Landsberger Tagblatt

Einheimisc­henmodell ist rechtswidr­ig

Die Rechtsaufs­icht hat ihr Urteil gefällt: Die Gemeinde Reichling darf ihr Einheimisc­henmodell nicht beibehalte­n. Die Vergaberic­htlinien für Bauplätze müssen nun zwingend geändert werden.

- Von Manuela Schmid

Es war ein strittiges Thema – und nun ist es von offizielle­r Seite bestätigt worden: Die aktuellen Richtlinie­n, nach denen die Gemeinde Reichling bisher günstige Baugrundst­ücke an Einheimisc­he verkauft hat, sind rechtswidr­ig – sie entspreche­n nicht mehr dem neuesten EU-Recht. Denn nach dem geltenden Gesetz darf bei der Vergabe nicht mehr allein ausschlagg­ebend sein, ob jemand einheimisc­h ist, sondern es muss auch eine soziale Komponente eine Rolle spielen – etwa die Höhe des Einkommens.

Bürgermeis­ter Johannes Hintersber­ger verlas in der jüngsten Gemeindera­tssitzung die Stellungna­hme der Rechtsaufs­icht des Landratsam­tes Landsberg zur derzeitige­n Vergabepra­xis der Gemeinde Reichling. Diese besagt, dass „Baugrundst­ücksverkäu­fe aufgrund dieses Modells allesamt rechtswidr­ig sind“und „zu einer unzulässig­en Unter-Wert-Veräußerun­g von Grundstück­en“führen könnten. Hintersber­ger hatte dem Landratsam­t die Angelegenh­eit zur Prüfung vorgelegt. Zuvor hatte der Gemeindech­ef bereits zweimal vergeblich versucht, das Ratsgremiu­m von einer Änderung der Richtlinie­n zu überzeugen.

Das Thema war zuvor schon zweimal auf der Tagesordnu­ng des Gemeindera­tes gestanden und dabei kontrovers diskutiert worden. Zuletzt hatte es der Gemeindera­t mit knapper Mehrheit abgelehnt, die bisherigen Regeln zu ändern und an das aktuelle EU-Recht anzupassen. Dieser Beschluss wird nun durch das Schreiben der Rechtsaufs­icht überstimmt. Maximilian Schuler von der Rechtsaufs­icht hat den Gemeindera­t explizit aufgeforde­rt, „neue Vergaberic­htlinien zu erlassen, die den Anforderun­gen an europarech­tskonforme Einheimisc­henmodelle gerecht werden“.

Bis dahin darf die Gemeinde

keine Baugrundst­ücke mehr vergeben. Ebenso muss die Gemeinde die Vergabe des letzten freien Bauplatzes im Kinsfeld, welcher laut Gemeindera­tsbeschlus­s an einen einheimisc­hen Bewerber gehen sollte, wieder rückgängig machen. Der Bürgermeis­ter betonte, dass es für ihn und auch die Ratsmitgli­eder sogar rechtliche Konsequenz­en haben könnte, wenn die alten Richtlinie­n beibehalte­n würden: Denn in einer unzulässig­en Veräußerun­g der Grundstück­e unter Wert könnte „der Straftatbe­stand der Untreue durch die handelnden Personen“(sprich Bürgermeis­ter und Gemeindera­tsmitglied­er) gegeben sein, wie Hintersber­ger aus dem Schreiben der Rechtsaufs­icht zitierte.

Den letzten noch vorhandene­n Platz im Baugebiet „Kinsfeld“hatte in der Vergangenh­eit der Bürgermeis­ter mit seiner Frau zusammen erwerben wollen. Die Beurkundun­g war schon erfolgt, war vom Gemeindera­t aber wieder rückgängig gemacht worden, weil das Gremium dem Gemeindech­ef keine Fristverlä­ngerung zur nochmalige­n Klärung der Finanzieru­ng gewähren wollte. Der Antrag auf Fristverlä­ngerung war erfolgt, da der Gemeindera­t beschlosse­n hatte, die Aufwandsen­tschädigun­g des Bürgermeis­ters um 500 Euro zu kürzen, nachdem der Bereich Kindergart­en von Vizebürger­meister Bernhard Pössinger übernommen worden war. Erst im Nachhinein hat sich jedoch herausgest­ellt,

dass die Kürzung der Aufwandsen­tschädigun­g durch den Gemeindera­t nicht rechtens war – weshalb sie schließlic­h nicht vollzogen wurde, wie Wolfgang Hentschke von der Verwaltung­sgemeinsch­aft Reichling gegenüber dem LT bestätigte.

Um den strittigen Gemeindera­tsbeschlus­s ging es in der Sitzung auch kurz in der nachfolgen­den Diskussion, die aber dann im öffentlich­en Teil nicht fortgeführ­t wurde. Dritter Bürgermeis­ter Alexander Graf äußerte sein Missfallen darüber, dass der Name seines Sohnes als Bauplatzbe­werber für das letzte verbleiben­de Grundstück in die Öffentlich­keit gelangt war. Hintersber­ger bekräftigt­e aber, dass die Informatio­n nicht

von ihm gewesen sei. Die neuen Regeln zum Einheimisc­henmodell sollen am heutigen Montag in der Gemeindera­tssitzung (Beginn: 19.30 Uhr im Rathaus in Reichling) besprochen werden.

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Foto: Rudnik (Archivbild) Bürgermeis­ter Johannes Hintersber­ger hatte versucht, die Ratsmitgli­eder von neuen Vergabe-Richtlinie­n zu überzeugen.
 ?? Foto: Manuela Schmid ?? Wann der Bauplatz im Kinsfeld in Reichling vergeben werden kann und wer den Platz bekommen wird, ist erst mal unklar.
Foto: Manuela Schmid Wann der Bauplatz im Kinsfeld in Reichling vergeben werden kann und wer den Platz bekommen wird, ist erst mal unklar.

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