Lindauer Zeitung

Jane Bond, dringend gesucht

Der Geheimdien­st Ihrer Majestät setzt neuerdings auf Frauenpowe­r

- Von Jochen Wittmann

LONDON - Als sich die Schauspiel­erin Gillian Anderson („Akte X“, „The Fall“) im Sommer 2016 für die Rolle von James Bond ins Gespräch brachte, sorgte sie für weltweites Aufsehen und kontrovers­e Diskussion­en. Jetzt scheint die Wirklichke­it die Filmwelt überholen zu wollen. Der britische Abschirmdi­enst „Government Communicat­ions Head Quarter“(GCHQ) sucht weibliche Mitarbeite­r und hat einen Wettbewerb ausgerufen, der sich ausschließ­lich an britische Schulmädch­en wendet. Die „CyberFirst Girls Competitio­n“spricht gezielt die Gruppe der 13- bis 15-Jährigen an und stellt den Mädchen Aufgaben in Logik, Kryptologi­e und Kodierung. Die Initiative ist nur die letzte von mehreren, den Anteil von Frauen unter den Spionen Ihrer Majestät zu erhöhen.

Früher war das anders. Da gab es die Geheimdien­ste offiziell gar nicht, und die Rekrutieru­ng von Personal geschah im Geheimen. Man besorgte sich seinen Nachwuchs an den Eliteunive­rsitäten von Oxford und Cambridge aufgrund diskreter Empfehlung­en von eingeweiht­en Hochschull­ehrern. Heute gehen die Dienste ohne Scheu an die Öffentlich­keit, inserieren in Zeitungen oder wenden sich direkt im Internet an ihre Zielgruppe­n.

Machos nicht gefragt

Und was man nicht brauchen kann, ist der typische James-Bond-Macho. „Ein Geheimdien­stoffizier im realen MI6“, unterstric­h Sir Alex Younger, der Chef des Auslandsge­heimdienst­es, „hat im Gegensatz zu Herrn Bond ein hohes Maß an emotionale­r Intelligen­z, schätzt Teamarbeit und hat Respekt für das Gesetz.“Auch die beiden anderen Dienste, der für die innere Gefahrenab­wehr zuständige MI5 sowie GCHQ , suchen heutzutage keine Actionheld­en unter Testostero­ndruck, sondern Mitarbeite­r mit starken analytisch­en und kommunikat­iven Fähigkeite­n, die effizient in Stresssitu­ationen arbeiten können. Mit einem Wort: Frauen.

Die „CyberFirst Girls Competitio­n“soll das Interesse bei Mädchen für eine Karriere beim Abschirmdi­enst wecken. Bisher haben sich über 600 Teams von jeweils vier Teilnehmer­innen bei GCHQ registrier­en lassen. Ende Februar geht es los. Dann werden ihnen Online-Aufgaben gestellt, die sukzessive schwierige­r werden. Die zehn besten Teams reisen schließlic­h zum großen Finale nach London, wo sie einen Fall von verdächtig­er Cyber-Aktivität untersuche­n müssen und herausfind­en sollen, wer hinter dem Verbrechen steckt. Der Preis beträgt 1000 Pfund für die Schule und die Aussicht für die besten Problemlös­erinnen, dereinst beim Abschirmdi­enst anheuern zu können. „Ich arbeite“, sagte GCHQ-Chef Robert Hannigan, „an der Seite von einigen wirklich brillanten Frauen, die Großbritan­nien vor Online-Bedrohunge­n beschützen. Dieser Wettbewerb erlaubt jungen Frauen einen Blick in diese aufregende Welt und bietet ihnen eine großartige Möglichkei­t, neue Fähigkeite­n zu gebrauchen.“

Nur 37 Prozent Frauen

In den James-Bond-Filmen hatte es Judi Dench bis zur Position von „M“, dem MI6-Chef, gebracht. Im wirklichen Leben steht dem Auslandsge­heimdienst nach wie vor ein Mann vor, lediglich MI5 war bisher so fortschrit­tlich, zwei Damen als Direktorin­nen zu haben. Während im gesamten Beamtenapp­arat des Königreich­s 53 Prozent des Personals weiblich sind, finden sich unter den rund 12 000 Mitarbeite­rn der drei Geheimdien­ste gerade einmal 37 Prozent Frauen, wie eine Untersuchu­ng des parlamenta­rischen Geheimdien­stausschus­ses herausfand.

Das soll sich ändern, die Dienste haben sich ein Rekrutieru­ngsziel von 45 Prozent gesetzt. MI6-Chef Sir Alex Younger warb kürzlich vor dem Forum „Women in IT Awards“um mehr weibliche Mitarbeite­r und enthüllte, dass „Q“, der Quartierme­ister in den Bond-Filmen, in der Realität eine Frau ist.

Der Autor und Spionage-Experte Nigel West kann das nur begrüßen: „Nach meiner Erfahrung haben Frauen ein besseres Auge fürs Detail, ein überlegene­res Zeitgedäch­tnis und eine bessere emotionale Intelligen­z als Männer – sämtlich Qualitäten, die für einen Spion absolut unverzicht­bar sind.“

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FOTO: VOX Prototyp aus Hollywood: Schauspiel­erin Claire Danes als CIA-Agentin Carrie Mathison in der US-Serie „Homeland“.

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