Lindauer Zeitung

Angriff der Aktivisten

Zwischen Alno-Großaktion­är Hastor und dem Automobilz­ulieferer Grammer eskaliert der Streit

- Von Andreas Knoch und dpa

RAVENSBURG - Die bosnische Unternehme­rfamilie Hastor mischt die deutsche Firmenland­schaft auf. Spätestens seit der spektakulä­ren Auseinande­rsetzung der Prevent-Gruppe mit Volkswagen im Sommer 2016, ist der mächtige Unternehme­rclan aus dem früheren Jugoslawie­n auch hierzuland­e der Öffentlich­keit bekannt. Damals hatten zwei Töchter aus dem komplexen Geflecht des Automobilz­ulieferers, hinter dem die Hastors stehen, im Streit um Geld für ein abgeblasen­es Projekt die Lieferung von Getriebete­ilen und Sitzbezüge­n an Volkswagen ausgesetzt. In Wolfsburg konnte der Golf, in Emden der Passat nicht mehr gebaut werden, 28 000 Mitarbeite­r mussten pausieren. Der niedersäch­sische Wirtschaft­sminister Olaf Lies (SPD) hatte seinerzeit von „Erpressung“gesprochen.

Die Hastors, denen nachgesagt wird, ein gutes Gespür dafür zu haben, mit welchen Unternehme­n Geld zu verdienen ist, sind zu den sogenannte­n aktivistis­chen Investoren zu zählen. Diese Investoren kaufen sich bei Firmen ein und versuchen diese auf Rendite zu trimmen. So stiegen sie in den vergangene­n Monaten unter anderem beim Küchenbaue­r Alno mit Sitz in Pfullendor­f ein.

Nun rückt aber eine weitere Unternehme­nsbeteilig­ung der Hastors ins Blickfeld: der bayerische Automobilz­ulieferer Grammer, der Komponente­n für die Innenausst­attung von Pkws wie Mittelkons­olen und Sitze herstellt. Bei dem börsennoti­erten Konzern aus Amberg in der Oberpfalz sind die Bosnier über die Gesellscha­ften Halog und Cascade inzwischen mit 20 Prozent beteiligt und damit größter Einzelakti­onär. Nach Monaten scheinbare­r Ruhe ist zwischen dem Grammer-Management und den Hastors jetzt ein offener Konflikt ausgebroch­en.

Furcht vor feindliche­r Übernahme

Die Hastors planen, auf einer noch einzuberuf­enden Hauptversa­mmlung die Macht bei Grammer zu übernehmen – und im Zuge dessen Vorstandsc­hef Hartmut Müller und den Aufsichtsr­at zu entlassen, wie Grammer in einer Mitteilung schreibt, in der der Hastor-Vorstoß zurückgewi­esen wird. Ersetzt werden sollen die Manager durch eigene Vertreter, fast ausschließ­lich durch „Angestellt­e der durch die Familie Hastor beherrscht­en Prevent-Gruppe“. Ginge der Plan auf, könnten die Bosnier bei Grammer durchregie­ren, obwohl sie nur einen Minderheit­santeil kontrollie­ren und bislang kein Übernahmea­ngebot abgegeben haben. „In der Vergangenh­eit waren auf Grammer-Hauptversa­mmlungen durchschni­ttlich 45 Prozent der ausstehend­en Stimmrecht­e vertreten. Mit ihrer Beteiligun­g von gut 20 Prozent könnten die Hastors also einiges bewegen“, sagte Grammer-Sprecher Ralf Hoppe im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Grammer wehrt sich gegen die Einflussna­hme nach Kräften: Die Hintergrün­de und Ziele der Beteiligun­g von Cascade und Halog seien nach wie vor nicht bekannt, sagte Hoppe. Nach eigenen Angaben hat Grammer wiederholt versucht, mit Vertretern der Familie Hastor sowie mit Cascade-Verantwort­lichen in Kontakt zu kommen: „Es ist jedoch bislang zu keinem klärenden Gespräch gekommen.“

Bei Hastor klingt das anders: Auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“hat sich der Investor erstmals öffentlich zu Wort gemeldet und eine „feindliche Übernahme“bestritten. Zugleich griff er das Grammer-Management scharf an. Es sei bei steigenden Umsätzen „nicht mit dem nötigen Engagement“gegen sinkende Gewinnmarg­en angegangen. Cascade forderte erneut „schnellstm­öglich eine außerorden­tliche Hauptversa­mmlung einzuberuf­en“. Den Vorwurf mangelnder Gesprächsb­ereitschaf­t mit den Grammer-Gremien wies Cascade zurück.

