Gospelchor nimmt Abschied
Der Landsberger Chor „thesweet60s“erinnert mit einem Gedenkgottesdienst an seinen im Januar verstorbenen Gründer Charles Logan. Der Amerikaner hat das Ensemble zehn Jahre lang geleitet.
Die Glocken der evangelischen Christuskirche in Landsberg läuten, als die Mitglieder des Gospelchors durch den Mittelgang einziehen. Gekleidet in festlichem Schwarz mit weißen Schals und Krawatten stellen sie sich vor dem Altar auf. Die Kirche ist an diesem Freitag gut gefüllt, auch Logans Frau und sein Sohn sind gekommen. Als die Glocken verklingen, ist es für einen Moment vollkommen ruhig. Dann durchbricht der erste Klavierton die Stille. „Oh, freedom“, beginnt der Chor.
So wie der Chor an diesem Tag dort steht, hätte es ihn ohne seinen Gründer Charles Logan nie gegeben. Im Jahr 2008 hatte dieser die Idee, einen Gospelchor für Senioren ab 60 Jahren zu gründen. Der in New York geborene Logan kam 1986 zum ersten Mal nach Deutschland, wo er durch verschiedene Musical-Rollen bekannt wurde. 2018 kehrte der Operntenor aus familiären Gründen in die Vereinigten Staaten zurück, wo er im Januar im Alter von 66 Jahren verstarb.
Als Logan damals zum ersten Mal ins Pfarrbüro gekommen sei, habe er viel mitgebracht, erinnert sich der Ruhestandspfarrer Detlev Möller in seiner Trauerrede. Der Weg des Musikers sei nicht immer einfach gewesen. Doch er habe einen Plan gehabt und einen Gospelchor gründen wollen, für Menschen über 60. „Spirituals sind Lieder, die aus der Tiefe kommen und das Leben kennen“, bemerkt Möller. Das passe zu Menschen, die mit 60 oder 70 gerade aus dem Berufsleben ausgeschieden seien und sich fragten, was sie mit sich anfangen sollten.
Viele Menschen in diesem Alter litten an chronischen Krankheiten, die Einsamkeit lauere und die Frage, wie lange man selbst noch da sei. In dieser Situation habe Logan eintauchen, Mut machen und Kraft geben wollen. Damit sei er auf große Resonanz gestoßen. Die Menschen seien gekommen, der Chor rasch gewachsen. „Sie hingen an deinen Lippen. Du hast sie
begeistert“, würdigt Möller den verstorbenen Chorleiter.
Er lässt frühere Gemeindefeste Revue passieren, erzählt, wie der Chor den Menschen immer ein Gefühl von Aufbruch und Ermutigung gegeben habe. Es habe eine klare Ordnung gegeben: Charles Logan am Keyboard, der Chor hier und der Pfarrer dort drüben, deutet Möller im Raum. Jetzt sei diese Symmetrie kaputt. „Ich spüre den Riss, den du hinterlässt“, spricht er an Logan gewandt. Aber dieser Riss zerreiße nicht die Erinnerungen. Er mache sie fester, kostbarer und wertvoller.
Voller Dankbarkeit erinnere er sich daran, wie Logan auf seinem Geburtstag gesungen habe, so Möller. Und auch an die zahlreichen Gespräche in seinem Büro, in
denen er Logan als neugierigen Menschen, der auf Gerechtigkeit aus war, habe erleben dürfen. „Jetzt bist du tot. Das macht mich traurig“, sagt Möller mit tränenerstickter Stimme. Er spüre die Leere, die Logan hinterlassen habe, aber auch die Musik. „Du warst ein fantastisches Geschenk. Wir werden dich nie vergessen“, schließt er: „Thank you very much, my friend.“
Im Chor, der den Gottesdienst mit Gospelsongs begleitet, kämpfen einige Mitglieder mit den Tränen, als sie zu „Hallelujah“ansetzen. Auch „You raise me up“, „Amazing Grace“und „Be still for the Presence of the Lord“werden im Gottesdienst voll Kraft und Harmonie dargeboten. Logan habe dem Chor gesagt, Gospelmusik
müsse man nicht nur singen, man müsse sie leben, erzählt der stellvertretende Vorsitzende des Chors, Pit Hinze.
In einem Video darf auch Logan selbst bei seinem Gedenkgottesdienst noch einmal singen. Im „Vaterunser“in der gesungenen Gospelversion strahlt die musikalische Leidenschaft des Tenors durch die Leinwand. Mit großen Gesten dirigiert er Klavier und Chor und als der Chor im Video in das Lied einstimmt, sieht man förmlich, wie die Begeisterung von Logan auf die „sweet60s“überspringt.
So kann wohl jeder nachvollziehen, was Hinze meint, wenn er sagt, es sei Charles Logan gewesen, der dem Chor die „Gene der Überzeugung und Begeisterung in
die Wiege gelegt“habe, die ihn heute ausmachten.
„thesweet60s“seien Logan sehr dankbar, denn es sei ein mutiger Schritt gewesen, einen Chor mit Menschen ab 60 zu gründen, erklärt Hinze. In diesem Alter werde man bei anderen Chören eher abgewiesen. Charles Logan habe den Chor auf eine empathische und emotionale Weise geleitet und die Mitglieder mitgenommen. „Er war Mister Gospel“, beschreibt Hinze den ehemaligen Chorleiter. Und so habe er Gospel auch als seine missionarische Aufgabe begriffen. „Gospelmusik ist die Nahrung unserer Seele“und sie verbinde auch über den Tod hinaus, ist sich der stellvertretende Vorsitzende sicher. Im Chor werde Charles Logan immer weiterleben.