Kämpfer für Bildung mit langem Atem
Für den früheren Bundesliga-Manager und UN-Sonderberater Willi Lemke sind Sport und Politik Lebensthema
Gegen Ende eines Referats, in dem er durch sieben Jahrzehnte Nachkriegsgeschichte gepflügt war, sorgte Willi Lemke beinahe noch für einen kleinen diplomatischen Zwischenfall der amüsanten Art. „Begegnen Sie jedem Menschen mit Respekt“, rief er vor allem den Studierenden im Saal der Zeppelin Universität zunächst zu und riet ihnen: „Reden Sie miteinander, der Fußball ist da oft ein gutes Thema.“Dann wendete er sich an Hendrik Groth, den Chefredakteur der „Schwäbischen Zeitung“, dessen Faible für den Fußball-Drittligisten MSV Duisburg sich bis zum früheren Bundesligamanager herumgesprochen haben musste. „Insofern wünsche ich Herrn Groth, dass der MSV Duisburg ein gutes Ergebnis einfährt am Wochenende. Sie müssen wissen: Für den MSV steht am Wochenende ein wichtiges Spiel im Kampf um den Aufstieg an gegen den VfL Osnabrück“, sagte Lemke also. Das Publikum lachte schon, als Lemke einfiel, dass der Minuten vorher beim Bodensee Business Forum eingetroffene Alt-Bundespräsident Christian Wulff als gebürtiger Osnabrücker natürlich Anhänger des VfL ist.
Sehr hanseatisch vornehm
Sport und Politik, das ist seit jeher das Lebensthema des Willi Lemke, für den sieben Jahrzehnte Nachkriegsgeschichte auch sieben Jahrzehnte Willi Lemke bedeuten und dessen Eigenbeschreibungen „ich bin ein Sportlehrer, der in die Politik gehen durfte“und „ein aufrechter Bürger, der mit offenen Augen und Ohren durch die Welt geht“, sehr hanseatisch vornehm ist. Denn Willi Lemke, dieser begeisterte Langstreckenläufer, war: Lehramtsstudent, Universitätsmitarbeiter, „wahnsinniger Willy-Fan“(Brandt, die Red.), Geschäftsführer der Bremer SPD, mehrmaliger Wahlsiegbescherer des langjährigen Bremer Bürgermeisters Henning Scherf, Herz, Hirn und Meistermacher Werder Bremens, Feind von Uli Hoeneß, Bremer Bildungs- und Innensenator und zuletzt endlich: acht Jahre lang UN-Sonderberater für Sport im Dienste von Frieden und Entwicklung. Ein Ehrenamt mit sperrigem Titel, der die beiden Lebensthemen zusammenbrachte, ihn um die Welt führte, ihm in der Konfrontation mit echter, existentieller Armut „Demut“lehrte und die Einsicht brachte, die er leidenschaftlich den Teilnehmern zurief: „Sie am Bodensee leben im Paradies. Sie haben Jahreszeiten, Sie haben Land und Landwirtschaft, die die Leute ernährt, Sie haben hier Bewohner, die zusammenhalten.“Wir alle würden zu den ein Prozent der Menschheit gehören, die mehr haben als der Rest der Welt.
„Quo vadis, Welt“, war sein Impulsreferat überschrieben, das weitestmögliche Thema. Wohin sie gehen wird, unsere Welt, konnte auch der Mann mit dem langen Atem natürlich nicht sagen. Aber in den Worten von einem, dem auch die Politik nicht die klare Sprache des Fußballmanagers austreiben konnte, eindringlich mahnen: „Wir leben nicht in einer friedlichen Welt. Es kann doch nicht ernsthaft angehen, dass wir noch brutalere Waffen entwickeln, damit die Welt noch brutaler wird“, sagte er, „wir müssen den Frieden wahren!“Und das Publikum auffordern: „Wir dürfen nie den Dialog der Entspannung abbrechen! Wir in Deutschland sind nicht einzigartig! Erziehung und Bildung müssen überall auf der Welt das A und O sein!“