Lindauer Zeitung

Sehnsucht nach Gaddafi

- Von Christoph Plate c.plate@schwaebisc­he.de

Es ist nur zu verständli­ch, dass die europäisch­en Staats- und Regierungs­chefs – zumal vor sehr wichtigen Wahlen in den kommenden Monaten – Lösungen für das finden wollen, was man gemeinhin als Flüchtling­skrise bezeichnet. Nur sind die Beschlüsse beim Treffen der 28 auf Malta weniger Lösungen als Erste-Hilfe-Einsätze. Es braucht aber schwierige Operatione­n und aufwendige Genesungsp­rogramme.

Der ehemalige Bundesauße­nminister Frank-Walter Steinmeier und der deutsche UN-Diplomat Martin Kobler haben in den vergangene­n zwei Jahren versucht, in Libyen so etwas wie eine funktionie­rende Regierung herbeizuve­rhandeln und dabei zu helfen, eine funktionie­rende staatliche Ordnung aufzubauen. Früher gab es in Libyen einen Diktator. Den mochte man zwar nicht, mit ihm konnte man sich aber darauf verständig­en, dass Flüchtling­e, die von der libyschen Küste über das Mittelmeer fahren wollten, von den libyschen Sicherheit­skräften daran gehindert wurden. Muammar al-Gaddafi ließ sich diese Dienstleis­tung honorieren. Auch wenn es niemand beim Gipfel auf Malta ausspreche­n würde, waren die Zeiten mit dem Diktator für die europäisch­e Flüchtling­spolitik wesentlich einfacher.

Es hat in den vergangene­n Monaten immer wieder Überlegung­en deutscher, österreich­ischer und anderer europäisch­er Politiker gegeben, etwa in Nordafrika große Flüchtling­scamps zu schaffen. Dort sollten dann Fluchtwill­ige ihre Asylanträg­e stellen können. Solche Vorschläge mögen bei manchem Wähler gut ankommen, sie sind aber ganz und gar nicht umsetzbar in einem Land wie Libyen, das von verschiede­nen Milizen kontrollie­rt wird, und wo in Teilen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“ihr Unwesen treibt.

Schnellboo­te für die libysche Küstenwach­e bringen vor allem gute Bilder. Aber wie stabilisie­rt man einen Staat, der zu kollabiere­n droht, nur 400 Kilometer von der italienisc­hen Küste entfernt? Jetzt und in Zukunft wird es langfristi­ge Konzepte brauchen, die mehr sind als eine Notversorg­ung, wie sie jetzt auf Malta beschlosse­n wurde.

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