Unterwegs in der Holzklasse
Ein oberschwäbischer Reiseveranstalter forstet in Paraguay auf
Laut Bibel sollte jeder Mann ein Haus bauen, einen Sohn zeugen und einen Baum pflanzen. Josef Miller aus Schlier bei Ravensburg hat dieses Soll übererfüllt. Der 65-Jährige hat nicht nur mehrere Häuser hingestellt, er hat auch eine große Firma aufgebaut. Neben einer Tochter zählt er drei Söhne zu seiner Familie. Und was das Baumpflanzen betrifft – nun das ist eine längere Geschichte, die hier erzählt werden soll.
Ob Miller besonders bibelfest und gläubig ist – als Oberschwabe wahrscheinlich, doch Genaues wissen wir nicht darüber. Bäume allerdings hat er in seinem Leben schon jede Menge gepflanzt, beziehungsweise pflanzen lassen: neun Millionen etwa. Und vermutlich werden es noch deutlich mehr. Denn der Schlierer firmiert als Gründer und Vorstandsvorsitzender der Miller Forest Investment AG, die seit dem Jahr 2006 ein Aufforstungsprojekt in Paraguay betreibt, verbunden mit direkten Waldinvestments. Ökologische, ökonomische und soziale Aspekte will er dabei unter einen Hut bringen. „Denn wenn nicht alle drei Komponenten bedient werden, ist das Ganze zum Scheitern verurteilt“, glaubt der Unternehmer. Bei Miller Forest funktioniert das folgendermaßen: Ein Investor (Privatanleger oder Firmen, meist aus dem deutschsprachigen Raum) kauft beziehungsweise pachtet über Millers Aktiengesellschaft ein Stück Brachland im Süden Paraguays, auf dem einst ein Urwald wuchs, aber längst gerodet worden ist. Darauf werden Bäume von knapp 200 einheimischen Mitarbeitern gepflanzt und gepflegt, nach einigen Jahren geerntet und als Wert- oder Energieholz mit einer anvisierten Rendite von bis zu acht Prozent pro Jahr wiederverkauft.
Vor über zehn Jahren ist Miller ins Holzinvestment-Geschäft eingestiegen – eine logische Fortführung seiner bisherigen beruflichen Laufbahn. Ursprünglich war Miller Bauer und hat den elterlichen Betrieb weitergeführt. Schon als junger Mann organisierte er Gruppenreisen für Landwirte, besuchte zum Beispiel mit der Landjugend interessante Agrarprojekte innerhalb und außerhalb Europas. (Das macht er übrigens noch heute.) Die Reisen und die Nachfrage dafür nahmen allerdings so überhand, dass er irgendwann wählen musste: Reisen oder Landwirtschaft. Miller entschied sich für Ersteres und avancierte im Lauf der Jahre zum deutschen Reiseveranstalter-Spezialisten für Südamerika, der er heute noch ist.
CO2-Ausstoß kompensieren
Bei der Klimakonferenz 1992 in Rio de Janeiro kochte das Thema Kohlendioxidausgleich hoch, das auch Miller als Veranstalter von Fernflugreisen sehr beschäftigte. „Ich wollte diesbezüglich aktiv werden und habe als Privatmann 30 Hektar brachliegendes Land in Paraguay gekauft und aufgeforstet“, erzählt er. Der Grundstock für Miller Forest war gelegt. 2006 sah der Unternehmer die Zeit gekommen, das private Projekt auf eine breitere Basis zu stellen und Investoren dafür zu gewinnen. Bereits 2007 konnte der Schlierer stolz vermelden, dass der gesamte CO2-Ausstoß, den die Miller-Reisen verursachen, durch die Aufforstung in Paraguay kompensiert werden konnte.
Mittlerweile haben sich unter dem Dach von Miller Forest 650 Investoren versammelt. Auf rund 12 000 Hektar paraguayanischem Boden stehen jetzt neun Millionen Bäume, hauptsächlich schnell wachsender Eukalyptus und Fichten. „Wir haben bewusst auf Edelhölzer wie Teak verzichtet“, erklärte Vertriebsleiter Pierre Guttwein in einem Interview mit „ECOreporter“. Der Grund: Die Bäume sollen überwiegend im Land selbst verwertet werden, entweder in Form von Hackschnitzeln als Energieholz oder als Wertholz für Furniere, Pfähle und Masten. „Denn in Paraguay benötigen wenige Menschen zum Beispiel einen schönen Holzschreibtisch oder einen neuen Teak-Boden für ihre Yacht“, führte Guttwein weiter an.
