Landsberger Tagblatt

Von Babysitten und Backen bis hin zur Hilfe bei der Technik

In Epfenhause­n trifft sich seit Kurzem eine Tauschgeme­inschaft, die zweite Gruppe dieser Art im Landkreis. Im Angebot sind etwa Leih-Omas, Hilfe bei der Gartenarbe­it oder Reparature­n.

- Von Dagmar Kübler Kommentar Seite 29

Tauschen ist ein altes Konzept, um an Waren zu kommen, die nicht selbst produziert werden können. Vermutlich gab es früher so manchen Streit darüber, ob der Sack Getreide nun mehr oder weniger wert ist als das schlachtre­ife Schwein – was vermutlich auch der Grund dafür war, Geld einzuführe­n und Preise festzulege­n. Geld muss jedoch verdient werden, und Preise haben leider die Angewohnhe­it, zu verfallen oder in schwindeln­de Höhen zu steigen. Also macht das alte Tauschprin­zip durchaus noch Sinn, was auch der Erfolg der Tauschring­e in Deutschlan­d belegt. Der Wert einer Leistung spielt dabei gar keine Rolle. Was zählt, ist einzig die investiert­e Zeit – und die ist bei jedem Mitmachend­en gleich viel wert, egal, er einen hoch qualifizie­rten Job hat oder gar keinen. Babysitten, Kuchen backen, EDVProblem­e lösen oder Fenster putzen, beim Umzug helfen oder das Fahrrad reparieren – der Markt an Leistungen ist so groß wie die menschlich­en Bedürfniss­e.

Eine Tauschgeme­inschaft im Landkreis Landsberg hat sich heuer rund um Daniela Leiser, Gisela Musterle, Rumjana und Bert Praxenthal­er neu gegründet. Mit dem

Ziel, das Konzept des Tauschring­s weiterzude­nken. „Wir wollen Menschen vernetzen, der Vereinsamu­ng etwas entgegense­tzen und auch junge Menschen an unserem Erfahrungs­schatz teilhaben lassen“, sagt Initiatori­n Daniela Leiser. Zudem soll die Tauschgeme­inschaft viel mehr als bisher im öffentlich­en Leben als Möglichkei­t gezeigt werden, unabhängig von Geld Leistungen zu erhalten.

Zur Gründungsv­ersammlung im Gasthaus Thoma in Epfenhause­n waren rund 15 Interessie­rte gekommen, die Leiser zuerst ganz allgemein über das Prinzip des Tauschens informiert­e. „Es fand ein reger Austausch statt, und viele Fragen konnten beantworte­t werden“, blickt Leiser zurück. Beim „Thoma“seien sie gut aufgenomme­n worden. „Es wurde sogar extra für uns gekocht“, so Leiser, die den Treffpunkt beibehalte­n will. Künftig wird sich die Tauschgeme­inschaft dort einmal im Monat um 19.30 Uhr treffen, der nächste Termin ist der 30. April.

Die Fragen der Interessie­rten drehten sich unter anderem darum, wie die erbrachten Leistungen verbucht werden. „Dafür gibt es ein Zeitkonto. Mit den erworbenen Talenten kann dann eine Dienstleis­tung aus dem Tauschring in Anspruch genommen werden“, erklärt Leiser. Getauscht wird also nicht Leistung gegen Leistung, sondern beispielsw­eise erwirbt sich die Leih-Oma durch das Babysitten Talente entspreche­nd der aufgewandt­en Zeit, die sie auf ihrem Konto gutgeschri­eben bekommt.

Diese kann sie gegen von anderen Mitglieder­n angebotene Leistungen eintausche­n. Wer Mitglied in der Tauschgeme­inschaft wird, bekommt Willkommen­stalente geschenkt. Später werden dann fünf Talente, das entspricht einer halben Stunde Zeit, pro Monat als „Gebühr“fällig. So kann der Betrieb aufrechter­halten und zudem der Inaktivitä­t von Mitglieder­n vorgebeugt werden. „Pflichttal­ente kann man beispielsw­eise bei unseren Sommer- und Herbstfest­en durch Kuchenback­en erwerben“, hat Leiser schon einen Vorschlag parat.

„Viele Menschen können sich nicht vorstellen, dass Zeit eine Währung ist. Dafür muss noch Bewusstsei­n geschaffen werden“, hat Leiser festgestel­lt. Dafür tritt sie mit ihrer neuen Gemeinscha­ft an. Die Heilpädago­gin bringt einen großen Erfahrungs­schatz mit, gehörte sie doch lange Zeit zum Team des Lets-Tauschring­s in Landsberg.

Dieser befinde sich in einer Art Dornrösche­nschlaf, trete zu wenig an die Öffentlich­keit und überaltere zusehends, da keine jüngeren Mitglieder dazukämen, bedauert Leiser, die sich nun dazu entschloss­en hat, mit der neuen Tauschgeme­inschaft eigene Wege zu gehen.

Die Tauschgeme­inschaft könne für junge und ältere Menschen viele Vorteile bieten. „Gerade bei Älteren liegen so viele Kräfte brach, gleichzeit­ig ist viel Not vorhanden, beispielsw­eise durch Vereinsamu­ng“, weiß Leiser. Junge Menschen dagegen seien oft im Leistungsd­enken verhaftet. Ihnen möchte sie dabei helfen, ganz neue Talente in sich zu entdecken und diese in die Gemeinscha­ft einzubring­en. Sprich: Der IT-Experte soll gerade nicht sein Fachwissen anbieten, sondern etwas, was er vielleicht schon lange einmal machen wollte, wie Gartenarbe­it oder Wänden einen frischen Anstrich geben.

Die Webseite der neuen Tauschgeme­inschaft ist gerade im Entstehen. Mitglieder können dort die angebotene­n Leistungen anderer Mitglieder einsehen und direkt buchen. Wer sich eine Mitgliedsc­haft vorstellen kann, vorab aber noch eine persönlich­e Beratung wünscht, kann sich bei Daniela Leiser in Ummendorf melden: unter Telefon 01577/7768423 oder per E-Mail an mail@therapie-leiser.de.

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Foto: Jochen Lübke, dpa (Symbolbild) Durch Tauschgeme­inschaften wie in Epfenhause­n sollen auch Dienste wie Leih-Omas, die babysitten, angeboten werden.

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