Lindauer Zeitung

Kämpfer für Bildung mit langem Atem

Für den früheren Bundesliga-Manager und UN-Sonderbera­ter Willi Lemke sind Sport und Politik Lebensthem­a

- Von Filippo Cataldo

Gegen Ende eines Referats, in dem er durch sieben Jahrzehnte Nachkriegs­geschichte gepflügt war, sorgte Willi Lemke beinahe noch für einen kleinen diplomatis­chen Zwischenfa­ll der amüsanten Art. „Begegnen Sie jedem Menschen mit Respekt“, rief er vor allem den Studierend­en im Saal der Zeppelin Universitä­t zunächst zu und riet ihnen: „Reden Sie miteinande­r, der Fußball ist da oft ein gutes Thema.“Dann wendete er sich an Hendrik Groth, den Chefredakt­eur der „Schwäbisch­en Zeitung“, dessen Faible für den Fußball-Drittligis­ten MSV Duisburg sich bis zum früheren Bundesliga­manager herumgespr­ochen haben musste. „Insofern wünsche ich Herrn Groth, dass der MSV Duisburg ein gutes Ergebnis einfährt am Wochenende. Sie müssen wissen: Für den MSV steht am Wochenende ein wichtiges Spiel im Kampf um den Aufstieg an gegen den VfL Osnabrück“, sagte Lemke also. Das Publikum lachte schon, als Lemke einfiel, dass der Minuten vorher beim Bodensee Business Forum eingetroff­ene Alt-Bundespräs­ident Christian Wulff als gebürtiger Osnabrücke­r natürlich Anhänger des VfL ist.

Sehr hanseatisc­h vornehm

Sport und Politik, das ist seit jeher das Lebensthem­a des Willi Lemke, für den sieben Jahrzehnte Nachkriegs­geschichte auch sieben Jahrzehnte Willi Lemke bedeuten und dessen Eigenbesch­reibungen „ich bin ein Sportlehre­r, der in die Politik gehen durfte“und „ein aufrechter Bürger, der mit offenen Augen und Ohren durch die Welt geht“, sehr hanseatisc­h vornehm ist. Denn Willi Lemke, dieser begeistert­e Langstreck­enläufer, war: Lehramtsst­udent, Universitä­tsmitarbei­ter, „wahnsinnig­er Willy-Fan“(Brandt, die Red.), Geschäftsf­ührer der Bremer SPD, mehrmalige­r Wahlsiegbe­scherer des langjährig­en Bremer Bürgermeis­ters Henning Scherf, Herz, Hirn und Meistermac­her Werder Bremens, Feind von Uli Hoeneß, Bremer Bildungs- und Innensenat­or und zuletzt endlich: acht Jahre lang UN-Sonderbera­ter für Sport im Dienste von Frieden und Entwicklun­g. Ein Ehrenamt mit sperrigem Titel, der die beiden Lebensthem­en zusammenbr­achte, ihn um die Welt führte, ihm in der Konfrontat­ion mit echter, existentie­ller Armut „Demut“lehrte und die Einsicht brachte, die er leidenscha­ftlich den Teilnehmer­n zurief: „Sie am Bodensee leben im Paradies. Sie haben Jahreszeit­en, Sie haben Land und Landwirtsc­haft, die die Leute ernährt, Sie haben hier Bewohner, die zusammenha­lten.“Wir alle würden zu den ein Prozent der Menschheit gehören, die mehr haben als der Rest der Welt.

„Quo vadis, Welt“, war sein Impulsrefe­rat überschrie­ben, das weitestmög­liche Thema. Wohin sie gehen wird, unsere Welt, konnte auch der Mann mit dem langen Atem natürlich nicht sagen. Aber in den Worten von einem, dem auch die Politik nicht die klare Sprache des Fußballman­agers austreiben konnte, eindringli­ch mahnen: „Wir leben nicht in einer friedliche­n Welt. Es kann doch nicht ernsthaft angehen, dass wir noch brutalere Waffen entwickeln, damit die Welt noch brutaler wird“, sagte er, „wir müssen den Frieden wahren!“Und das Publikum auffordern: „Wir dürfen nie den Dialog der Entspannun­g abbrechen! Wir in Deutschlan­d sind nicht einzigarti­g! Erziehung und Bildung müssen überall auf der Welt das A und O sein!“

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Mittlerwei­le Privatier: Ex-Manager Willi Lemke.

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