Plan gegen illegale Migration über das Mittelmeer
Merkel sieht noch „sehr viel Arbeit“auf EU zukommen
BRÜSSEL/VALLETTA - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht trotz des beschlossenen Zehn-Punkte-Plans gegen die illegale Migration über das Mittelmeer „noch sehr, sehr viel Arbeit“auf die EU zukommen. Mit dem Treffen der Staats- und Regierungschefs in Malta nehme die Bekämpfung der Fluchtursachen aber konkretere Formen an, sagte Merkel. Gleichzeitig drangen Merkel und ihre Kollegen auf Einigkeit. „Europa hat sein Schicksal selbst in der Hand“, sagte Merkel. Etliche der EUPolitiker gingen offen auf Distanz zum US-Präsidenten Donald Trump.
Die 28 europäischen Staats- und Regierungschefs hatten sich bei ihrem Sondergipfel in Malta auf einen Zehn-Punkte-Plan geeinigt, der ähnliche Erfolge bringen soll wie der Pakt mit der Türkei. Während auf der Westbalkanroute weniger Flüchtlinge nach Europa gelangen als 2015, stieg deren Zahl auf der gefährlicheren Mittelmeerroute sprunghaft an. Deshalb soll die Zusammenarbeit mit afrikanischen Transit- und Herkunftsländern intensiviert werden. Die Flüchtlingsroute von Libyen nach Italien soll abgeriegelt werden.
Die Teilnehmer waren sich darin einig, dass die EU legale Einwanderungsmöglichkeiten öffnen müsse und eine humanitäre Verantwortung für die 350 000 in Libyen gestrandeten Flüchtlinge habe. Die Malta-Erklärung legt fest, dass die bis 2020 eingeplante EU-Entwicklungsförderung von 31 Milliarden Euro vorrangig für Projekte bereitstehen soll, die den Migrationsdruck mindert. Hinzu kommen knapp zwei Milliarden Euro aus dem EU-Afrika-Fonds. Für dringende Maßnahmen im laufenden Jahr habe die EU-Kommission 200 Millionen Euro bereitgestellt.
Aufbauend auf der Erfahrung der Küstenschutz- und Seenot-Operation Sophia sollen libysche Grenzschützer ausgebildet und mit Ausrüstung zur Küstenüberwachung und zur Seenotrettung ausgestattet werden. Die EU arbeitet dabei mit der libyschen Regierung zusammen, deren Ministerpräsident Fayez Mustafa al-Sarraj zu Gesprächen in Brüssel war. Da die Regierung aber nur Teile des Landes kontrolliert, versucht die EU auch mit lokalen Clanchefs ins Geschäft zu kommen. Ihnen wird finanzielle Förderung in Aussicht gestellt, wenn sie sich um Flüchtlinge kümmern und sie an der Weiterreise Richtung Küste hindern. Die EU versucht ferner entlang der großen Flüchtlingsrouten Informationskampagnen zu starten, die die Menschen über die Gefahren und die geringen Chancen für eine Einwanderung nach Europa aufklären.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren die EU-Maßnahmen als menschenverachtend. „Recht und Gesetz sind in Libyen zusammengebrochen. Menschen aus Ländern südlich der Sahara werden ohne Prozess eingesperrt“, erklärte Arjan Hehenkamp, dessen Organisation „Ärzte ohne Grenzen“in Tripolis und Umgebung sieben Internierungslager betreut. Das UN-Flüchtlingshilfswerk und die Internationale Organisation für Migration hingegen begrüßten die Beschlüsse.