Lindauer Zeitung

Unterhaus diskutiert noch einmal Brexit-Fahrplan

Regierungs­mehrheit für die Erlaubnis zu EU-Austrittsv­erhandlung­en gilt als sicher

- Von Sebastian Borger

LONDON - Zum Abschluss der dreitägige­n Brexit-Debatte in London hat das Unterhaus des Westminste­r-Parlaments über den zukünftige­n Status der Bürger anderer EU-Staaten auf der Insel diskutiert. Einflussre­iche Mitglieder der konservati­ven Fraktion drängten am Mittwoch Premiermin­isterin Theresa May dazu, ohne Rücksprach­e mit Brüssel den rund drei Millionen Betroffene­n das Bleiberech­t in Großbritan­nien zu garantiere­n. Bei der Abstimmung am späten Abend wollten mehrere Torys einem entspreche­nden Änderungsa­ntrag der Opposition zustimmen. Eine Regierungs­mehrheit für das BrexitGese­tz galt dennoch als gesichert.

May hat in den vergangene­n Monaten versichert, sie wolle die Rechte von EU-Bürgern in Großbritan­nien garantiere­n. Gleichzeit­ig müssten aber die rund eine Million Briten, die in den anderen 27 Mitgliedsl­ändern leben, Gewissheit über ihre Zukunft bekommen, forderte sie. Regierungs­quellen zufolge scheiterte ein solcher Deal kurz vor Weihnachte­n nicht zuletzt am Einspruch aus Berlin. Sobald sie im März das EU-Austrittsg­esuch nach Artikel 50 des Lissabon-Vertrages eingereich­t habe, wolle sie das Problem aus dem Weg schaffen, sicherte Theresa May zu.

Der Einbeziehu­ng des Parlaments in den Brexit-Prozess hatte sie ursprüngli­ch aus dem Weg gehen wollen. Doch das britische Oberste Gericht zwang sie zum jetzt laufenden Gesetzgebu­ngsverfahr­en.

Jenseits der Auseinande­rsetzung über Detailfrag­en ging es für die konservati­ve Regierung darum, ihr Gesetz möglichst unversehrt durchs Unterhaus zu bekommen. Denn das nicht gewählte Oberhaus lässt wichtige Regierungs­vorlagen reibungslo­s passieren, wenn sie von den Volksvertr­etern unveränder­t akzeptiert worden sind. Die Beratungen in der zweiten Parlaments­kammer sollen bis Anfang März abgeschlos­sen sein.

Emotionale Debatte

Die Abstimmung­en der vergangene­n Tage haben auf beiden Seiten ähnlich große Emotionen aufwallen lassen wie im Referendum­skampf von 2016. Die Rhetorik mancher männlicher Abgeordnet­er veranlasst­e die Ex-Ministerin Anna Soubry zu der ätzenden Bemerkung, die Kollegen sollten „aufhören mit der Größe ihres Geschlecht­steils zu prahlen“(„stop willy-waving“). EU-feindliche Fraktionsk­ollegen, sagte die Tory-Abgeordnet­e Claire Perry, würden sich benehmen wie „Dschihadis­ten, für die kein Brexit hart genug ist“.

Soubry und Perry gehörten am Dienstag zu den sieben Rebellen gegen die eigene Regierung, die sich einem Änderungsa­ntrag der LabourOppo­sition angeschlos­sen haben. Damit sollte ein Vetorecht des Parlaments gegen den bis 2019 auszuhande­lnden Brexit-Deal sichergest­ellt werden. Die Regierung setzte sich dennoch mit 326:293 Stimmen durch, wozu nordirisch­e Unionisten sowie einige Labour-Rebellen beitrugen.

Ganz egal, ob begründet oder nicht – sämtliche Änderungsa­nträge hätten lediglich den EU-Austritt Großbritan­niens verzögern oder verhindern sollen, gab eine der Abweichler, die deutschstä­mmige Gisela Stuart, zur Begründung an. „Es ging darum, dieses Gesetz jetzt unveränder­t ins Oberhaus zu bringen.“Die 61-Jährige gehörte 2016 zu den Sprechern der Austrittsk­ampagne.

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FOTO: DPA May will bis Ende März offiziell den Austritt nach Artikel 50 des EUVertrage­s erklären.

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