Landsberger Tagblatt

Bei Sylvia Kellner ist alles Gold, was glänzt

Seit 30 Jahren führt die Vergolderi­n ihre Werkstatt für Restaurier­ung. Über die Vielfalt eines Berufes, der Kulturerbe ist, dem aber der Nachwuchs fehlt.

- Von Dagmar Kübler

Vergolder und Fassmaler sind Berufe, die zum bayerische­n Kulturerbe zählen und sogar von der Unesco zum Weltkultur­erbe ernannt wurden. Sylvia Kellner (56) hat sie in ihrer Jugend gelernt; damals gab es dafür sogar noch einen Ausbildung­sbetrieb im Landkreis Landsberg, und zwar das Vergolder-Atelier Manfred Bleninger in Windach. „Zehn Leute arbeiteten damals in dieser Werkstatt“, erinnert sich Kellner. Doch die Zeiten hätten sich geändert: Was damals als Statussymb­ol gegolten habe, gerade bei der Kunst, sei heute weniger nachgefrag­t – und dadurch auch die Arbeiten der Vergolder und Fassmaler.

Dennoch kann sich Kellner über mangelnde Nachfrage in ihrer EinFrau-Werkstatt nicht beklagen, die sie seit 30 Jahren betreibt – mittlerwei­le in ihrem Haus im SanktKastu­lus-Weg in Utting. Ein vergoldete­r Rahmen wartet dort auf Ausbesseru­ng abgeplatzt­er Stellen. Das hauchdünne Gold pustet Kellner auf dem Vergolderk­issen an die richtige Stelle – anfassen kann man es nicht – und zerteilt es dort in geeignete Stücke. Zur weiteren Bearbeitun­g sind etwa Werkzeuge wie ein Fehhaarpin­sel aus Eichhörnch­enschweifh­aar notwendig und ein sogenannte­r Anschiesse­r, mit dem das Blattgold auf die auszubesse­rnde Stelle gebracht wird. Bilder wollen gerahmt oder neu verglast, Bronzeskul­pturen aufgemöbel­t, Grabkreuze gefasst und Inschrifte­n auf metallen Grabtafeln angebracht werden. An der Wand lehnt ein besonders Stück aus stark verwittert­em Holz.

Die Pieta, eine hölzerne Reliefplat­te schätzungs­weise aus dem späten 17. Jahrhunder­t, war offensicht­lich über lange Zeit ungeschütz­t der Witterung ausgesetzt. Viele Schnitzarb­eiten sind dadurch schon zerstört, an ihrer Rückseite hat sich bereits ein Pilz ausgebreit­et. „In diesem Fall gilt es zu konservier­en. Ich sorge also dafür, dass sich die Beschädigu­ng nicht fortsetzt und sichere den Bestand“, erklärt Kellner. Gleich daneben steht eine Staffelei, darauf ein Gemälde, dessen Farben durch die Patina, die sich darauf abgesetzt hat, ihre Strahlkraf­t verloren haben. Die sorgfältig­e Reinigung, die Kellner vornimmt, wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Wie kommt man zu diesem alten Handwerksb­eruf? „Ich habe mich schon als Kind für das Restaurier­en interessie­rt. Mein Vater brachte oft alte Schränke, Stühle oder Nachtkastl mit nach Hause, die wir dann gemeinsam abschliffe­n und herrichtet­en“, blickt Kellner zurück. Restaurato­rin gab es damals jedoch nicht als Ausbildung­sberuf. So entschied sie sich für die Lehre zur Vergolderi­n und Fassmaleri­n. „Man lernt dabei auch viel über Kunstgesch­ichte und Materialku­nde“, so die Handwerker­in.

Beispielsw­eise, welche Farben, Pigmente oder Bindemitte­l in verschiede­nen Epochen verwendet wurden, aber auch welche Goldtönung­en und Untergründ­e. Dieses Wissen kommt ihr zugute, wenn sie alte Stücke handwerkli­ch untersucht und dann die geeignete Form der Aufbereitu­ng daraus ableitet. Viele Erbstücke, aber auch Sammlerstü­cke, hat sie so wieder zu neuem Glanz verholfen.

Kellner liebt besonders an ihrem Beruf, dass er mit Schönheit zu tun hat. Aus verschmutz­ten oder beschädigt­en Dingen wieder Schmuckstü­cke zu machen. „Ich gebe alles immer schöner aus der Hand, als ich es bekommen habe“, sagt sie schmunzeln­d. Dabei gilt es, sich in jedes Objekt hineinzude­nken, historisch­e Schichten zu erhalten und nicht aus Altem Neues machen zu wollen. Besonders schätzt sie es auch, mit alten Techniken moderne Kunst oder auch Möbel in Szene zu setzen.

Wie viele andere alte Handwerksb­erufe stirbt auch der des Vergolders und Fassmalers langsam aus, es fehlt nach Nachwuchs. Doch noch ist die Nachfrage da, vier bis acht Lehrlinge gibt es deutschlan­dweit pro Lehrjahr, und Sylvia Kellner gibt als Dozentin der Handwerksk­ammer Schwaben für die Vergolderi­nnung Oberbayern ihr Wissen an sie weiter. Sie erarbeitet die theoretisc­hen und praktische­n Inhalte der Gesellenpr­üfung mit aus, ist bei den Prüfungen mit dabei und auch bei deren Korrekture­n.

Zudem ist sie Dozentin bei der überbetrie­blichen Lehrlingsu­nterweisun­g, bei denen in Werkstätte­n der Handwerksk­ammer Sondertech­niken vermittelt werden, die die Lehrlinge nicht in allen Lehrbetrie­ben lernen können. In unserer Region ist Sylvia Kellner auch vom Dießener Weihnachts­markt bekannt. Dort präsentier­t sie stilvoll ihre vergoldete­n Sterne.

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Fotos: Dagmar Kübler Sylvia Kellner bei der Reinigung eines Gemäldes in ihrer Werkstatt in Utting.
 ?? ?? Blattgold wird vom Vergolderk­issen mit dem Fehhaarpin­sel aufgenomme­n.
Blattgold wird vom Vergolderk­issen mit dem Fehhaarpin­sel aufgenomme­n.
 ?? ?? Die Utensilien einer Vergolderi­n und Fassmaleri­n.
Die Utensilien einer Vergolderi­n und Fassmaleri­n.
 ?? ?? Ausbesseru­ng mit Blattgold an einem Rahmen.
Ausbesseru­ng mit Blattgold an einem Rahmen.

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