Welche Zukunft haben die Gasnetze?
Als erste Großstadt in Deutschland geht Augsburg den Rückbau des Netzes an. Die Stadtwerke informieren schon Kunden, dass ihr Anschluss ab 2035 gekappt werden könnte.
Der Vorstoß aus dem Bundeswirtschaftsministerium, örtliche Gasnetze perspektivisch zumindest teilweise stillzulegen, wird bei den großen schwäbischen Gasnetz-Betreibern unterschiedlich aufgenommen. Für die Kunden hängt von dieser Frage einiges ab: Wer heute mit Gas heizt, aber irgendwann keinen Anschluss mehr hat, wird sich nach einer anderen Heizungsanlage umsehen müssen. Doch auch wer in einer Gegend wohnt, in der das Gasnetz in jedem Fall erhalten bleiben soll, wird im Hinblick auf eine Wasserstoff-Umrüstung womöglich eine neue Heizung benötigen.
Die Augsburger Stadtwerke haben als einer der ersten Netzbetreiber vor Jahren damit begonnen, Kunden in ausgewählten Gebieten auf eine schrittweise Stilllegung ihres Gasnetzes vorzubereiten. Man wolle Kunden frühzeitig informieren, damit sie dies bei einer anstehenden Heizungsmodernisierung berücksichtigen können, so die Stadtwerke damals. In den vergangenen vier Jahren wurden um die 200 Großverbraucher wie Firmen und große Wohnanlagen angeschrieben. Die Größenordnung zeige, dass es sich um kein Massenphänomen handle, so Stadtwerkesprecher Jürgen Fergg. Für eine flächendeckende Stilllegung des Gasnetzes gebe es keine konkreten Pläne, betont Fergg. Die Stilllegung plane man in Gebieten, die bisher mit Gas und nun neu mit Fernwärme erschlossen werden und in denen die Gasleitungen perspektivisch erneuert werden müssten. Die Bild hatte am Dienstag berichtet, dass in Augsburg eine Stilllegung in großem Stil absehbar sei. Die Stadtwerke bezeichneten die Berichterstattung als „irreführend“. Es werde niemandem der Gashahn zugedreht. Und wer in einem Gas-Bestandsgebiet noch einen neuen Hausanschluss wolle, bekomme einen.
Richtig ist aber, dass die Stadtwerke in Augsburg Erdgas langfristig als Auslaufmodell sehen. Fergg verweist darauf, dass Bayern laut Landtagsbeschluss 2040 klimaneutral sein wolle. „Und Erdgas
ist nun einmal nicht klimaneutral.“Seitens der Politik erwarte man sich im Sinne der Verbraucher „klare und ehrliche Aussagen, wie diese selbst gesteckten Klimaziele erreicht werden sollen“, so Stadtwerke-Vertriebsleiter Ulrich Längle. In Augsburg ist ein massiver Ausbau der Fernwärme geplant. Bis 2040 sollen 40 Prozent des Augsburger Wärmebedarfs aus Fernwärme kommen. Aktuell sind es 20 Prozent. Bis 2040 wollen die Stadtwerke in Augsburg eine Milliarde Euro in den Ausbau von Fernund Nahwärme stecken.
Sollte entgegen den Erwartungen klimaneutraler Wasserstoff künftig zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung stehen, könne
man das Erdgasnetz weiterhin nutzen. Allerdings gebe es daran erhebliche Zweifel. Eine Stilllegung von Gasnetzteilen komme frühestens 2035 infrage. Bis dahin werde man klarer sehen. „Aber es ist auch klar: Der Betrieb zweier Netze nebeneinander kostet Geld“, so Fergg. Das werde sich gegebenenfalls in den Netzentgelten bei den Verbrauchern niederschlagen.
Kein Thema ist ein Netzrückbau bei Energie Schwaben. Am 7100 Kilometer langen Netz in Schwaben und dem Allgäu hängen 210 Kommunen. Die Strategie des Versorgers, der stark in der Fläche präsent ist, setzt primär weiter auf Gasleitungen. Ein Grund: Der Bau von Fernwärme ist um ein Vielfaches
teurer als der von Gas. „Es ist davon auszugehen, dass eine Rentabilität in großen, hochverdichteten Ballungsgebieten wie zum Beispiel der Stadt Augsburg leichter zu erreichen sein wird als in der Fläche“, so Sprecherin Christine Paul-Eger. Bei Energie Schwaben gibt es darum derzeit keine Überlegungen, Teile des Gasnetzes stillzulegen – vielmehr schließe man noch Kunden an. Paul-Eger verweist darauf, dass die Wärmewende bei Bestandsgebäuden – anders als im Neubau – nicht über Wärmepumpen geschafft werden könne. „Da werden die Gasnetze definitiv weiterhin benötigt werden.“Denn auch nach dem novellierten Heizungsgesetz ist es möglich, alte
Gasheizungen bis 2045 mit Erdgas zu betreiben. Neuere Heizungen müssen stufenweise klimaschonender betrieben werden. Dafür, so Energie Schwaben, biete man Biogas-Tarife mit unterschiedlichen Biogas-Anteilen an.
Und längerfristig setzt man bei Energie Schwaben auf Wasserstoff. Das Gasnetz von Energie Schwaben sei heute schon zum Großteil für die Nutzung von Wasserstoff bereit. „Wir haben einen klar definierten Fahrplan für die komplette Ertüchtigung unseres Netzes für 100 Prozent Wasserstoff“, so Paul-Eger. Wichtig sei, dass man für jede angeschlossene Kommune eine individuelle Lösung erarbeite.
Auch die Stadtwerke Ulm/NeuUlm haben aktuell keine Rückbaupläne. Man schaue sich nach alternativen Quellen wie Flusswärmepumpen an der Donau oder Geothermie im Bereich Neu-Ulm/Senden um. Man sehe im Betrieb des Gasnetzes aber weiterhin Potenzial, so Sprecher Sebastian Koch. Aktuell untersuchen die Stadtwerke, ob das Erdgasnetz auch für Wasserstoff fit gemacht werden könnte. „Der sukzessive Wechsel von Erdgas zu Wasserstoff ist aus unserer Sicht eine vielversprechende Option“, so Koch. In einem Pilotprojekt soll bis spätestens 2027 eine Anlage zur Wasserstoffgewinnung gebaut werden, um einen Teil des Wasserstoffs klimaneutral und regional herzustellen.
Wie in ihrem Gebiet geheizt werden soll, müssen die Kommunen bis Ende Juni 2028 festlegen. „Die Zukunft der Gasnetze hängt entscheidend von der kommunalen Wärmeplanung vor Ort ab. Dieser Prozess findet im Moment statt“, sagt ein Sprecher des Verbandes kommunaler Unternehmen. „Wir gehen aktuell davon aus, dass Teile der Gasinfrastruktur auch künftig benötigt und verwendet werden, zum Beispiel, um einen Teil der bisherigen Industrieund Gewerbekunden mit dekarbonisiertem Gas zu versorgen“, so der Sprecher. Einen Teil des Netzes werden die Kommunen aber wohl stilllegen: „Sicherlich wird ein gewisser Teil nicht mehr benötigt werden, und es wird voraussichtlich zu einer Transformation oder Stilllegung der Netze kommen.“