„Spirituell oder religiös war ich nie“
Heinz Hoenig war für die Dreharbeiten zu „Fluss des Lebens“zum ersten Mal in Indien
BERLIN - Heinz Hoenig spielt in „Fluss des Lebens“(ZDF, 5. Februar, 20.15 Uhr) einen deutschen Auswanderer, der sich in Indien niedergelassen hat. Für die Dreharbeiten war der 65-Jährige zum ersten Mal in Indien. Im Interview mit Jakob Buhre spricht er über seine Eindrücke, soziales Engagement und Glauben.
Herr Hoenig, in Ihrem aktuellen Film „Fluss des Lebens“spielen Sie einen deutschen Auswanderer, der in Indien lebt ...
Im Drehbuch war diese Figur ein Hippie, ich habe aus ihm einen Gewürzhändler gemacht. Das erschien mir realistischer.
Sie haben viele Jahre im Ausland verbracht, Ihren Wohnsitz zeitweise auf Mallorca gehabt. War Ihnen die Filmfigur dadurch näher?
Nein, das kann man so nicht sagen, bei mir hatte das andere Gründe. Indien war eine ganz andere Erfahrung. Wir haben in Varanasi gedreht und wenn man dort ankommt, ist es zunächst ein Schock, weil man so viel Dreck sieht. Und in dem Dreck leben und arbeiten die Menschen. Das ist für uns, die wir etwas verwöhnt und verblendet sind, schwer vorstellbar, aber es funktioniert.
Der Film zeigt, dass diese Umstände nicht automatisch bedeuten, dass die Menschen dort unglücklicher sind.
Ja, sie sind zufrieden, auch glücklich, sie respektieren das, was sie sind und wo sie sind. Das war zumindest mein Eindruck.
In Ihrer Autobiografie bezeichnen Sie sich als „Outlaw“.
Ja, da kommt es aber drauf an, was man darunter versteht. Als ich nach Berlin kam, habe ich ja erst mal bei dem Projekt „Release e.V.“Drogenabhängigen geholfen. Von dort bin ich nach Amerika, zu der besten Schauspiel- und Lebensschule, die ich überhaupt erleben konnte, in Santa Fe (auf der „Synergia“-Ranch des Theatergründers John Allen, „Theater of All Possibilities“, Anm. d. Red).
Sie waren Schlosser und Streetworker, hatten verschiedene Werkstätten, haben die Initiative „Heinz der Stier“gegründet – und Sie haben all diese Nebenaktivitä- ten offenbar nie für die Schauspielerei aufgegeben. War das gut für Ihre Schauspielerei, diese Inspiration aus einem eher „normalen“Alltag?
Ja, das ist heute noch wichtig. Wie viele Leute habe ich getroffen, damals in der Berliner Schaubühne, junge Schauspieler, die ich gefragt habe: Warst du eigentlich schon mal in Kreuzberg – oder liest du nur Bücher? Mit Büchern kannst du zwar auf schlau tun, aber Schauspielern, das muss aus den Eiern kommen. Das Leben gehört dazu. Wenn du nicht mehr Dinge erleben willst, was erobern willst, neugierig bist und auch etwas vertragen kannst – wie sollst du dann diese oder jene Rolle richtig aus dem Herzen spielen? Das kannst du nicht allein mit Büchern lernen.
In „Fluss des Lebens“geht es nicht zuletzt um Spiritualität. Fühlen Sie sich einem Glauben zugehörig?
Nein, kann ich so nicht behaupten. Ich habe Visionen. Träume. Die kommen, die geben mir gute Ideen – und dann sind sie irgendwann wieder weg. Aber spirituell oder religiös war ich nie. Das mag jeder gebrauchen wie er will, jeder in seinem Glauben. Wenn es ihm nützt und wenn es ihm nicht die Aufgabe gibt, anderen Menschen wehzutun oder gar zu töten, dann ist alles ok.