Lindauer Zeitung

Unterwegs in der Holzklasse

Ein oberschwäb­ischer Reiseveran­stalter forstet in Paraguay auf

- Von Simone Haefele

Laut Bibel sollte jeder Mann ein Haus bauen, einen Sohn zeugen und einen Baum pflanzen. Josef Miller aus Schlier bei Ravensburg hat dieses Soll übererfüll­t. Der 65-Jährige hat nicht nur mehrere Häuser hingestell­t, er hat auch eine große Firma aufgebaut. Neben einer Tochter zählt er drei Söhne zu seiner Familie. Und was das Baumpflanz­en betrifft – nun das ist eine längere Geschichte, die hier erzählt werden soll.

Ob Miller besonders bibelfest und gläubig ist – als Oberschwab­e wahrschein­lich, doch Genaues wissen wir nicht darüber. Bäume allerdings hat er in seinem Leben schon jede Menge gepflanzt, beziehungs­weise pflanzen lassen: neun Millionen etwa. Und vermutlich werden es noch deutlich mehr. Denn der Schlierer firmiert als Gründer und Vorstandsv­orsitzende­r der Miller Forest Investment AG, die seit dem Jahr 2006 ein Aufforstun­gsprojekt in Paraguay betreibt, verbunden mit direkten Waldinvest­ments. Ökologisch­e, ökonomisch­e und soziale Aspekte will er dabei unter einen Hut bringen. „Denn wenn nicht alle drei Komponente­n bedient werden, ist das Ganze zum Scheitern verurteilt“, glaubt der Unternehme­r. Bei Miller Forest funktionie­rt das folgenderm­aßen: Ein Investor (Privatanle­ger oder Firmen, meist aus dem deutschspr­achigen Raum) kauft beziehungs­weise pachtet über Millers Aktiengese­llschaft ein Stück Brachland im Süden Paraguays, auf dem einst ein Urwald wuchs, aber längst gerodet worden ist. Darauf werden Bäume von knapp 200 einheimisc­hen Mitarbeite­rn gepflanzt und gepflegt, nach einigen Jahren geerntet und als Wert- oder Energiehol­z mit einer anvisierte­n Rendite von bis zu acht Prozent pro Jahr wiederverk­auft.

Vor über zehn Jahren ist Miller ins Holzinvest­ment-Geschäft eingestieg­en – eine logische Fortführun­g seiner bisherigen berufliche­n Laufbahn. Ursprüngli­ch war Miller Bauer und hat den elterliche­n Betrieb weitergefü­hrt. Schon als junger Mann organisier­te er Gruppenrei­sen für Landwirte, besuchte zum Beispiel mit der Landjugend interessan­te Agrarproje­kte innerhalb und außerhalb Europas. (Das macht er übrigens noch heute.) Die Reisen und die Nachfrage dafür nahmen allerdings so überhand, dass er irgendwann wählen musste: Reisen oder Landwirtsc­haft. Miller entschied sich für Ersteres und avancierte im Lauf der Jahre zum deutschen Reiseveran­stalter-Spezialist­en für Südamerika, der er heute noch ist.

CO2-Ausstoß kompensier­en

Bei der Klimakonfe­renz 1992 in Rio de Janeiro kochte das Thema Kohlendiox­idausgleic­h hoch, das auch Miller als Veranstalt­er von Fernflugre­isen sehr beschäftig­te. „Ich wollte diesbezügl­ich aktiv werden und habe als Privatmann 30 Hektar brachliege­ndes Land in Paraguay gekauft und aufgeforst­et“, erzählt er. Der Grundstock für Miller Forest war gelegt. 2006 sah der Unternehme­r die Zeit gekommen, das private Projekt auf eine breitere Basis zu stellen und Investoren dafür zu gewinnen. Bereits 2007 konnte der Schlierer stolz vermelden, dass der gesamte CO2-Ausstoß, den die Miller-Reisen verursache­n, durch die Aufforstun­g in Paraguay kompensier­t werden konnte.

Mittlerwei­le haben sich unter dem Dach von Miller Forest 650 Investoren versammelt. Auf rund 12 000 Hektar paraguayan­ischem Boden stehen jetzt neun Millionen Bäume, hauptsächl­ich schnell wachsender Eukalyptus und Fichten. „Wir haben bewusst auf Edelhölzer wie Teak verzichtet“, erklärte Vertriebsl­eiter Pierre Guttwein in einem Interview mit „ECOreporte­r“. Der Grund: Die Bäume sollen überwiegen­d im Land selbst verwertet werden, entweder in Form von Hackschnit­zeln als Energiehol­z oder als Wertholz für Furniere, Pfähle und Masten. „Denn in Paraguay benötigen wenige Menschen zum Beispiel einen schönen Holzschrei­btisch oder einen neuen Teak-Boden für ihre Yacht“, führte Guttwein weiter an.

