Zanderfilets im Hochsicherheitstrakt
Wenn Staatspräsidenten und Prominenz zum Bodensee Business Forum kommen, ist nicht nur die Polizei im Stress
FRIEDRICHSHAFEN - Ex-Präsident Christian Wulff, Bosniens früherer Staatspräsident Serbiens Tadic oder Musikerin Jule Neigel – sie sind nur drei von zahllosen Prominenten, die am Freitag zum Bodensee Business Forum in die Zeppelin Universität (ZU) Friedrichshafen gekommen sind. Damit dort einen Tag lang über Herausforderungen der Zukunft gesprochen werden kann, müssen schon Wochen zuvor Weichen gestellt werden. Vom Bundeskriminalamt bis zum Küchenchef wirft das Ereignis Schatten voraus.
Donnerstagabend, kurz vor 16 Uhr. Soeben haben Studenten der Zeppelin-Universität ihr Seminar für „empirische Sozialforschung“im Graf von Soden Forum im Neubau der Hochschule beendet. Auf den Stühlen, auf denen gerade noch über Statistik und Empirie gebrütet wurde, sollen knapp 18 Stunden später Hunderte Gäste und vor allem etliche bekannte Gesichter aus Politik und Kultur Platz nehmen. Doch noch sieht der Hörsaal aus, wie ein Hörsaal aussieht: Die Stühle ein wenig durcheinander, die Bühne für eine One-Man-Show von Professoren und Dozenten ausgelegt. Jetzt übernimmt Nina Frei die Regie.
Im Visier von Gegnern
Die 26-Jährige leitet das Eventmanagement der Universität. Für sie ist es eigentlich nicht ungewohnt, prominente Gesichter zu erblicken: Gottschalk war schon hier, Günther Jauch, Ex-Vizekanzler Klaus Kinkel, Theo Waigel. Doch diesmal ist alles ein bisschen anders. Zum Bodensee Business Forum hat sich gleich eine ganze Liste bekannter Namen aus Deutschland und der Welt angekündigt. Das Problem: Die Namen sind nicht nur bekannt, sondern auch im Visier von Gegnern. Dass ein Innenminister wie Thomas Strobl oder Linken-Spitzenmann Gregor Gysi nicht nur Freunde haben, dürfte bekannt sein. Im Vergleich zu Hamid Karsai, Ex-Staatspräsident in Afghanistan, dürften sie aber geradezu Beliebtheitsstars sein. Das bedeutet: Das Bodensee Business Forum muss besonders gesichert werden.
„Wir haben uns im Vorfeld mit dem Bundeskriminalamt, dem Landeskriminalamt und der Polizei abgestimmt“, sagt Frei. Deshalb sorgt sie am Donnerstagabend nicht nur dafür, dass Stühle und Tische für das Forum am richtigen Platz stehen oder dass genügend Mikrofone für Sprecher und Moderatoren im Saal sind. Frei und ihr Kollege Sascha Schmidt müssen auch etliche Sicherheitsauflagen erfüllen. So wird ein kompletter Trakt der Universität praktisch für das Business Forum abgetrennt. Nur überprüfte Gäste dürfen am Freitag ab 6 Uhr morgens in diesen Bereich kommen. Vorab haben Frei und Schmidt sämtliche Namen und Ausweisnummern von Gästen, Besuchern und Mitarbeitern, die ins Forum wollen, zur Überprüfung ans Bundeskriminalamt weitergeleitet. Auch ein Aufzug musste zum Beispiel außer Gefecht gesetzt werden, damit Unbefugte nicht aus dem Keller der Universität in den Sicherheitsbereich fahren können. Und dann wären da noch die Hunde.
