Gabriel auf der Suche nach Verbündeten
Der neue Außenminister betont in den USA die transatlantische Partnerschaft
WASHINGTON - Als sich Sigmar Gabriel in der Residenz des deutschen Botschafters hinter ein Mikrofon stellt, um eine Bilanz seiner Reise nach Washington zu ziehen, sagt er, was man so sagt nach einem Antrittsbesuch. „Gute Gespräche“, „guter Start“, „große Bandbreite gemeinsamen Verständnisses“: Die Floskeln, die er aneinanderreiht, sind als Beruhigungspillen in Zeiten heftiger Irritationen gedacht. Er versuche, angesichts großer Verunsicherung eine Gesprächsgrundlage mit dem Kabinett Donald Trumps zu finden, sagt der neue deutsche Außenminister.
Weniger diplomatisch formuliert, sucht er Verbündete im Machtzirkel Trumps, mit denen sich der Einfluss der populistischsten Nationalisten um den Chefstrategen Stephen Bannon eingrenzen lässt. In Mike Pence und Rex Tillerson, dem Vizepräsidenten und dem Außenminister, glaubt er, sie gefunden zu haben. Mit Trump gebe es zwar Differenzen beim Thema Einwanderung, beim Blick auf die EU, beim Konflikt in der Ukraine und bei der Haltung zu Russland, sagt Gabriel. In den Gesprächen mit Pence und Tillerson sei davon allerdings nichts zu spüren gewesen.
Versuch der Schadensbegrenzung
Es ist nicht so, dass sich Gabriel Illusionen hingäbe. Wenn man ihn richtig versteht, weiß er genau, dass es der Präsident ist, der die Richtung vorgibt und die anderen danach handeln. Gabriel bescheinigt sowohl Pence als auch Tillerson, ein starkes Interesse am Ausbau der transatlantischen Beziehungen zu haben. Ein wenig klingt es nach Wunschdenken, auf alle Fälle nach einem subtilen Versuch der Schadensbegrenzung.
Beim Vizepräsidenten war Gabriel der erste ausländische Besucher, beim Außenminister der zweite nach Abdullah II., dem König Jordaniens. Hinterher witzelt Gabriel über die Begegnung mit Tillerson, der erst wenige Stunden zuvor sein Amt angetreten hatte, sie beide seien „the New Kids on the Block“, die neuen Bewohner im Viertel. Der Ex-Manager des Ölkonzerns Exxon Mobil gilt als Anhänger des Freihandels. Gabriel beschreibt ihn als einen Profi, der genau wisse, wie eng verflochten internationale Wertschöpfungsketten längst sind, etwa beim Automobilbau, wo Zulieferungen ganz selbstverständlich Grenzen überschreiten, ohne dass ein Staat Zölle auf sie erhebt.
Ein Emissär des Exportriesen Deutschland, der die Vorzüge der Globalisierung predigt, das scheint der Zweck der Übung zu sein. Andererseits thematisiert Gabriel das große Ganze, „universelle Werte“, ein „festes Wertegerüst“. Als er sich durch die Bibliothek des US-Kongresses führen lässt, betrachtet er ein Werk des aus dem Rheinland stammenden Demokraten Carl Schurz. Der war nach der Revolution von 1848 in die Neue Welt emigriert, wo er es bis zum Innenminister brachte. „Schurz war also politischer Flüchtling?“, erkundigt sich Gabriel beim Bibliothekar. Schon die Frage darf man vor dem Hintergrund von Trumps Einreisepolitik als politisches Statement verstehen: Seht her, dies war mal das Land, in dem Fliehende eine neue Heimat fanden!