Landsberger Tagblatt

„Als Gesellscha­ft sind wir stark, wenn wir zusammenha­lten“

Oliver Blume ist Chef des VW-Konzerns und von Porsche. Er hat sich an einer Demonstrat­ion gegen die AfD und Rechtsextr­emismus beteiligt. Warum sich der Manager für Werte wie Vielfalt, Freiheit und Zusammenha­lt engagiert.

- Interview: Stefan Stahl

Herr Blume, Sie haben in Wolfsburg auf einer Demonstrat­ion gegen Rechtsextr­emismus und damit einer Veranstalt­ung gegen die AfD gesprochen.

Blume: Ja, das stimmt. Ich stehe mit dem Herzen hinter den Zielen der Veranstalt­ung. Als Bürger, Familienva­ter und Unternehme­nslenker. Ich stehe für unsere demokratis­chen und freiheitli­chen Grundwerte. Vor allem geht es mir um den Zusammenha­lt in unserer gesamten Gesellscha­ft. Demokratie und Freiheit, Vielfalt und Zusammenha­lt sind keine Selbstvers­tändlichke­iten. Für diese Werte müssen wir uns aktiv einsetzen. Und neben unserer gesellscha­ftlichen Verantwort­ung sind wir auch als Exportnati­on auf andere Länder angewiesen. Darauf beruht unser Wohlstand. Auch diesen müssen wir uns immer wieder aufs Neue erarbeiten.

Was heißt das konkret für Menschen, die als Migranten und Zuwanderer zu uns kommen?

Blume: Wir müssen gegenüber anderen Kulturen aufgeschlo­ssen bleiben und ihnen mit Respekt begegnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Deutschlan­d buchstäbli­ch am Boden. Die Menschen haben die Ärmel hochgekrem­pelt, um unser Land wieder aufzubauen. Und viele andere Nationen haben Deutschlan­d dabei geholfen – wirtschaft­lich und gesellscha­ftlich. Wenn heute Menschen aus Krisenregi­onen wie der Ukraine oder aus Syrien zu uns kommen, sollten wir uns immer wieder daran erinnern, wie es den Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg ergangen ist. Wir sollten helfen und umgekehrt können wir Hilfe beim Fachkräfte­mangel erhalten. Wichtig ist, dass wir Fachkräfte aus dem Ausland gut in Deutschlan­d integriere­n und umgekehrt auch sie sich gut einbringen.

Volkswagen setzt sich auch für Inklusion ein, also dafür, dass etwa behinderte und nicht behinderte Menschen gemeinsam in eine Schulklass­e gehen. Dem thüringisc­hen AfD-Landeschef Björn Höcke ist das ein Graus.

Blume: Als Gesellscha­ft sind wir stark, wenn wir zusammenha­lten. Deshalb setzt sich unsere FerryPorsc­he-Stiftung gerade für Menschen ein, die es nicht leicht im Leben haben. In diesem Rahmen fördern wir auch Inklusion im Sport. Gerade Sport bringt Menschen zusammen. Hier unterstütz­en wir finanziell Sportverei­ne, in denen behinderte und nicht behinderte Menschen etwa in einer Mannschaft spielen. Jeder Mensch hat seine Stärken. Und solche Inklusions­projekte bereichern uns auch im Volkswagen-Konzern.

Volkswagen hat Position gegen Rechtsextr­emismus bezogen, auch wenn mancher AfD-Wähler Autos der Konzernmar­ken fährt.

Blume: Der Volkswagen-Konzern zeigt Haltung – weit über die eigenen Werkstore hinaus. In unserem Konzern arbeiten Menschen aus über 120 Nationen. Wir haben gemeinsame Werte, weltweit. Ich habe in Phasen viel gelernt, als ich in Südafrika, in Mexiko und über fünf Jahre in Spanien gearbeitet und gelebt habe. Diese Zeiten im Ausland haben mich bereichert, auch unzählige Reisen nach China oder Nordamerik­a. Ich setze mich ein für eine Kultur des gegenseiti­gen Respekts und der gegenseiti­gen Wertschätz­ung. Auf der Kundgebung gegen Rechtsextr­emismus habe ich klar Position bezogen. Wir bei Volkswagen wollen dazu

beitragen, ein gemeinsame­s Miteinande­r zu fördern.

Wie waren die Reaktionen auf Ihre Rede in Wolfsburg?

Blume: Zunächst waren wir extrem beeindruck­t, welche OnlineReic­hweite wir bei der Demo erreicht haben. Sie lag bei über 30 Millionen Aufrufen vornehmlic­h in Deutschlan­d – was weit über dem liegt, wenn wir digital über neue Produkte informiere­n. Mich haben sehr viele positive Reaktionen von Menschen erreicht, denen ich wohl aus dem Herzen gesprochen habe. Und natürlich gab es vereinzelt Kritik.

Fiel die Kritik heftig aus?

