlegel gelegt werden. Das sind die Preise für den besten und den zweitbesten Spieler des Abends. „Dieses
Geräucherte muss man gesehen haben, und wie das riecht, bis auf die Straße hinaus“, schwärmen Harry Pfab und Erich Schneider.
Das Geräucherte vom Saxenhammer ist etwas Besonderes: Noch immer stellt es der 86-Jährige selbst her, zerlegt die Schweinehälften entsprechend, surt die Fleischstücke drei Wochen lang, dann hängen sie weitere drei weitere Wochen im Rauch vom Sägemehl von seinem Schwager Michael Beinhofer.
Bis alle Stücke verteilt sind, ist es Mitternacht: Das halbe Schwein darf Erich Lux mit nach Schwabhausen nehmen, den Schlegel hat Egon Kampf aus Traubing gewonnen und das größte Stück Schinken geht an den früheren Grafra– ther Bürgermeister Hans Eiwan, der schon manches Schafkopfturnier erfolgreich beendet hat – unter anderem mit einem Fernseher.
Probiert werden darf vom Geräucherten erst einmal nicht. Es ist schließlich Karfreitag und damit Fasttag geworden. „Wir geben schon Obacht, dass keiner ein Messer kriegt“, versichert Gastwirt Saxenhammer. Der Termin am Gründonnerstag habe ihm vor Jahrzehnten auch mal eine Ermahnung eines auswärtigen Geistlichen eingebracht. Wer nach 60 Spielen mehr Miese als Gute hat und nichts vom Geräucherten gewonnen hat, muss übrigens nicht mit leeren Händen heimkommen. Über die Gewinnerstücke hinaus räuchert Saxenhammer auch noch etliche Fleischstücke, die gekauft werden können. So kann man auch ohne Gewinn der Ehefrau beweisen, dass man wirklich beim Kartenspielen war, wie ein Spieler aus Türkenfeld sagt.