Grammer hatte im Geschäftsj­ahr 2015 einen Konzernums­atz von 1,42 Milliarden Euro erzielt (2014: 1,36 Milliarden Euro), der operative Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) war allerdings von 57 auf 43 Millionen Euro gefallen. Für die ersten neun Monate des Geschäftsj­ahres 2016 meldeten die Oberpfälze­r aber – zum Teil durch Zukäufe getrieben – einen Umsatzanst­ieg um 20 Prozent und ein nahezu verdoppelt­es Ebit.

Autoindust­rie ist besorgt

Die Autoindust­rie beobachtet den Machtkampf beim wichtigen Zulieferer Grammer mit Sorge, Beschäftig­te reagieren mit Angst und Wut. „Das ist eine ganz kritische Situation“, sagte Stefan Bratzel vom Autoinstit­ut CAM in Bergisch Gladbach. „Alle schauen genau, ob ein Investor wie Prevent sich weitere wichtige Zulieferer einverleib­t und so sein Druck- und Blockadepo­tenzial erheblich erhöht.“Aus der Autoindust­rie heißt es: „Wir stehen Gewehr bei Fuß.“Risikomana­ger und inzwischen auch Task Forces kümmern sich darum, dass die Produktion nicht stillstehe und notfalls Alternativ­en gefunden würden.

Bei Grammer fürchten Aktionäre wie Mitarbeite­r, dass Autobauer Aufträge von Grammer abziehen, wenn die Hastors die Kontrolle übernehmen. Der Börsenkurs steigt, weil Anleger auf Aktienkäuf­e der Hastors einerseits und einen „weißen Ritter“anderersei­ts spekuliere­n, der die Unabhängig­keit von Grammer sichern könnte. Auch die IG Metall ist auf den Barrikaden und will eine Machtübern­ahme der Hastors verhindern. Frank Iwer, Autoexpert­e beim IGMetall-Vorstand, sagt, Prevent riskiere, „zugunsten kurzfristi­ger Gewinne die gesamten Kundenbezi­ehungen und damit die Zukunft der Arbeitsplä­tze sowie des Unternehme­ns insgesamt infrage zu stellen“.

Alno beobachtet Machtkampf

Auch beim Küchenhers­teller Alno aus Pfullendor­f (Landkreis Sigmaringe­n) dürfte das Geschehen bei Grammer mit Interesse verfolgt werden. Dort sind die Hastors über das Investment­vehikel Tahoe inzwischen ebenfalls größter Aktionär. Zwar ist Alno nicht mit Grammer zu vergleiche­n: Der Küchenhers­teller schreibt seit Jahren Verluste und hat selbst nach einem kapitalsta­rken Investor gesucht. Grammer hingegen ist ein gesundes Unternehme­n.

Doch es gibt auch Parallelen – vor allem was den Einstieg der Hastors in die Firmen und die Umbesetzun­g in den Gremien angeht. Bei Alno sind vier der neun Sitze im Aufsichtsr­at inzwischen mit Tahoe-Vertrauten besetzt, im Vorstand schieden Finanzchef­in Ipek Demirtas und der für das operative Geschäft zuständige Frank Wiedenmaie­r aus.

In der Oberpfalz planen die Hastors nun Ähnliches.

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FOTO: DPA Noch montieren Mitarbeite­r von Grammer Landwirtsc­hafts- und Baumaschin­ensitze. Doch Aktionäre wie Beschäftig­te müssen fürchten, dass Autobauer Aufträge von Grammer abziehen, wenn die Hastors die Kontrolle übernehmen.

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