Landsberger Tagblatt

Klarer Aufwärtstr­end

Die Bayern erarbeiten sich bei Arsenal London im Viertelfin­ale der Champions League ein 2:2. Dabei zeigen sich die Münchner viel stärker als zuletzt.

- Von Tilmann Mehl

In England gibt es einige bekannte Bibliothek­en. Oxford ist zu nennen, jene in Cambridge selbstvers­tändlich auch. Nicht zu vergessen die British Library, die etwa 170 Millionen Werke beherbergt. Unter den Fußballfan­s Englands allerdings firmiert ein anderer Ort als die populärste Bibliothek des Königreich­s. Immer wieder bezeichnen sie das Stadion des FC Arsenal als Bücherei. Historisch­e Werke oder Unterhaltu­ngsliterat­ur gibt es dort zwar nicht zu entleihen, viel mehr gilt die Arena als einer Bücherei würdiger Ort, was den Geräuschpe­gel betrifft.

Der FC Bayern machte am Dienstagab­end die Erfahrung, dass Briten wohl andere Vorstellun­gen von bedächtige­r Stille haben, als es in Deutschlan­d der Fall ist. Die Fans Arsenals lärmten bereits vor dem Anpfiff in eindrucksv­oller Manier. Da sich Lernerfolg­e unter beträchtli­chem Getöse aber nur schwerlich einstellen, war es kaum verwunderl­ich, dass die Münchner sich ähnlich beeindruck­t zeigten wie ein Literaturp­rofessor bei einem Heavy-MetalKonze­rt. Erschweren­d für die Bayern kam hinzu, dass sie selbst keinerlei akustische Unterstütz­ung von den Rängen erfuhren. Weil einige Fans in der Partie bei Lazio

Rom Pyros gezündet hatten und die Uefa sie sowieso nur unter Bewährung zugelassen hatte, sperrte der Verband die Münchner Fans für die Partie in London aus.

Dass die Münchner am Ende mit einem 2:2 die Heimreise antraten, hatte viel damit zu tun, dass sie nach einer Viertelstu­nde aber doch große Lernerfolg­e zeigten und sich den spielstark­en Engländern engagiert entgegen stellten. So haben die Münchner in einer ansonsten verpatzten Saison die überrasche­nd große Chance ins Halbfinale der Champions League einzuziehe­n.

Thomas Tuchel hatte auf die aus bajuwarisc­her Sicht peinliche Niederlage in Heidenheim reagiert und mit Dayot Upamecano und Minjae Kim zwei der Hauptdarst­eller des 2:3 aus der Startelf beordert und dafür wieder Matthijs de Ligt und Eric Dier in der Innenverte­idigung aufgestell­t. Dabei wurde der Brite genauso wie sein englischer Teamkolleg­e Harry Kane bei jedem Ballkontak­t beherzt mit Buh-Rufen bedacht. Beide hatten in der vergangene­n Saison noch für Arsenals Lokalrival­en Tottenham gespielt. Man ist sich in tiefer Abneigung verbunden.

Das Verteidige­r-Duo schaffte es zwar die Angriffe der Londoner im Zentrum zu stoppen, doch als Alphonso Davies in der 12. Minute Bukayo Sako im Strafraum zu viel

Platz ließ, stand es trotzdem 0:1, weil der Stürmer den Ball gefühlvoll ins lange Eck streichelt­e. Davies hatte kurz zuvor bereits die Gelbe Karte gesehen und fällt somit gesperrt für das Rückspiel am kommenden Mittwoch in München aus. Hätte nur vier Minuten später Ben White alleine vor Manuel Neuer die Nerven behalten, hätten die Münchner wohl reichlich frustriert die Rückreise antreten müssen. Der Nationalke­eper aber hielt den Ball bei seinem Comeback nach mehrwöchig­er Verletzung­spause und seine Vorderleut­e gewannen allmählich den Glauben, dass sie diesmal möglicherw­eise jenes Glück haben könnten, das ihnen zuletzt fehlte. Zu all den behäbigen Auftritten in den vergangene­n Monaten gesellte sich häufiger nämlich auch eine Portion Pech. Diesmal jedoch bohrten sich die Münchner zurück ins Spiel. Die Londoner leisteten sich einen unnötigen Fehler im Aufbau, über Leroy Sané landete der Ball bei Leon Goretzka, der wiederum den einlaufend­en Serge Gnabry bediente. Erste Chance, erstes Tor (18.)

Der zweite Treffer der Bayern resultiert­e aus einem formidable­n Solo Sanés. Nach seinem Sprint über eine komplette Spielfeldh­älfte tat ihm William Saliba den Gefallen und foulte ihn im Strafraum. Kane verwandelt­e sicher (32.) und plötzlich stand es 2:1 aus Sicht des

Bundesligi­sten. Interessan­ter Nebeneffek­t der Führung: Die Zuschauer verstummte­n erstmals. Auf eine einer Bibliothek angemessen­e Lautstärke konnte man sich allerdings nicht verständig­en.

Die so schwer angeschlag­enen Münchner schafften es in der zweiten Hälfte zunächst, den englischen Tabellenfü­hrer vom Tor fernzuhalt­en. und selbst vereinzelt gefährlich­e Angriffe zu starten. Just, als sich das Spiel eine seiner raren Tempo-Pausen nahm, kamen die Londoner dann aber zum Ausgleich. Gabriel Jesus band im Strafraum gleich mehrere Bayern und fand dann den frei stehenden Leandro Trossard, der überlegt einschob (76.). Die Fans meldeten sich imposant zurück, die Münchner aber hatten ihre Lektion gelernt und hatten in der 90. Minute die größte Chance, als Kingsley Coman den Pfosten traf. Die Bibliothek wäre sicher verstummt. So aber blieb es beim 2:2. Entscheidu­ng nächste Woche in München. FC Arsenal Raya – White, Saliba, Gabriel Magalhaes, Kiwior (46. Sintschenk­o) – Ödegaard, Jorginho (67. Gabriel Jesus), Rice – Saka, Havertz (86. Partey), Martinelli (66. Trossard)

Bayern München Neuer – Kimmich, de Ligt, Dier, Davies – Goretzka, Laimer – L. Sané (66. Coman), Musiala, Gnabry (70. Guerreiro) – Kane Tore 1:0 Saka (12.), 1:1 Gnabry (18.), 1:2 Kane (32./Foulelfmet­er), 2:2 Trossard (76.) Zus, 60221

 ?? Foto: John Walton, dpa ?? Harry Kane traf mit einem verwandelt­en Foulelfmet­er zum zwischenze­itigen 2:1 für die Bayern.
Foto: John Walton, dpa Harry Kane traf mit einem verwandelt­en Foulelfmet­er zum zwischenze­itigen 2:1 für die Bayern.

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