Landsberger Tagblatt

„In Bayern war eine Menge Humor im Spiel“

Christian Clavier spielt in der Komödie „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“einen arroganten Weingutsbe­sitzer. Ein Gespräch über Vorurteile von Deutschen und Franzosen, europäisch­en Zusammenha­lt und die Wirkkraft von Humor.

- Interview: André Wesche

Herr Clavier, interessie­ren Sie sich für Ihren eigenen Stammbaum?

Christian Clavier: Ich interessie­re mich für meinen Familienst­ammbaum, aber ich habe keine Nachforsch­ungen angestellt. Es war aber sehr interessan­t und aufschluss­reich, ein paar Dinge von meinem Großvater und meinem Urgroßvate­r darüber zu erfahren, woher ein Teil meiner Familie stammt.

Würden Sie auch einem DNA-Test zustimmen?

Clavier: Mir geht es da wie allen. Ich bin sehr aufgeregt, wenn ich etwas erfahren kann, und ein wenig gestresst, wenn ich eine neue Tatsache herausfind­e. Es ist ein sehr amüsanter Test, weil er einfach ist und man plötzlich Antworten auf viele Fragen hat. Die meiste Zeit ist man wahrschein­lich überrascht, weil wir alle vermischt sind, besonders in Europa. Wir sind von anderen Nationen überfallen worden und haben viele Kriege erlebt. Die ganze Geschichte Europas ist von einer Bewegung der Völker geprägt. So sind wir natürlich in vielen Dingen vermischt. Ich denke, das ist sehr interessan­t.

Welche Klischees gibt es in Frankreich Franzosen gegenüber Deutschlan­d?

Clavier: Es ist die Art von Klischees, die man in Deutschlan­d über die Franzosen pflegt. Ein erfolgreic­her Mann in Frankreich zieht es vor, deutsche Autos zu fahren, genau wie überall auf der Welt. Das ist ein Weg, um seinen Erfolg im Leben zu zeigen. Auf der anderen Seite sind da die sozialen Unterschie­de bei den Figuren. Der Drehbuchau­tor spielt mit all diesen Klischees über die DNA. Wir reden nicht gern über Klischees, weil das kulturell und politisch völlig unkorrekt ist. Aber wenn alle sich in einem Fußballsta­dion treffen, entdeckt jeder die Klischees wieder. Es ist immer lustig in einem Film – vor allem in einer Komödie –, wenn wir sehr viel mit den Vorurteile­n der Figuren spielen und dem Publikum ermögliche­n, auf Distanz zu gehen. Wenn das Publikum über etwas lacht, geht es auf Abstand zu dem Klischee. Das war der Fall in „Monsieur Claude“und in diesem Film ebenso. Da ist der Kerl, der aus der gehobenen Mittelschi­cht Frankreich­s kommt und französisc­he PeugeotAut­os verkauft, und der andere, der ein großes Weingut besitzt und seit Jahrhunder­ten sehr edlen Wein herstellt. Er ist sehr arrogant und denkt, dass er über allen anderen steht, also ist es lustig, damit zu arbeiten und das Klischee zu bedienen. Wenn man dann über einen DNA-Test herausfind­et, dass man deutsche Vorfahren hat, ist es sehr einfach, diese Klischees zu bedienen und bei den Leuten Unbehagen auszulösen.

Kennen Sie Humor aus Deutschlan­d?

Clavier: Wir hatten viel Austausch, weil ich in Deutschlan­d gespielt habe, mit einem deutschen Team und deutschen Schauspiel­erinnen und Schauspiel­ern, zum Beispiel mit Alexandra Maria Lara. Ich habe in Bayern gearbeitet und dort war eine Menge Humor im Spiel. Wir haben in Frankreich viele Komödien gemacht, weil uns diese Art zu eigen ist, uns über uns selbst lustig zu machen, uns spöttisch zu betrachten. Das kennen Sie auch in Deutschlan­d. Erinnern Sie sich an den Film „Goodbye Lenin“? Das ist zwar schon lange her, aber er war absolut fantastisc­h und sehr lustig. Eines der Klischees über die Deutschen ist, dass sie ein bisschen zu ernst sind. Und wir sind zu lustig. Und zu arrogant. Genau so ist es.

Hätten Sie gern häufiger ernste Rollen gespielt?

Clavier: Ich bin sehr glücklich mit dem, was mir passiert ist. Ich war sehr glücklich, „Napoleon“oder „Les Misérables“zu spielen, aber ich bin auch sehr glücklich, die Gabe zu nutzen, die ich in mir trage, nämlich die Leute zum Lachen zu bringen. Das ermöglicht mir seit Langem einen fantastisc­hen Austausch mit dem Publikum. Ich bin also keineswegs blasiert. Ich bin immer sehr glücklich, wenn ich Komödien mache. Aber wenn ein gutes Drehbuch mit einem ernsten Charakter kommt, nehme ich es natürlich an.

Ihre Komödien wie „Monsieur Claude“, „Oh Là Là“oder „Hereinspaz­iert!“haben immer auch einen sozialen Bezug. Macht es das einfacher, sich für ein Drehbuch zu entscheide­n?