Knapp 20 Jahre dauert es trotzdem, bis die Investoren Kasse machen. Sie sind als Pächter eingestiegen oder aber als Grundstückskäufer mit einer Mindest-Investitionssumme von rund 40 000 Euro für fünf Hektar. In letzterem Fall erwartet Miller für seine Anleger einen Nettoerlös von rund 64 000 Euro, was einer Rendite von jährlich 7,3 Prozent entspricht. Dass Holzinvestments auch Risiken bergen und zum Beispiel von „Stiftung Warentest“als „hochspekulative Anlage“bezeichnet werden, verschweigt Miller nicht. Schädlinge und Naturkatastrophen können die Ernten arg schmälern. Währungsschwankungen und die Entwicklung des Holzpreises sind weitere Faktoren, die sich negativ bemerkbar machen können. Der Vorteil in der Holzklasse: Die Bäume müssen bei schlechten Bedingungen nicht gefällt werden, sondern können einfach noch weiterwachsen, bis alles passt. „Diese Entscheidung liegt allein beim Investor, den wir aber diesbezüglich natürlich beraten“, erklärt Miller. Ein Anleger, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, ist von der guten Beratung, dem Fachwissen und der Seriosität der Miller-AG überzeugt. Seine einzige Angst ist es, dass die einigermaßen stabile Demokratie in Paraguay einmal zusammenbrechen könnte und sein Wald beziehungsweise Geld somit futsch ist. Eine Garantie, dass dies genauso wenig passieren wird wie Überschwemmungen, Waldbrände und verheerende Stürme, kann Miller nicht geben. „Aber wir tun natürlich unser Bestes, um die Risiken so klein wie möglich zu halten“, versichert er.
Mit der Miller’schen Waldwirtschaft in Paraguay geht es konstant bergauf. Der Chef schreibt dies auch seinem einheimischen Förster zu, „der einen grünen Daumen hat und unsere eigene Pflanzschule betreut, in der ein Teil der Setzlinge selbst gezogen wird“. Außerdem kontrolliert ein unabhängiger Waldrat, bestehend aus rund 250 Investoren, ob alles mit rechten Dingen vonstatten geht. Unter anderem auch bei Inspektionen in Paraguay, die zweimal im Jahr stattfinden.
Interessenten können sich vor Ort bei sogenannten Kennenlernreisen über das Aufforstungsprojekt informieren. Dieses Angebot nehmen allerdings die wenigsten Investoren in Anspruch. Eigentlich nur jene, die selbst in der Holzwirtschaft tätig sind oder eine gewisse Affinität dazu haben, erzählt Miller. Für die meisten seiner Anleger sei aber neben der Rendite schon auch der Imagegewinn wichtig. „Deshalb habe ich auf Ökologiemessen mehr Erfolg als auf Finanzmessen“, gesteht der 65-Jährige.
Bäume statt Sojapflanzen
Warum einer aus dem oberschwäbischen Schlier im paraguayanischen Niemandsland dafür sorgen muss, dass wieder Wald wächst? Miller zuckt mit den Schultern und meint lapidar: „Weil sich im Land selbst keiner dafür interessiert.“Darum sei es auch kaum ein Problem, über seinen Partner in Paraguay stets neue Grundstücke zu erwerben. Meistens sind dies aufgegebene Rinderfarmen, an denen niemand mehr Interesse hat, oder Erbengemeinschaften, die das meist ausgezehrte Land nicht weiter bewirtschaften wollen. „Es wird niemand von seinem Grund und Boden vertrieben“, versichert der Unternehmer aus Deutschland.
Noch ist der Miller-Plantagenwald ein winziger Fleck mitten in dem 406 752 Quadratkilometer großen südamerikanischen Binnenland. Ein Tropfen auf den heißen Stein sozusagen in einem Land, in dem die Urwälder von ursprünglich 80 Prozent auf unter zehn Prozent zurückgegangen sind und die somit entstandenen, riesigen Flächen heute überwiegend mit Soja bepflanzt werden. Den Urwald kann Miller den Paraguayanern nicht zurückgeben. Will er auch gar nicht. Doch ethische Gesichtspunkte spielen in seinem Engagement eine mindestens so wichtige Rolle wie finanzielle. „Und für den Kohlendioxidausgleich spielt es keine Rolle, ob der Baum in einer Plantage oder in einem Urwald steht“, entgegnet er Kritikern.