Unterhaus diskutiert noch einmal Brexit-Fahrplan
Regierungsmehrheit für die Erlaubnis zu EU-Austrittsverhandlungen gilt als sicher
LONDON - Zum Abschluss der dreitägigen Brexit-Debatte in London hat das Unterhaus des Westminster-Parlaments über den zukünftigen Status der Bürger anderer EU-Staaten auf der Insel diskutiert. Einflussreiche Mitglieder der konservativen Fraktion drängten am Mittwoch Premierministerin Theresa May dazu, ohne Rücksprache mit Brüssel den rund drei Millionen Betroffenen das Bleiberecht in Großbritannien zu garantieren. Bei der Abstimmung am späten Abend wollten mehrere Torys einem entsprechenden Änderungsantrag der Opposition zustimmen. Eine Regierungsmehrheit für das BrexitGesetz galt dennoch als gesichert.
May hat in den vergangenen Monaten versichert, sie wolle die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien garantieren. Gleichzeitig müssten aber die rund eine Million Briten, die in den anderen 27 Mitgliedsländern leben, Gewissheit über ihre Zukunft bekommen, forderte sie. Regierungsquellen zufolge scheiterte ein solcher Deal kurz vor Weihnachten nicht zuletzt am Einspruch aus Berlin. Sobald sie im März das EU-Austrittsgesuch nach Artikel 50 des Lissabon-Vertrages eingereicht habe, wolle sie das Problem aus dem Weg schaffen, sicherte Theresa May zu.
Der Einbeziehung des Parlaments in den Brexit-Prozess hatte sie ursprünglich aus dem Weg gehen wollen. Doch das britische Oberste Gericht zwang sie zum jetzt laufenden Gesetzgebungsverfahren.
Jenseits der Auseinandersetzung über Detailfragen ging es für die konservative Regierung darum, ihr Gesetz möglichst unversehrt durchs Unterhaus zu bekommen. Denn das nicht gewählte Oberhaus lässt wichtige Regierungsvorlagen reibungslos passieren, wenn sie von den Volksvertretern unverändert akzeptiert worden sind. Die Beratungen in der zweiten Parlamentskammer sollen bis Anfang März abgeschlossen sein.
Emotionale Debatte
Die Abstimmungen der vergangenen Tage haben auf beiden Seiten ähnlich große Emotionen aufwallen lassen wie im Referendumskampf von 2016. Die Rhetorik mancher männlicher Abgeordneter veranlasste die Ex-Ministerin Anna Soubry zu der ätzenden Bemerkung, die Kollegen sollten „aufhören mit der Größe ihres Geschlechtsteils zu prahlen“(„stop willy-waving“). EU-feindliche Fraktionskollegen, sagte die Tory-Abgeordnete Claire Perry, würden sich benehmen wie „Dschihadisten, für die kein Brexit hart genug ist“.
Soubry und Perry gehörten am Dienstag zu den sieben Rebellen gegen die eigene Regierung, die sich einem Änderungsantrag der LabourOpposition angeschlossen haben. Damit sollte ein Vetorecht des Parlaments gegen den bis 2019 auszuhandelnden Brexit-Deal sichergestellt werden. Die Regierung setzte sich dennoch mit 326:293 Stimmen durch, wozu nordirische Unionisten sowie einige Labour-Rebellen beitrugen.
Ganz egal, ob begründet oder nicht – sämtliche Änderungsanträge hätten lediglich den EU-Austritt Großbritanniens verzögern oder verhindern sollen, gab eine der Abweichler, die deutschstämmige Gisela Stuart, zur Begründung an. „Es ging darum, dieses Gesetz jetzt unverändert ins Oberhaus zu bringen.“Die 61-Jährige gehörte 2016 zu den Sprechern der Austrittskampagne.