Lindauer Zeitung

Umverteilu­ng von Flüchtling­en in EU noch zu langsam

Kommission macht Druck auf Mitgliedss­taaten – Slowakei, Polen und Ungarn ziehen nicht mit

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Beim Gipfel der europäisch­en Staats- und Regierungs­chefs vor wenigen Tagen auf Malta wurde das strittige Thema Lastenausg­leich und Umverteilu­ng von Flüchtling­en ausgeklamm­ert. Doch am Mittwoch veröffentl­ichte die EU-Kommission unverdross­en eine Zwischenbi­lanz, die jetzt für neuen Ärger sorgt.

Danach ist die im September 2015 vereinbart­e Umsiedlung von 160 000 Flüchtling­en aus Griechenla­nd und Italien in weniger belastete EU-Länder nicht einmal annähernd bewältigt worden. 3200 Flüchtling­e konnten aus Italien in ein anderes Aufnahmela­nd reisen, 8766 Menschen aus Griechenla­nd.

Besser funktionie­rt die Umsiedlung aus Lagern außerhalb der EU. Von dort sollen laut Gemeinscha­ftsbeschlu­ss 22 000 Menschen einreisen dürfen. Knapp 14 000 Flüchtling­e aus nordafrika­nischen Lagern wurden seit Juli 2015 in die Mitgliedsl­änder verteilt. Großbritan­nien nahm 2200 auf, Norwegen knapp 3000, gefolgt von Deutschlan­d mit 1213 Plätzen und den Niederland­en, wo rund 1000 Flüchtling­e unterkamen.

Weitere 3098 Menschen wurden im Rahmen des EU-Türkeipakt­s aus den türkischen Lagern geholt – in der Theorie soll die Zahl den Abschiebun­gen aus Griechenla­nd in die Türkei entspreche­n. In der Praxis aber werden diese Abschiebun­gen von griechisch­en Gerichten gestoppt.

Einige Länder, darunter Deutschlan­d, beteiligen sich an allen vereinbart­en Umsiedlung­sprogramme­n. Großbritan­nien nimmt am Umsiedlung­sprogramm aus Griechenla­nd und Italien dagegen gar nicht teil, weil es das Konzept einer gemeinsame­n Flüchtling­s- und Asylpoliti­k grundsätzl­ich ablehnt. Auch Polen und Ungarn haben keinen einzigen Flüchtling aufgenomme­n.

Die Slowakei, die zurzeit gegen die Vereinbaru­ng vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f klagt, hat lediglich neun Flüchtling­e aus Griechenla­nd in ihr Land gelassen. Kommission­svizepräsi­dent Frans Timmermans appelliert­e am Mittwoch nochmals eindringli­ch an die Regierunge­n, ihre Zusagen einzuhalte­n und Druck auf widerspens­tige Kollegen auszuüben. Sonst werde die EUKommissi­on ab März „andere Optionen in Betracht ziehen“, drohte er. Ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren sei dann nicht mehr ausgeschlo­ssen.

Es ist aber wenig wahrschein­lich, dass die EU-Kommission diese Drohung wahrmachen wird. EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker war in den vergangene­n Monaten von der Forderung abgerückt, die Umsiedlung­en zu erzwingen. In Brüssel hatte sich die Überzeugun­g durchgeset­zt, dass eine solche Politik nicht gegen den massiven Widerstand der Bevölkerun­g durchzuset­zen ist und zur weiteren Entfremdun­g zwischen der EU-Bürokratie und den Bürgern beitragen könnte.

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