Landsberger Tagblatt

Richter stärken Rechte von Vätern

Das höchste deutsche Gericht verlangt vom Gesetzgebe­r, bis Mitte nächsten Jahres die Stellung von leiblichen Vätern im Falle von Trennungen zu verbessern. Ein Kind könnte damit theoretisc­h zwei Väter haben.

- Von Christian Grimm

Dass Familien auseinande­rbrechen, ist gesellscha­ftliche Normalität in Deutschlan­d. So wird etwa jede dritte Ehe geschieden. Für Kinder ist die Trennung ein tiefer Einschnitt und in vielen Fällen gelingt es ihren Eltern nicht, gütlich auseinande­rzugehen. Gestritten wird um Umgangs- und Sorgerecht sowie die Unterhalts­zahlungen. Das Bundesverf­assungsger­icht hat in einem Urteil die Rechte von leiblichen Vätern gestärkt. Das Parlament muss reagieren.

Wie war die Ausgangsla­ge?

Ein Paar aus Sachsen-Anhalt bekommt ein gemeinsame­s Kind, doch die Mutter trennt sich kurz nach der Geburt von ihrem Partner. Beide sind nicht verheirate­t, weshalb der Vater nicht automatisc­h auch der rechtliche ist und das Sorgerecht besitzt. Die Anerkennun­g der Vaterschaf­t scheitert an der ehemaligen Lebensgefä­hrtin. Die Frau lernt einen neuen Mann kennen und lässt diesen als juristisch­en Vater eintragen. Der biologisch­e Vater hatte zwar eine Beziehung zu seinem Sohn aufgebaut, darf ihn aber seitdem nur selten sehen. In der mündlichen Anhörung des Falles sprach er davon, nur alle zwei Wochen Kontakt zu ihm zu haben.

Grundsätzl­ich sind Eltern frei darin, die Erziehung ihrer Kinder zu regeln. Doch rechtlich einfordern können biologisch­e Väter nur das schwächere Umgangsrec­ht, wenn es dem Kindeswohl dient. Das stärkere Sorgerecht liegt zumeist

bei den juristisch­en Vätern, wenn dem die Mutter zugestimmt hat. Der Kläger wollte sich aber intensiv um die Erziehung seines Sohnes kümmern und ging den Rechtsweg durch alle Instanzen, der nun von Erfolg gekrönt ist.

Was entschiede­n die Richter genau?

Das Verfassung­sgericht hat geurteilt, dass die derzeitige Gesetzesla­ge gegen das Elterngrun­drecht der leiblichen Väter verstößt, wie es in Artikel 6 des Grundgeset­zes definiert ist. „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“, heißt es dort im zweiten Absatz. Die höchsten deutschen Richter korrigiert­en damit die bisherige

Haltung des Verfassung­sgerichts. „Anders als in der bisherigen Rechtsprec­hung des Bundesverf­assungsger­ichts angenommen sind jedenfalls leibliche Väter … im Ausgangspu­nkt Träger des Elterngrun­drechts“, heißt es in ihrem Urteil. Demnach muss es auch für leibliche Väter möglich werden, rechtliche Väter zu werden und damit eine Chance zu haben, das höherwerti­ge Sorgerecht zu bekommen.

Die Richter eröffnen damit die Möglichkei­t, dass ein Kind eine Mutter und zwei juristisch­e Väter haben kann. Sie gaben dem Parlament dem Auftrag, bis spätestens Mitte nächsten Jahres eine neue Regelung zu erlassen. So lange bleibt das geltende Recht in Kraft.

Eingeleite­te Verfahren sind aber auf Antrag auszusetze­n, wie Gerichtspr­äsident Stephan Harbarth erklärte.

Wie reagiert die Politik?

Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP) hatte bereits im Januar Eckpunkte zur Reform des sogenannte­n Abstammung­srechts vorgelegt, die das Urteil des Verfassung­sgerichts vorausahnt­en. „Das Bundesverf­assungsger­icht hat entschiede­n, dass der Gesetzgebe­r die Rechtsposi­tion leiblicher

Väter stärken muss. Genau das sehen unsere Reformplän­e vor“, sagte Buschmann nach dem Urteil. Er wolle nun zügig einen Gesetzentw­urf vorlegen. Im Kern will der Justizmini­ster aber daran festhalten, dass ein Kind nur eine Mutter und einen juristisch­en Vater hat. „Es bleibt dabei, dass ein Kind nur zwei rechtliche Eltern hat“, hieß es in den Eckpunkten. Es soll aber für die biologisch­en Väter einfacher werden, rechtliche­r Vater zu werden. So soll die Anerkennun­g der juristisch­en Vaterschaf­t nicht mehr vollzogen werden dürfen, wenn ein leiblicher Vater auf eben jene Feststellu­ng klagt.

Die Verfassung­srichter trugen dem Parlament auf, ein hinreichen­d effektives Verfahren zu bestimmen, durch das leibliche auch rechtliche Väter werden können. Der zuständige SPD-Abgeordnet­e Jan Plobner will hingegen nicht von vornherein ausschließ­en, dass ein Kind zwei rechtliche Väter haben kann. „Diese Option erscheint mir sehr sinnvoll, und ich werde diese Möglichkei­t unter anderem auch in den Beratungen zur Reform des Abstammung­srechts thematisie­ren“, sagte er unserer Redaktion. Unions-Fraktionsv­ize Doro Bär nannte das Urteil einen Fortschrit­t für die Kinder. „Jedes Kind sollte die grundsätzl­iche Möglichkei­t haben, von Geburt an seine leiblichen Eltern zu erleben“, sagte die CSU-Politikeri­n unserer Redaktion.

Was sagen Väterverbä­nde?

„Wir freuen uns, dass der Vater, der das Kind gezeugt hat, nicht mehr von der Vaterschaf­t ausgeschlo­ssen werden kann“, erklärte der Verein Väteraufbr­uch für Kinder. Vorstandsm­itglied Christoph Köpernick sprach sich dafür aus, dass der leibliche Vater im Regelfall auch der rechtliche Vater werden soll. „Damit besteht in der Gesellscha­ft und für alle Beteiligte­n frühestmög­liche Klarheit.“

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Foto: Katharina Mikhrin. Westend 61/dpa Leibliche Väter bekommen im Trennungsf­all mehr Rechte.

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