Handgeschriebenes kommt wieder an
In Zeiten hastig getippter Nachrichten werden von Hand geschriebene Briefe wieder besonders geschätzt
Er fällt schon auf im Briefkasten: ein von Hand beschrifteter Briefumschlag zwischen Rechnungen und Aufforderungen mit maschinell erstelltem Adressfeld. Was mag drin sein? Liebesbriefe werden mit der Hand geschrieben, Postkarten aus dem Urlaub auch. Und die Weihnachtskarte hat mindestens ein paar gekritzelte Zeilen unter einem Standardtext. Das alles sind die Postsendungen, die wir besonders gerne im Briefkasten finden. Und die der Absender in Zeiten von WhatsApp- und SMS-Nachrichten auch mit einem Gefühl aufgibt, etwas Besonderes gemacht zu haben. „Wie ein selbstgemaltes Bild von Kindern ist auch ein handgeschriebener Brief etwas Ultrapersönliches“, fasst Susanne Dorendorff vom Europäischen Institut für Handschrift und Philographie zusammen.
Handgeschriebenes wird aktuell sehr wertgeschätzt – vielleicht weil es in Zeiten einer enormen Präsenz von Computern in unserem Alltag selten geworden ist. Und es scheint, als würde so mancher wieder bewusst damit anfangen – und das auch noch mit Füller statt Kuli.
„Jeder Trend hat immer einen Gegentrend“, erklärt Michael Reichhold, Objektleiter der SchreibwarenFachmesse namens Paperworld in Frankfurt, das steigende Interesse der Menschen an allen kreativen Tätigkeiten mit den Händen. Basteln oder Schreiben wurde nach und nach eine Gegenbewegung zur Digitalisierung. „Dazu gehört auch das sogenannte adult coloring. Erwachsene fangen an, possierliche Tiere zu malen.“
Aber nicht nur die tun das: „Viele Jugendliche haben immer noch neben dem Handy eine Kladde oder einen Notizblock“, sagt Reichhold. „Das Schreiben ist eine sinnliche Erfahrung, die man beim Tippen nicht hat.“Daher gibt es für Reichhold derzeit auch eine „Renaissance“des Handschreibens. Es gibt auch einen größeren Markt mit besonderen Notizbüchern und edlen Schreibgeräten. Andererseits findet Susanne Dorendorff, die seit 30 Jahren die Handschrift erforscht und dazu unterrichtet, dass etwas Handschriftliches immer schon eine hohe Wertschätzung hatte – besonders in anderen Kulturen. Sie nennt als Beispiele Japan und die arabische Welt.
So sei etwa für Führungskräfte im internationalen Geschäftsleben eine charismatische Schrift wichtig: „Selbst junge Führungskräfte sitzen nicht mit dem Laptop in Besprechungen, sondern mit der Kladde. Das ist viel persönlicher.“Und die Geschäftspartner achteten schon mal auf die Schrift darin – als dezenten Hinweis auf Wesen und Charakter des Schreibenden. So komme es auch, dass so mancher inzwischen versuche, seine Handschrift durch Unterricht zu verbessern.
Dabei sollte es aber nie darum gehen, eine im optischen Sinn schöne Handschrift zu erlangen, betont Dorendorff. „Sie sollte gut lesbar, charismatisch und authentisch sein.“Vor allem sollte man nicht eine vorgegebene schöne Buchstabenführung übernehmen, wie man das einst in der Schule in stundenlangen Übungen zur Schönschrift erlernt hat. „Die Japaner bringen ihren Kindern bei, eine persönliche Handschrift zu entwickeln.“
Aber zunächst steht ja das größte Problem an: Wie bekomme ich es überhaupt hin, dass meine Schrift gut lesbar ist – vor allem, wenn ich schnell etwas notieren möchte? Das wird nicht gelingen, sind sich die Experten einig. Man muss klar unterscheiden zwischen einem schnellen Aufschreiben für sich – und dem bewussten Schreiben von Nachrichten für andere. So ist auch Achtsamkeit Dorendorffs wichtigster Tipp für einen gut lesbaren Text: „Man muss die Handschrift wie einen guten Freund behandeln und sie nicht beschädigen. Den guten Freund würde man ja auch nicht pausenlos beschädigen.“
Daneben gibt es das eine oder andere Hilfsmittel, das das bedachte Schreiben mit der Hand fördert: Die Füllfeder gleitet nicht so gut über das Papier wie eine Kugelschreibermine, daher muss man hiermit sowieso etwas langsamer schreiben. Und ein Füller mit breiter Feder nötigt den Schreibenden zu größeren Buchstaben, was optisch schöner ist, erklärt Thorsten Petzold, Besitzer einer Schreibmanufaktur in Berlin. Außerdem sehe man mit einer dünnen Mine eigentlich krakelige Schrift und jeden Ausbruch deutlich, eine breite Feder kaschiert das.
Wer unbedingt bei einem Kuli blieben will, sollte ein Modell suchen, das handlich ist und zugleich schwer in der Hand liegt. Aber auch ein Tintenroller oder ein weicher Bleistift eigneten sich noch gut. Daneben hilft es, einen karierten oder linierten Bogen unter das Schreibpapier zu legen. Zum einen werden dann die Buchstaben jeder Zeile und die Zeilenabstände gleich groß. Zum anderen sinkt die Schrift am Ende der Zeile nicht ab, was oft der Fall ist.
Sie sollte gut lesbar, charismatisch und authentisch sein. Susanne Dorendorff vom Europäischen Institut für Handschrift und Philographie über das, was eine schöne Handschrift ausmacht.