Sensible Nasen prüfen
Freitag morgen, 6.30 Uhr. Noch drei Stunden bis zur Eröffnung des Bodensee Business Forums. Sprengstoffspürhunde des Polizeipräsidiums Konstanz haben jetzt im Hörsaal und im Sicherheitsbereich das Sagen. Hat jemand hier Waffen oder eine Bombe versteckt? Jeder Stuhl, jede Kiste, jede Ecke wird von den sensiblen Nasen überprüft. Erst wenn die Hunde sozusagen das Okay geben, können die Gäste zum Forum kommen. Die Tiere sind deshalb auch die letzten, die den großen Hörsaal und die anderen für das Forum reservierten Zimmer verlassen. Dann wird abgeschlossen und Sicherheitsleute postieren sich vor den Türen. Das letzte Wort in Sachen Sicherheit haben dann die Sicherheitsbehörden. Verantwortlich vor Ort ist zunächst die Polizei in Konstanz, die das Forum mit Personal sichert und zum Beispiel den ganzen Tag über für Polizeistreifen rund um die Universität sorgt. Unterstützung bekommen die Beamten von Personenschützern von BKA und Landeskriminalamt, die je nach Sicherheitsstatus der Gäste direkt in deren gepanzerten Limousinen vorfahren. Laut Informationen der „Schwäbischen Zeitung“soll Thomas Strobl derzeit den höchsten Gefährdungsgrad der Veranstaltungsgäste haben. Doch auch wenn ein früherer ausländischer Staatspräsident wie Hamid Karsai in der Theorie auf weniger Sicherheit Anrecht hat, muss die Polizei vor Ort über ihn wachen. Dabei bestimmt nicht gleich die Angst vor einem Attentat die Agenda der Sicherheitskräfte: „Wir fragen uns, ob sich jemand darauf einstellen könnte, die Veranstaltung zu stören – in welcher Form auch immer“, sagt Markus Sauter, Sprecher der Polizei.
Um in jedem Fall passend reagieren zu können, werden vorab etliche Details zu den Gästen, zum Ort der Veranstaltung und zum Ablauf abgefragt: „Will ein Gast ein Bad in der Menge“, sei so eine Frage, sagt Sauter. „Haben Sie schusssichere Scheiben an der Universität“ist eine andere, die Eventmanagerin Frei beantworten musste.
Das Unileben darstellen
Völlig unbeeindruckt von solchen Fragen tritt am Freitagmorgen um 7 Uhr auch Stephan Zupfer zum Dienst in der ZU an. Wenn er an Sicherheit denkt, weiß er nur, dass an diesem Tag mit Sicherheit Hunderte Studenten und zusätzlich Hunderte Gäste des Bodensee Business Forums um die Mittagszeit hungrig an seiner Mensa stehen werden. „Wir wollen hier das Unileben darstellen“, sagt der Küchenchef, der einst im Gourmet-Restaurant Waldhorn in Ravensburg arbeitete. Deshalb sollen sich sowohl hochrangige Gäste als auch normale Studenten zur Mittagszeit die Mensa teilen. In zwei Schichten zwar, aber an den selben Tischen. Klar ist: Heute muss es besonders schmecken.
45 Kilogramm Fleisch, 45 Kilogramm Fisch und rund 400 Eier hat Zupfer deshalb eingekauft um den Gästen aus Deutschland und aller Welt zu zeigen, was Schwäbische Küche ist. Zwiebelrostbraten mit hausgemachten Spätzle, Zanderfilets auf Rahmsauerkraut und Kässpätzle will Zupfer dafür vorbereiten. Mit gerade einmal acht Personen steht der Mensachef dabei in der Küche, in der bereits die Spätzle im heißen Wasser ziehen als draußen noch kein einziger Vortrag begonnen hat.
Um die Mittagszeit legt sich dann die Anspannung bei Zupfer und auch bei den Eventmanagern Frei und Schmidt und den Polizisten vor Ort. Die ersten Diskussionen und Referate im Hörsaal sind vorüber. Die Gäste schieben sich durch die Mensa, auch Ex-Präsident Christian Wulff steht brav in der Schlange. Praktisch ohne Zwischenfälle neigt sich das Bodensee Business Forum dann am Nachmittag dem Ende zu. Der Rückumbau des Hörsaals für die Studenten hat dann Zeit: Die nächste reguläre Vorlesung ist erst in einigen Tagen.