Erik hat einen Tumor hinter einem Auge
Der vierjährige Erik aus Eresing hat Krebs. Die intensive Betreuung ist für die Eltern auch eine enorme finanzielle Belastung, weil beide selbstständig sind.
Familie Hildebrecht aus Eresing im Landkreis Landsberg packt derzeit die Koffer. Sie ziehen für sechs Wochen nach NordrheinWestfalen, um ihren vierjährigen Sohn Erik zu unterstützen. Anfang Dezember 2023 bemerkte seine Mutter, dass sich sein Auge plötzlich leicht nach vorn wölbte. Die Eltern dachten zunächst an die Folgen einer Rangelei oder Unachtsamkeit. Als ihr Sohn dann fünf Tage später äußerte: „Papa, du siehst voll lustig aus, du hast oben auf der Stirn noch mal Augen“, gingen sie am nächsten Tag zum Augenarzt. Erik hat einen Tumor hinter dem rechten Auge und erhält in einer Fachklinik in Essen eine vergleichsweise neue Form der Bestrahlung. Für die Familie ist die Erkrankung zugleich auch eine existenzielle Frage, weil Mutter Kristin und Vater Thorsten beide selbstständig sind.
„Erik hat einen bösartigen Tumor, der wächst sehr schnell. Das Gute ist zumindest, dass er sich auch schnell wieder verkleinert, wenn man ihn behandelt“, sagt der Vater. Der Augenarzt schickte sie sofort weiter zum Krankenhaus. Mittels Knochenmarkbiopsie und Computertomografie wurde ausgeschlossen, dass er noch weitere Tumore hat. Noch bevor die Ergebnisse der Biopsie vorlagen, empfahlen die Mediziner den Eltern, mit einer Chemotherapie zu beginnen, da es sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit um einen bösartigen Tumor handle. Der vierjährige Erik bekam einen Katheter, der ihm zwischen Brustwarze und Hals gelegt wurde. Dann begann die Behandlung. Die Krankenhausaufenthalte bestimmen seitdem das Leben der Familie. Ein Elternteil begleitet Erik, das andere kümmert sich um dessen dreijährigen Bruder Arne. Wo es geht, helfen die Schwiegereltern. „Ohne sie wären wir komplett aufgeschmissen“, sagt der 47-jährige Thorsten Hildebrecht.
Dennoch mussten die beiden Soloselbstständigen ihre Arbeitszeit drastisch reduzieren. Sie ist als medizinische Masseurin tätig und arbeitet noch etwa halb so viel. „Bei mir sind es sogar nur noch 30 Prozent. Ich arbeite als Monteur im Messe- und Eventbau und bin immer wieder mal zwei oder drei Wochen weg, auch im Ausland, das geht aktuell nicht. Natürlich hat man da im ersten Moment auch Existenzängste. Die Kosten laufen ja weiter“, sagt der Vater. Eine private Krankenversicherung, die solch einen extremen Fall abdeckt, haben die Eltern nicht. Eine Spendenaktion hat zumindest für den Moment Entlastung gebracht, berichtet Thorsten Hildebrecht und ist sehr dankbar dafür.
Erik sei trotz der Umstände ein „lebhafter und glücklicher Junge“, sagt sein Vater und nehme es relativ
gelassen auf. „Dass er vier Jahre alt ist und die Tragweite noch nicht kennt, macht es etwas leichter.“Die notwendigen Punkte erklären sie Erik und beantworten seine Fragen, wenn er welche stellt, versuchen aber sonst ihn nicht damit zu belasten. Am meisten störe Erik, dass er nicht ins Schwimmbad dürfe. Auch die Badewanne ist für ihn tabu. Er wird vorsichtig gewaschen. Sein Immunsystem ist durch die Behandlung gefährdet und geschwächt und anfälliger für Infektionen. Da ein Schlauch zur Herzvene geht, besteht die Gefahr einer Blutvergiftung.
Doch wie verhindert man bei einem Vierjährigen, dass er durch eine unbeabsichtigte Aktion, den Schlauch abreißt? Der Katheter sei immer durch Kleidung geschützt, so der Vater. Es gebe zudem mehrere Mechanismen wie Sollbruchstellen, die verhinderten, dass in
solch einem Fall alles herausgerissen werde. „Und das Pflaster ist sehr fest. Es wird einmal die Woche gewechselt, das mag Erik gar nicht“, so der Vater.
Sobald der Sohn Fieber bekommt – das war vergangene Woche wieder der Fall – müssen sie mit ihm ebenfalls ins Krankenhaus. Dieses Mal waren es vier Tage. Die Chance, dass der Tumor nach der Bestrahlung verschwindet, hätten die Ärzte anfangs auf 70 Prozent beziffert, inzwischen seien es 99 Prozent, so sein Vater. „Am Anfang war der Tumor etwa golfballgroß, mittlerweile ist er kleiner als eine Murmel und hat sich vom Sehnerv entfernt.“Bei der anstehenden Bestrahlung könnten aber noch Nebenwirkungen auftreten, sagt Hildebrecht. „Es kann sein, dass er keine Wimpern und Augenbrauen mehr haben wird, dass der Tränenkanal nicht mehr funktioniert oder dass die rechte Gesichtshälfte und der Schädelknochen nur noch verlangsamt oder gar nicht mehr wachsen. Schäden am Gehirn seien aber aufgrund der Behandlungsmethode nicht zu befürchten, sagen die Mediziner.“
Dass die Familie dafür bis nach Essen fährt, hat damit zu tun, dass dort eine Bestrahlung mit Protonen erfolgt. Hier haben sie sich auf Kinder und die Behandlung des Kopfes spezialisiert. Sonst gibt es diese Behandlungsform nur noch in Heidelberg – mit anderen Schwerpunkten. „Die deutlich verbreiteteren Methoden sind die Bestrahlung mit Photonen und Ionen“, so Hildebrecht. Auf der Internetseite der Klinik heißt es, dass es die physikalischen Eigenschaften der Protonen erlaubten, dass nahezu ausschließlich das erkrankte Gewebe bestrahlt werde. Umliegende Organe, die sich noch im Wachstum befinden, werden demnach „bestmöglichst geschont“. Das sorge für weitaus weniger Komplikationen und Spätfolgen als bei regulären Bestrahlungsmethoden. „Sie haben uns gesagt, dass in den ersten zwei Zentimetern des Gewebes bei dieser Art der Bestrahlung gar nichts passiert und die dann erst beginnt“, sagt der Vater.
Dass die ganze Familie für sechs Wochen umzieht, hat mehrere Gründe, sagt der Vater: „Arne und Erik sind wie Zwillinge und können nicht ohneeinander und wir sind dann mal unter uns, der Tapetenwechsel tut nach den vergangenen Monaten auch gut.“Die Prognose der Mediziner ist, dass mindestens bis September, womöglich aber auch bis Jahresende, weitere Chemotherapien und damit verbundene Krankenhausaufenthalte verbunden sein werden. Alle drei Wochen muss er für fünf Tage in die Klinik. Die Familie hat ein Spendenkonto eingerichtet für Personen, die sie unterstützen möchten. Die IBAN lautet DE66 7016 9509 0101 3026 71.