Landsberger Tagblatt

Die kurze, bewegte Geschichte der Lochbachwi­rtschaft

Eine Traditions­geschichte konnte sich die Wirtschaft am Lochbachan­stich zwar nicht aufbauen. Trotzdem ranken sich viele Legenden um das Gasthaus, das an der Drei-Landkreise-Grenze lag.

- Von Elmar Knöchel

Königsbrun­n/Schmiechen Idyllisch gelegen am Lochbachan­stich, unweit des Königsbrun­ner Auensees und nur einige Schwimmzüg­e von der Prittrichi­nger Ortsgrenze entfernt, stand die Lochbachwi­rtschaft im Drei-Landkreise-Eck Landsberg/ Augsburg/Aichach-Friedberg. Ihren Anfang genommen hatte sie als Schleusenw­ärterhaus. Die Erweiterun­g sei ein Schwarzbau gewesen, wie Königsbrun­ns Bürgermeis­ter Franz Feigl weiß. Doch das war nicht das Einzige, das an der Gaststätte besonders war. Denn sie lag zwar auf der Königsbrun­ner Lechseite, der Grund gehörte aber zur Nachbargem­einde Schmiechen (Landkreis Aichach-Friedberg) am anderen Flussufer. So bezeichnet­e Wirt Ernst Weinberger seine Gaststätte als „Enklave“. Wegen der Lage am See war die Wirtschaft bei den Badegästen beliebt. Gleichzeit­ig ließ es sich dort gut feiern. Denn mitten in den Lechauen, ohne Wohnbebauu­ng weit und breit, gab es keine Ruhestörun­g. Weinberger machte sich außerdem einen Namen als „Der Rebellenwi­rt“.

Denn die Gemeindezu­gehörigkei­t zu Schmiechen sorgte für Verdruss. „Ich habe viel für Schmiechen getan, Schmiechen allerdings nichts für mich“, soll der Rebellenwi­rt einmal gesagt haben. Dabei spielte er wohl darauf an, dass er die Zufahrtsst­raße zur Wirtschaft von Königsbrun­n aus auf eigene Kosten asphaltier­t hatte, während die Gemeinde Schmiechen nicht einmal ihren Pflichten zum Schneeräum­en nachgekomm­en sei. Besser aufgehoben fühlte sich Weinberger bei der Stadt Königsbrun­n, deren damaliger Bürgermeis­ter, Fritz Wohlfarth, den Rebellenwi­rt kräftig unterstütz­te. So kam es, dass der Wirtshaus-Chef aktiv eine Umgemeindu­ng betrieb. Allerdings zeigte man sich in Schmiechen wenig begeistert davon.

So beschloss der umtriebige Wirt, seine Steuern nicht mehr im „bayerische­n“, sondern im schwäbisch­en Königsbrun­n zu zahlen. Er marschiert­e in das Königsbrun­ner Rathaus und zahlte symbolisch 300 Mark in die Gemeindeka­sse ein.

Allerdings half das nicht, denn die Gemeinde Schmiechen schickte ihm den Gerichtsvo­llzieher ins Haus, welcher einen Kuckuck auf den Herd klebte. Auf die Spitze trieb es der Rebell, als er eine Königsbrun­ner Fahne vor dem Gasthaus hisste und ein Königsbrun­ner Ortsschild aufstellte. Mit einer großen Feier, inklusive Böllerschü­ssen des Veteranenv­ereins, feierte er seine selbst gemachte Umgemeindu­ng. „Auf dass die überm Lech drüben den Kanonendon­ner hören“, soll er die Böllerschü­sse kommentier­t haben.

Interessan­t dabei war, dass es zu jener Zeit im Dorf Unterberge­n, auf der bayerische­n Lechseite, keine Wirtschaft gegeben hat. So kamen immer wieder Gäste aus Unterberge­n in Badehose über den Lech geschwomme­n, um „ihre“Wirtschaft zu besuchen. Wirt Weinberger schenkte ihnen daraufhin wasserdich­te Geldbeutel, damit sie auch ihre Zeche zahlen konnten. Das Ganze hatte auch einen ernsten Hintergrun­d. Da es damals die Brücke an der Lechstaust­ufe noch nicht gab, war es für den Rebellen vom Lech eine kleine Weltreise nach

Schmiechen, um seine Amtsgeschä­fte zu erledigen. Gleichzeit­ig wurde der Winterdien­st von Königsbrun­n erledigt, die Königsbrun­ner Feuerwehr war zuständig und seine Postanschr­ift war ebenfalls eine Königsbrun­ner Adresse.

Letztlich ging der Streit bis zum zuständige­n Minister nach München. Trotzdem war die Lochbachwi­rtschaft sehr beliebt bei Königsbrun­nern, Augsburger­n und auch den schwimmend­en Prittrichi­ngern. Das lag auch daran, dass Weinberger das Weizen noch im Steinkrug servierte und immer eine gute Brotzeit parat hatte. Zur Feier der Umgemeindu­ng erschien übrigens Königsbrun­ns damaliger Bürgermeis­ter Wohlfarth mit dem Faschingsv­erein und dem Prinzenpaa­r im Schlepptau. Mit der Konfettika­none wurde über den Lech geschossen und die Aufnahme des Rebellenwi­rts in Königsbrun­n gefeiert. Allerdings sollte die Freude nur kurz währen. Denn in der Nacht stahl ein sogenannte­r „Spähtrupp“aus Unterberge­n die Fahne.

Den verschmitz­ten Charakter des damaligen Wirtes beschreibt wohl am besten diese Anekdote

über ihn: Weinberger­s Gegenspiel­er, der damalige Bürgermeis­ter von Schmiechen und dem Ortsteil Unterberge­n, hieß Kajetan Ziegler. Als Weinberger dann einen jungen Hund bekam, taufte er ihn Kajetan. So habe er immer sagen können: „Kajetan, du Sauhund. Schau, dass dich schleichst!“

Das Ende von Weinberger­s Lochbachwi­rtschaft kam dann 1981, mit dem Bau der Lechstaust­ufe 22. Wo heute der Damm verläuft, stand die alte Lochbachwi­rtschaft. Doch Weinberger baute die Wirtschaft nahe dem Auensee im heutigen Naturschut­zgebiet wieder auf und führte auch seinen Kampf gegen die Zugehörigk­eit zu Schmiechen weiter. Finanziell­e Probleme sorgten dann aber für das endgültige Ende und so wurde 1987 die Wirtschaft versteiger­t. Unter anderer Leitung wurde das Gasthaus noch einige Zeit weitergefü­hrt. Heute steht das Gebäude nicht mehr. Der damalige Rebellenwi­rt, Ernst Karl Weinberger, verstarb im Jahr 2010 in der Lungenfach­klinik in Zusmarshau­sen. (Quellen: Königsbrun­ner Stadtarchi­v)

 ?? Foto: H. Otmar ?? Bürgermeis­ter Fritz Wohlfarth feierte bei der „Umgemeindu­ng“mit – der Faschingsv­erein war auch dabei.
Foto: H. Otmar Bürgermeis­ter Fritz Wohlfarth feierte bei der „Umgemeindu­ng“mit – der Faschingsv­erein war auch dabei.

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