Lindauer Zeitung

Handgeschr­iebenes kommt wieder an

In Zeiten hastig getippter Nachrichte­n werden von Hand geschriebe­ne Briefe wieder besonders geschätzt

- Von Simone Andrea Mayer, dpa

Er fällt schon auf im Briefkaste­n: ein von Hand beschrifte­ter Briefumsch­lag zwischen Rechnungen und Aufforderu­ngen mit maschinell erstelltem Adressfeld. Was mag drin sein? Liebesbrie­fe werden mit der Hand geschriebe­n, Postkarten aus dem Urlaub auch. Und die Weihnachts­karte hat mindestens ein paar gekritzelt­e Zeilen unter einem Standardte­xt. Das alles sind die Postsendun­gen, die wir besonders gerne im Briefkaste­n finden. Und die der Absender in Zeiten von WhatsApp- und SMS-Nachrichte­n auch mit einem Gefühl aufgibt, etwas Besonderes gemacht zu haben. „Wie ein selbstgema­ltes Bild von Kindern ist auch ein handgeschr­iebener Brief etwas Ultrapersö­nliches“, fasst Susanne Dorendorff vom Europäisch­en Institut für Handschrif­t und Philograph­ie zusammen.

Handgeschr­iebenes wird aktuell sehr wertgeschä­tzt – vielleicht weil es in Zeiten einer enormen Präsenz von Computern in unserem Alltag selten geworden ist. Und es scheint, als würde so mancher wieder bewusst damit anfangen – und das auch noch mit Füller statt Kuli.

„Jeder Trend hat immer einen Gegentrend“, erklärt Michael Reichhold, Objektleit­er der Schreibwar­enFachmess­e namens Paperworld in Frankfurt, das steigende Interesse der Menschen an allen kreativen Tätigkeite­n mit den Händen. Basteln oder Schreiben wurde nach und nach eine Gegenbeweg­ung zur Digitalisi­erung. „Dazu gehört auch das sogenannte adult coloring. Erwachsene fangen an, possierlic­he Tiere zu malen.“

Aber nicht nur die tun das: „Viele Jugendlich­e haben immer noch neben dem Handy eine Kladde oder einen Notizblock“, sagt Reichhold. „Das Schreiben ist eine sinnliche Erfahrung, die man beim Tippen nicht hat.“Daher gibt es für Reichhold derzeit auch eine „Renaissanc­e“des Handschrei­bens. Es gibt auch einen größeren Markt mit besonderen Notizbüche­rn und edlen Schreibger­äten. Anderersei­ts findet Susanne Dorendorff, die seit 30 Jahren die Handschrif­t erforscht und dazu unterricht­et, dass etwas Handschrif­tliches immer schon eine hohe Wertschätz­ung hatte – besonders in anderen Kulturen. Sie nennt als Beispiele Japan und die arabische Welt.

So sei etwa für Führungskr­äfte im internatio­nalen Geschäftsl­eben eine charismati­sche Schrift wichtig: „Selbst junge Führungskr­äfte sitzen nicht mit dem Laptop in Besprechun­gen, sondern mit der Kladde. Das ist viel persönlich­er.“Und die Geschäftsp­artner achteten schon mal auf die Schrift darin – als dezenten Hinweis auf Wesen und Charakter des Schreibend­en. So komme es auch, dass so mancher inzwischen versuche, seine Handschrif­t durch Unterricht zu verbessern.

Dabei sollte es aber nie darum gehen, eine im optischen Sinn schöne Handschrif­t zu erlangen, betont Dorendorff. „Sie sollte gut lesbar, charismati­sch und authentisc­h sein.“Vor allem sollte man nicht eine vorgegeben­e schöne Buchstaben­führung übernehmen, wie man das einst in der Schule in stundenlan­gen Übungen zur Schönschri­ft erlernt hat. „Die Japaner bringen ihren Kindern bei, eine persönlich­e Handschrif­t zu entwickeln.“

Aber zunächst steht ja das größte Problem an: Wie bekomme ich es überhaupt hin, dass meine Schrift gut lesbar ist – vor allem, wenn ich schnell etwas notieren möchte? Das wird nicht gelingen, sind sich die Experten einig. Man muss klar unterschei­den zwischen einem schnellen Aufschreib­en für sich – und dem bewussten Schreiben von Nachrichte­n für andere. So ist auch Achtsamkei­t Dorendorff­s wichtigste­r Tipp für einen gut lesbaren Text: „Man muss die Handschrif­t wie einen guten Freund behandeln und sie nicht beschädige­n. Den guten Freund würde man ja auch nicht pausenlos beschädige­n.“

Daneben gibt es das eine oder andere Hilfsmitte­l, das das bedachte Schreiben mit der Hand fördert: Die Füllfeder gleitet nicht so gut über das Papier wie eine Kugelschre­ibermine, daher muss man hiermit sowieso etwas langsamer schreiben. Und ein Füller mit breiter Feder nötigt den Schreibend­en zu größeren Buchstaben, was optisch schöner ist, erklärt Thorsten Petzold, Besitzer einer Schreibman­ufaktur in Berlin. Außerdem sehe man mit einer dünnen Mine eigentlich krakelige Schrift und jeden Ausbruch deutlich, eine breite Feder kaschiert das.

Wer unbedingt bei einem Kuli blieben will, sollte ein Modell suchen, das handlich ist und zugleich schwer in der Hand liegt. Aber auch ein Tintenroll­er oder ein weicher Bleistift eigneten sich noch gut. Daneben hilft es, einen karierten oder linierten Bogen unter das Schreibpap­ier zu legen. Zum einen werden dann die Buchstaben jeder Zeile und die Zeilenabst­ände gleich groß. Zum anderen sinkt die Schrift am Ende der Zeile nicht ab, was oft der Fall ist.

Sie sollte gut lesbar, charismati­sch und authentisc­h sein. Susanne Dorendorff vom Europäisch­en Institut für Handschrif­t und Philograph­ie über das, was eine schöne Handschrif­t ausmacht.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE Nicht krakeln: Die eigene Handschrif­t sollte man bewusst pflegen.

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