Königswetter fürs Königsgemüse?
Den ersten Spargel gab es bereits Ende März. Die Apfelbäume blühen zwei Wochen eher: Doch der milde Winter hat nicht nur Vorteile für die Landwirte und das heimische Beet.
Wenn Ministerpräsident Markus Söder und Agrarministerin Michaela Kaniber an diesem Mittwoch am Münchner Viktualienmarkt die Spargelsaison eröffnen, dann hat das Symbolcharakter. Tatsächlich aber gab es ersten, heimischen Spargel bereits Ende März zu kaufen. Denn das Stangengemüse hat in diesem Jahr einen Frühstart hingelegt. Im größten bayerischen Anbaugebiet rund um Schrobenhausen haben die Landwirte bereits um den 10. März herum gestochen – während das sonst zwischen 20. und 25. März der Fall ist, erklärt Claudia Westner, Vorsitzende des Spargelerzeugerverbands Südbayern. Kein Wunder angesichts des Winters, der eigentlich keiner war. Der Februar war der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Auch der März hat einen Temperaturrekord gebracht. Also auch beste Bedingungen für den Spargel – quasi Königswetter fürs Königsgemüse?
So einfach ist das nicht, erklärt Claudia Westner. Natürlich seien die milden Temperaturen gut für das Wachstum gewesen. „Doch der Spargel mag im Winter sehr gern einen Kältereiz. Dann kommt er im Frühjahr einheitlich aus dem Boden.“Der Frost dient den Pflanzen als eine Art Signal, dass sie jetzt in eine Ruhephase gehen können. Bleibt dieser Reiz aus, reagieren sie mit einem verspäteten Austrieb im Frühling. Die Forscher vermuten, dass geringere Erntemengen mit zu warmen Wintertemperaturen zusammenhängen.
So weit will Westner, die einen Spargelhof auf Gut Haslangkreit im Kreis Aichach-Friedberg betreibt, nicht gehen – schon, weil sie mit den ersten Erntemengen zufrieden war. Dennoch spürten auch die Spargelbauern die Auswirkungen des Klimawandels. Das Stangengemüse möge weder starke Hitze oder extreme Sonneneinstrahlung, ebenso wenig Staunässe, wie es sie zuletzt gab. „Aber die Spargelpflanze kommt aus dem mediterranen Bereich, die kommt mit den Veränderungen noch relativ gut zurecht“, sagt Westner.
Seit Jahren ist zu beobachten, dass die Winter immer kürzer werden. Umgekehrt dauern die Vegetationsphasen,
also die Zeit, in der Pflanzen aktiv sind, deutlich länger. Die Hasel, die als Bote für den Vorfrühling gilt, blüht inzwischen gut einen Monat früher als vor 50 Jahren. In diesem Jahr war das laut Deutschem Wetterdienst (DWD) am 25. Januar der Fall. Wintergerste und Winterweizen sind inzwischen 20 Tage früher in der Wachstumsphase als zu Beginn der 1990er-Jahre. Auch das Erwachen der Apfelbäume verschiebt sich immer weiter nach vorn. „Die Apfelblüte ist in den letzten 30 Jahren um zehn bis 14 Tage früher, im Vergleich zu den 1960er-Jahren sogar fast drei Wochen“, erklärt Alexander Zimmermann von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim.
Manfred Büchele ist Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Obstbau-Bodensee. 2023 startete die Apfelblüte am 18. April, berichtet er. „In diesem Jahr sind wir noch einmal 14 Tage früher dran. Das ist schon sehr außergewöhnlich. Aber das hat Vor- und Nachteile.“Denn je früher die Blüte einsetzt, desto höher wird das Risiko, dass es dann noch einmal zu Minustemperaturen kommen kann. LWG-Experte Zimmermann erklärt: „Fröste im April und Mai nehmen tendenziell ab, können aber im fortgeschrittenen Kulturstadium höhere Schäden anrichten. Die junge Frucht ist beispielsweise frostanfälliger als die Blüte und die offene Blüte ist anfälliger als eine geschlossene.“Was das für Auswirkungen haben kann, hat man am Bodensee im Jahr 2017 gesehen. In der zweiten Aprilhälfte kam es zu heftigen Nachtfrösten, zwei Drittel der Apfelernte fielen damals aus.
Späte Fröste, Extremwetterereignisse wie Starkregen, heißere und trockenere Sommer – der Klimawandel stellt die Obstbauern zweifelsohne vor Herausforderungen.
Wann Hobbygärtner Kopfsalat und Co. pflanzen sollten.
Hinzu kommt, wie Büchele betont: Nicht nur die Blüten wachten früher auf, auch die Schädlinge. In der Versuchsstation in Ravensburg testet man daher neue Sorten, die Hitze und Trockenheit trotzen, widerstandsfähig gegen Krankheiten und gut lagerfähig sind und zudem auch noch schmecken. „Am besten knackig, saftig, süß und rot.“
Wenn die Natur früher erwacht, was heißt das für den heimischen Garten? Ist es sinnvoll, jetzt schon Gemüsebeete zu bepflanzen? Oder gilt die alte Regel, die Eisheiligen abzuwarten? „Kopfsalat und Kohlrabi sind weniger frostempfindlich und können schon ab Ende März gepflanzt werden, wenn Boden und Witterung es erlauben“, sagt Christine Scherer von der bayerischen Gartenakademie. Bei Frost, wie es ihn in der Nacht auf Donnerstag regional geben dürfte, reicht eine Abdeckung mit einem Gartenvlies. Empfindlichere Kulturen wie Tomaten, Paprika, Gurken oder Zucchini sollten aber erst nach den Eisheiligen gepflanzt werden.