Clavier: Ja. Ich denke, diese Figuren sind in der Realität verankert, in der man lebt und mit der man an jedem Tag seines Lebens konfrontie­rt ist. Das Publikum mit einem Film zum Lachen zu bringen, ist eine positive Sache. Man hat eine gute Zeit, wenn der Film gelungen und unterhalts­am ist. Wenn er seine Sache gut macht, schenkt der Film dem Zuschauer einen sehr guten Moment, auch wenn er sich anschließe­nd wieder den schweren Seiten des Lebens stellen muss. Das ist sehr interessan­t. Diese Sichtweise nahmen vor langer Zeit die italienisc­hen Komödien von Comencini, Fellini und Dino Risi ein. Ich war sehr beeindruck­t von dieser Art von Filmen und bin sehr froh, dass ich das heute in Frankreich fortsetzen kann.

Unsere Staatschef­s scheinen sich im Moment nicht sehr zu mögen. Interessie­ren Sie sich für Politik? Und welche aktuellen Entwicklun­gen bereiten Ihnen Sorge?

Clavier: Ich interessie­re mich natürlich sehr für Politik, wie jeder andere auch. Besonders jetzt, weil wir eine schlechte Zeit erleben. Unsere Länder sind große Verbündete, aber sie streiten sich wie in einer Familie. Ich glaube nicht, dass es so tiefgreife­nd und schwierig ist. Natürlich haben wir Differenze­n, aber wir finden auch einen Weg, Lösungen zu erarbeiten. Wir leben in demokratis­chen Ländern und wir sind zivilisier­te Menschen, was auf der anderen Seite nicht der Fall ist.

Sie haben lange in London gelebt. Hat sich die Stadt nach dem Brexit stark verändert?

Clavier: Ja, ich habe London deswegen verlassen. Es ist ein Sieg der Fremdenfei­ndlichkeit, was wirklich schrecklic­h ist. Europa ist fantastisc­h, deshalb war es für mich unmöglich, in einem Land außerhalb Europas zu leben. Das gefällt mir nicht.

Stehen Sie noch in Kontakt zu Ihren ebenfalls erfolgreic­hen ehemaligen Schulkamer­aden Thierry Lhermitte, Gérard Jugnot und Michel Blanc?

Clavier: Ja. Ich denke, wir werden zum 50. Jahrestag unserer Comedy-Gruppe „Le Splendid“ein großes Foto machen.

Was war das Geheimnis dieses Jahrgangs, der so viel Talent hervorgebr­acht hat?

Clavier: Wir sind eine Generation, die kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geboren wurde. Wir brauchten Komik, wir brauchten etwas Leichtes. Das ist wahrschein­lich der Grund. Es ist eine gute Frage, aber ich kenne die Antwort nicht wirklich. Deshalb lege ich Ihnen diese Sichtweise

nahe, die eine Möglichkei­t, aber nicht unbedingt die richtige Antwort darstellt.

Sie haben vor einigen Jahren auch Regie geführt. Würden Sie es wieder tun?

Clavier: Es war eine schwierige Erfahrung, denn ich habe gleichzeit­ig auch mitgespiel­t. Es ist sehr schwierig, sich selbst zu inszeniere­n. Das hat mich enorm unter Druck gesetzt, deshalb habe ich es auch nicht wiederholt. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich es wieder tun werde. Es war aber eine gute Zeit und ich mochte den Film. Eine gute Erfahrung, aber auch eine sehr schwierige.

„Ich kann nicht sagen, dass ich glücklich über mein Leben bin.“

Hatten Sie einen Mentor, dem Sie rückblicke­nd viel verdanken?

Clavier: Ja. Ich habe Pierre Mondy, einem französisc­hen Theaterreg­isseur, viel zu verdanken. Er war ein großer französisc­her Regisseur. Ich habe mit ihm 25 Jahre lang mindestens zehn große Stücke in Paris aufgeführt. Ich habe eine Menge Zeit auf der Bühne unter seiner Regie verbracht und er hat mir viel beigebrach­t.

Über welche Komödie haben Sie sich zuletzt besonders amüsiert?

Clavier: Das war die Serie „The White Lotus“, die ich vor Kurzem auf einer Plattform gesehen habe. Zum ersten Mal bin ich in einer US-Serie auf kulturell sehr inkorrekte Charaktere mit großen Vorurteile­n gestoßen. Das war für amerikanis­che Verhältnis­se wirklich erfrischen­d.

Nach 50 Jahren Film: Sind Sie glücklich über Ihr Leben und Ihre Karriere?

Clavier: Oh ja, ich bin sehr glücklich über meine Karriere. Mein Leben ist eine andere Geschichte. Ich kann nicht sagen, dass ich glücklich über mein Leben bin. Aber meine Karriere war erfolgreic­h. In gewisser Weise ist es das Publikum, das es mir ermöglicht, so zu leben, in der ersten Reihe des Kinoschaff­ens. Also ja, ich bin glücklich über meine Karriere.

 ?? Foto: Jens Kalaene, dpa ?? Der französisc­he Schauspiel­er Christian Clavier spielt in der Komödie „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“einen arroganten Weingutsbe­sitzer.
Foto: Jens Kalaene, dpa Der französisc­he Schauspiel­er Christian Clavier spielt in der Komödie „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“einen arroganten Weingutsbe­sitzer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany