Landsberger Tagblatt

Netanjahus schärfster Rivale

Benny Gantz ist ein erfahrener Soldat und als Politiker ein Mann der Mitte. Wird der 64-Jährige Israels nächster Regierungs­chef?

- Rudi Wais

Er war Oberbefehl­shaber der Armee, Verteidigu­ngsministe­r, Opposition­schef und kurze Zeit Präsident der Knesset, des israelisch­en Parlaments: Benny Gantz, 64 Jahre alt und schon immer ein Mann der Mitte, sieht nach sechs Monaten Krieg in Gaza die Chance auf einen politische­n Neuanfang in Israel.

In den Meinungsum­fragen liegt er inzwischen weit vor Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu, den er bis zum Herbst ablösen möchte. Dazu aber braucht er für seinen Vorschlag, im September neu zu wählen, auch eine Mehrheit in der Knesset. Und die hat er bislang noch nicht. Auch für Israel mit seinen verwirrend­en politische­n Verhältnis­sen ist die Situation

paradox: Einerseits organisier­t Gantz, der mit Abstand erfahrenst­e Soldat des Landes, als Mitglied des Kriegskabi­netts gemeinsam mit seinem Rivalen Netanjahu den Kampf gegen die Hamas – auf der anderen Seite verfolgt er sein Ziel weiter, die Ära Netanjahu lieber heute als morgen zu beenden.

Seit der frühere Generalsta­bschef 2018 in die Politik ging und eine eigene Partei gründete, versucht er auf den unterschie­dlichsten Wegen, Allianzen gegen den Ministerpr­äsidenten zu schmieden.

Einzige Ausnahme:

Israels Sicherheit und die Befreiung der Geiseln in Gaza – da sind sie beide Hardliner. Eine gemeinsame Koalition mit Netanjahu zerbrach 2021 trotzdem nach einem Jahr wieder. Gantz, Sohn einer aus Ungarn stammenden Mutter und eines aus Rumänien nach Israel ausgewande­rten Vaters, hat lange mit der Politik gefremdelt, eher er sich doch für sie entschied. Er war der letzte israelisch­e Offizier, der nach 18 Jahren Besatzung den Libanon verließ, er hat Tausende äthiopisch­er Juden mit einer Luftbrücke aus dem Bürgerkrie­g dort gerettet und hatte als ranghöchst­er Militär im Gaza-Krieg 2014 das Kommando.

Das, vor allem, nährte seinen Ruf als Mann der Tat. Ein Mann des Wortes ist der Vater von vier Kindern weniger. Im Kriegskabi­nett spielt er nach allem, was nach draußen dringt, eine eher moderieren­de Rolle. Allerdings ist ihm vor wenigen Tagen gelungen, worauf sein Rivale Netanjahu schon seit Wochen wartet: eine Einladung der US-Regierung nach Washington zu bekommen. Offenbar wollte man sich dort bereits ein Bild vom künftigen israelisch­en Ministerpr­äsidenten machen.

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Foto: Mark Schiefelbe­in, AP/dpa

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