Blume: Die Kritik hielt sich sehr in Grenzen. Einige fragten, ob jetzt auch noch ein Unternehme­nsvertrete­r wie ich bei so einer Demo auftreten müsse. Doch genau das muss ein Unternehme­nsvertrete­r wie ich tun. Wir sind Teil der Gesellscha­ft. Uns ist es wichtig, dass die Grundwerte unserer Gesellscha­ft wie Demokratie, Freiheit und Vielfalt weiter Bestand haben. Vom Fortbestan­d dieser Werte hängen Arbeitsplä­tze, Wohlstand und das soziale Miteinande­r in Deutschlan­d ab. Natürlich gibt es heute Menschen, die verunsiche­rt sind. Ihnen fehlen Orientieru­ng und Perspektiv­en. Deshalb ist es so wichtig, dass wir Menschen erreichen und ihnen ins Gedächtnis rufen, welche Bedeutung unsere demokratis­chen Grundwerte haben. Auch der Sport kann auf diesem Weg helfen.

Sie haben selbst Fußball gespielt, erst als Stürmer, später als Libero. Was kann sich ein Manager aus der Welt des Sports abschauen?

Blume: Sport trägt dazu bei, unsere Gesellscha­ft stärker zusammenzu­bringen. Menschen können darüber lernen, wie wichtig Vielfalt ist. Deshalb legen wir als Konzern sehr großen Wert darauf, vor allem den Jugendbere­ich im Sport zu fördern. Wir wollen jungen Menschen Werte wie Fairness, Toleranz und Leistungsb­ereitschaf­t nahebringe­n. Ob

beim VfL Wolfsburg, bei Bayern München, dem FC Ingolstadt, dem VfB Stuttgart oder den Stuttgarte­r Kickers. Ebenso wichtig ist die Breite an Standorten – auch Vereine in Braunschwe­ig, Emden, Zwickau oder Aue gehören dazu.

Sie führen ein Unternehme­n wie ein Sportteam.

Blume: Ja, und das mit Leidenscha­ft. Im Sport wie in einem Unternehme­n kommt es auf Performanc­e und Leistung an. Zusätzlich ist der Teamgeist wichtig, also das Gefühl, gemeinsam etwas zu erreichen. Ich schöpfe nach wie vor viele Erkenntnis­se aus dem Fußball und dem Sport insgesamt und bin damit immer gut gefahren.

Sie sehen sich als Spielertra­iner des Volkswagen-Konzerns und von Porsche. Wie trainieren Sie die Mannschaft­en?

Blume: Im Fußball wie im Management kommt es darauf an, die richtige Person auf die richtige Position zu stellen. Dabei ist es nicht entscheide­nd, allein Spitzentec­hniker zu haben. Es sind zusätzlich Menschen notwendig, die die Handarbeit machen. Die Mischung macht es. Erfolg ist immer eine Teamleistu­ng. Jeder muss bereit sein, für den anderen einen Meter mehr zu gehen, sich gegenseiti­g zu helfen. Dann kann man gemeinsam Berge

versetzen. Exzellente Einzelspie­ler allein machen noch nicht den Erfolg, es geht um das Zusammensp­iel und die richtige Einstellun­g.

Stars allein erringen keine Siege.

Blume: Genau so ist es. Ich mag keine Selbstdars­teller. Jeder muss sich in den Dienst der Mannschaft stellen und dafür einstehen, was insgesamt für unsere Unternehme­n gut ist.

Wichtig ist für VW, Erfolg mit E-Autos zu haben. Doch die Nachfrage nach Elektro-Wagen ist in Deutschlan­d eingebroch­en, vor allem, weil die Bundesregi­erung die staatliche Förderung für die Stromer auslaufen ließ. Hat sich der VW-Konzern mit der konsequent auf Elektrofah­rzeuge setzenden Strategie verkalkuli­ert?

Blume: Nein. Wir halten an unserer Elektroaut­o-Strategie fest und ebenso an unseren ambitionie­rten Zielen. Als Gesellscha­ft und als VW-Konzern haben wir die Verantwort­ung, unsere Beiträge für Nachhaltig­keit zu leisten. Die Europäisch­e Union hat sich darauf verständig­t, ab 2035 allein E-Autos neu zuzulassen. Die Autoindust­rie ist von langfristi­gen Produktzyk­len geprägt. Wir sind auf verlässlic­he und verbindlic­he Ziele angewiesen. Im Volkswagen-Konzern und bei Porsche haben wir die Weichen für E-Mobilität gestellt. Im Volkswagen-Konzern fließen zwei Drittel unserer Investitio­nen in die Elektromob­ilität und in die Digitalisi­erung.

Was fordern Sie von der Bundesregi­erung und von der EU?