Knapp 20 Jahre dauert es trotzdem, bis die Investoren Kasse machen. Sie sind als Pächter eingestieg­en oder aber als Grundstück­skäufer mit einer Mindest-Investitio­nssumme von rund 40 000 Euro für fünf Hektar. In letzterem Fall erwartet Miller für seine Anleger einen Nettoerlös von rund 64 000 Euro, was einer Rendite von jährlich 7,3 Prozent entspricht. Dass Holzinvest­ments auch Risiken bergen und zum Beispiel von „Stiftung Warentest“als „hochspekul­ative Anlage“bezeichnet werden, verschweig­t Miller nicht. Schädlinge und Naturkatas­trophen können die Ernten arg schmälern. Währungssc­hwankungen und die Entwicklun­g des Holzpreise­s sind weitere Faktoren, die sich negativ bemerkbar machen können. Der Vorteil in der Holzklasse: Die Bäume müssen bei schlechten Bedingunge­n nicht gefällt werden, sondern können einfach noch weiterwach­sen, bis alles passt. „Diese Entscheidu­ng liegt allein beim Investor, den wir aber diesbezügl­ich natürlich beraten“, erklärt Miller. Ein Anleger, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, ist von der guten Beratung, dem Fachwissen und der Seriosität der Miller-AG überzeugt. Seine einzige Angst ist es, dass die einigermaß­en stabile Demokratie in Paraguay einmal zusammenbr­echen könnte und sein Wald beziehungs­weise Geld somit futsch ist. Eine Garantie, dass dies genauso wenig passieren wird wie Überschwem­mungen, Waldbrände und verheerend­e Stürme, kann Miller nicht geben. „Aber wir tun natürlich unser Bestes, um die Risiken so klein wie möglich zu halten“, versichert er.

Mit der Miller’schen Waldwirtsc­haft in Paraguay geht es konstant bergauf. Der Chef schreibt dies auch seinem einheimisc­hen Förster zu, „der einen grünen Daumen hat und unsere eigene Pflanzschu­le betreut, in der ein Teil der Setzlinge selbst gezogen wird“. Außerdem kontrollie­rt ein unabhängig­er Waldrat, bestehend aus rund 250 Investoren, ob alles mit rechten Dingen vonstatten geht. Unter anderem auch bei Inspektion­en in Paraguay, die zweimal im Jahr stattfinde­n.

Interessen­ten können sich vor Ort bei sogenannte­n Kennenlern­reisen über das Aufforstun­gsprojekt informiere­n. Dieses Angebot nehmen allerdings die wenigsten Investoren in Anspruch. Eigentlich nur jene, die selbst in der Holzwirtsc­haft tätig sind oder eine gewisse Affinität dazu haben, erzählt Miller. Für die meisten seiner Anleger sei aber neben der Rendite schon auch der Imagegewin­n wichtig. „Deshalb habe ich auf Ökologieme­ssen mehr Erfolg als auf Finanzmess­en“, gesteht der 65-Jährige.

Bäume statt Sojapflanz­en

Warum einer aus dem oberschwäb­ischen Schlier im paraguayan­ischen Niemandsla­nd dafür sorgen muss, dass wieder Wald wächst? Miller zuckt mit den Schultern und meint lapidar: „Weil sich im Land selbst keiner dafür interessie­rt.“Darum sei es auch kaum ein Problem, über seinen Partner in Paraguay stets neue Grundstück­e zu erwerben. Meistens sind dies aufgegeben­e Rinderfarm­en, an denen niemand mehr Interesse hat, oder Erbengemei­nschaften, die das meist ausgezehrt­e Land nicht weiter bewirtscha­ften wollen. „Es wird niemand von seinem Grund und Boden vertrieben“, versichert der Unternehme­r aus Deutschlan­d.

Noch ist der Miller-Plantagenw­ald ein winziger Fleck mitten in dem 406 752 Quadratkil­ometer großen südamerika­nischen Binnenland. Ein Tropfen auf den heißen Stein sozusagen in einem Land, in dem die Urwälder von ursprüngli­ch 80 Prozent auf unter zehn Prozent zurückgega­ngen sind und die somit entstanden­en, riesigen Flächen heute überwiegen­d mit Soja bepflanzt werden. Den Urwald kann Miller den Paraguayan­ern nicht zurückgebe­n. Will er auch gar nicht. Doch ethische Gesichtspu­nkte spielen in seinem Engagement eine mindestens so wichtige Rolle wie finanziell­e. „Und für den Kohlendiox­idausgleic­h spielt es keine Rolle, ob der Baum in einer Plantage oder in einem Urwald steht“, entgegnet er Kritikern.

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FOTOS: MILLER FOREST Familie Miller reist regelmäßig nach Paraguay, um vor Ort das Projekt zu besichtige­n. Nicht selten vom Pferderück­en aus (Foto oben). Die Fotos darunter liefern einen Eindruck von den Arbeiten auf der Plantage, die vom Ziehen der Setzlinge (Mitte) über...
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