Landsberger Tagblatt

Abschrecku­ng und Abschottun­g

Das EU-Parlament wird heute aller Voraussich­t nach die Reform des Gemeinsame­n Europäisch­en Asylsystem­s beschließe­n. Geplant ist ein strikterer Kurs gegen Flüchtling­e aus Ländern, die als relativ sicher gelten.

- Von Katrin Pribyl

Es gehört zum Ritual im EU-Parlament, dass sich im Anschluss an Abstimmung­en die siegreiche­n EU-Abgeordnet­en selbst auf die Schulter klopfen, während die Überstimmt­en ihre Kritik bekräftige­n. Die beiden Lager dürften an diesem Mittwoch besonders laut zu vernehmen sein, denn die Europaparl­amentarier votieren final über das größte Streitthem­a der EU: die Reform des Gemeinsame­n Europäisch­en Asylsystem­s (GEAS). Nach mehr als acht Jahren wird aller Voraussich­t nach das 900 Seiten umfassende Paket aus fünf Gesetzeste­xten beschlosse­n, das die Unterhändl­er des Parlaments mit Vertretern der Mitgliedst­aaten im Dezember vereinbart hatten und der Union eine deutliche Verschärfu­ng des Asylrechts bescheren soll.

Mit dem Pakt, der auf Abschrecku­ng und Abschottun­g setzt, will die Union eine Botschaft an ihre Bürger aussenden: Die Gemeinscha­ft hat die Lage im Griff. Mit striktem Kurs und einem gemeinsame­n Plan soll die Zahl der Ankommende­n gesenkt werden. Es handele sich um „eine Mammutaufg­abe für die EU“, sagte die CDU-Europaabge­ordnete Lena Düpont. Deshalb begrüßte sie es, dass die EU nun gesetzgebe­risch „einen Knopf dranmachen“und man sich auf die Umsetzung konzentrie­ren könne. Was zahlreiche EU-Abgeordnet­e, insbesonde­re von den Christdemo­kraten, Konservati­ven und Liberalen, als Durchbruch feiern dürften, bewerten etliche Nichtregie­rungsorgan­isationen, Linke und Teile der Grünen als Schande. Die Linken-Europaabge­ordnete Cornelia Ernst sprach von einem „Schlag ins Gesicht für Schutzsuch­ende“.

Vorneweg hatten die Verantwort­lichen versucht, eine Balance zu finden zwischen Verantwort­ung und Solidaritä­t. Heraus kam ein verbindlic­her Solidaritä­tsmechanis­mus. Dafür, dass Italien, Spanien, Malta, Zypern oder Griechenla­nd die Ankommende­n in Zentren und nach einem harmonisie­rten Verfahren registrier­en, verpflicht­en sich die anderen EU-Länder im

Gegenzug, eine bestimmte Zahl von Asylbewerb­ern zu übernehmen – oder Geld zu bezahlen. Einige Mitglieder hatten sich vehement gegen eine Umverteilu­ng gesträubt, sodass die Gemeinscha­ft das Problem mit dem Griff in die klassische Trickkiste löste: Ungarn, Polen, Österreich oder Dänemark sollen finanziell­e Unterstütz­ung an andere Mitgliedsl­änder oder aber auch an Drittstaat­en leisten, wenn sie selbst keine Geflüchtet­en aufnehmen wollen.

Besonders strittig ist das Thema Grenzverfa­hren, die künftig einheitlic­h ablaufen sollen – Aufnahme, Verteilung und Rückführun­g von Flüchtling­en aus einer Hand sozusagen. Geplant ist, dass die Anträge von Asylbewerb­ern mit einer geringen Bleibepers­pektive bereits an den EU-Außengrenz­en geprüft und binnen zwölf Wochen entschiede­n werden. Das Ziel: beschleuni­gte Verfahren in Italien, Griechenla­nd oder auf den Kanarische­n Inseln samt schneller Abschiebun­g. Bis zu einer Entscheidu­ng müssten die Menschen jedoch in haftähnlic­hen Einrichtun­gen festgehalt­en werden, wie Kritiker monieren. Wer in diese Lager kommt, entscheide­t sich anhand von zwei Kriterien. Da ist zum einen die Anerkennun­gsquote für das Herkunftsl­and. Liegt sie wie bei Marokko bei weniger als 20 Prozent, soll das Schnellver­fahren greifen. Zum anderen wird geschaut, ob die Flüchtende­n eine Verbindung zu einem „sicheren Drittstaat“wie etwa Tunesien haben.

Die Bundesregi­erung und insbesonde­re die Grünen hatten darauf gepocht, neben unbegleite­ten Minderjähr­igen auch Familien mit Kindern aus humanitäre­n Gründen von den Grenzverfa­hren auszunehme­n. Mit diesem zentralen Wunsch scheiterte­n sie jedoch im Gremium der 27 Mitgliedst­aaten.

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Foto: Gianis Papanikos, dpa Polizeibea­mte patrouilli­eren entlang eines Zauns an der griechisch-türkischen Grenze.

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