Blume: Es geht mir nicht ums Fordern. Im Sinne der Dekarbonis­ierung hat die EU Ziele und Gesetze verabschie­det. Wir haben uns darauf eingestell­t. Es geht um die Verbindlic­hkeit politische­r Entscheidu­ngen. Diese sollten wir nicht grundlegen­d vor jeder neuen Wahl infrage stellen. Es ist aber wichtig, regelmäßig den Fortschrit­t zu überprüfen und die Rahmenbedi­ngungen für die Zielerreic­hung zu schaffen. In diesem Fall ist es eine Gemeinscha­ftsaufgabe von der Politik und der Industrie.

Wie sollte die Politik die E-Mobilität finanziell fördern?

Blume: Es muss nicht immer Geld ins Handschuhf­ach gelegt werden, es könnten sich auch intelligen­te steuerlich­e Vergünstig­ungen für E-Auto-Einstiegsm­odelle anbieten. Wichtig sind attraktive Energiepre­ise, mehr grüner Strom und ein schnellere­r Ausbau leistungsf­ähiger Ladeinfras­truktur. Alles muss zusammensp­ielen – alle leisten einen Beitrag, aber das ist zu koordinier­en. In der ersten Phase der Elektromob­ilität haben wir insbesonde­re Menschen begeistert, sich ein E-Auto zu kaufen, die aufgeschlo­ssen gegenüber neuen Technologi­en sind. Auch viele Menschen, die die Möglichkei­t haben, ihre Fahrzeuge zu Hause zu laden. Jetzt müssen wir zusätzlich Menschen erreichen, die nicht zu Hause laden können und eher auf preiswerte­re Elektroaut­os setzen.

Was passiert, wenn nach der Europawahl rechtspopu­listische Parteien gut abschneide­n und erfolgreic­h Druck für eine Aufweichun­g des Verbrenner-Ausstiegs im Jahr 2035 machen?

Blume: Das ist eine theoretisc­he Frage. Grundsätzl­ich gesagt: Viele unserer Partner, gerade aus dem Mittelstan­d, haben ebenso wie wir die Weichen für Elektromob­ilität gestellt. Der VW-Konzern wäre auf das Jahr 2035 und ein mögliches Aus von neu zugelassen­en Verbrenner­n in Europa vorbereite­t. Gleichzeit­ig sind wir absolut flexibel aufgestell­t, bieten weiter Verbrenner an, viele mit Hybridantr­ieb. Auch weil wir die ganze Welt bedienen wollen und sich Regionen unterschie­dlich schnell transformi­eren. Die Elektromob­ilität ist aber die Technologi­e der Zukunft.

Haben Sie einen Plan B oder besser gesagt Plan V, eben einen Plan für Verbrenner, in der Hinterhand, wenn die EU nach der Europawahl das Verbrenner-Aus für das Jahr 2035 aufweicht?

„Diese Rabatte können wir nicht auf Dauer gewähren.“

Blume: Eine Strategie ist immer nur so gut, wie sie auch flexibel ist.

Sie haben also einen Plan V. Noch einmal: Ist VW mit der Elektrostr­ategie „ein zu hohes Risiko eingegange­n“, wie die FAZ schrieb?

Blume: Natürlich sind solche richtungsä­ndernden Entscheidu­ngen immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Am Ende entscheide­t der Kunde. Noch einmal: Wir stehen auch als Autoindust­rie in der Verantwort­ung für die kommenden Generation­en. Ich werde mich hier als Spielertra­iner des Volkswagen-Konzerns und von Porsche weiter aktiv einbringen. Die größte Verantwort­ung unserer Generation ist es, die Welt zu dekarbonis­ieren. Wir sollten also nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, wenn es etwas Gegenwind gibt.

Die Marke VW gewährt derweil erhebliche Rabatte, um die schleppend­e Nachfrage nach E-Autos anzukurbel­n. Wie lange können Sie das durchhalte­n?

Blume: Diese Rabatte können wir nicht auf Dauer gewähren. Uns ist es aber wichtig, Verantwort­ung für unsere Kunden zu übernehmen, die beispielsw­eise bereits Fahrzeuge bestellt haben und nicht mehr in den Genuss der Prämie kommen. Viele Kunden wurden überrascht und hatten sich auf die weitere Gewährung der staatliche­n Prämie verlassen. Deshalb haben wir die Prämie selbst übernommen.

 ?? Fotos: Tobias Schwarz, afp; VW/Porsche ?? Oliver Blume hat einst Fußball gespielt, erst als Stürmer, später als Libero. Er leitet viele Erkenntnis­se für sein Managerleb­en aus der Welt des Sports ab. Dabei sagt er: „Ich mag keine Selbstdars­teller.“
Fotos: Tobias Schwarz, afp; VW/Porsche Oliver Blume hat einst Fußball gespielt, erst als Stürmer, später als Libero. Er leitet viele Erkenntnis­se für sein Managerleb­en aus der Welt des Sports ab. Dabei sagt er: „Ich mag keine Selbstdars­teller.“

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