Lindauer Zeitung

Justizkrim­i um Einreisest­opp

Gericht befragt US-Regierung und klagenden Bundesstaa­t Washington

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Sicher ist nur, dass nichts sicher ist. Wie es ausgeht im Rechtsstre­it um die von Donald Trump verfügte Einreisesp­erre, hängt in der Schwebe, erst recht nach einer Anhörung vor einem Berufungsg­ericht in San Francisco. Eines zeichnet sich indes immer deutlicher ab: Wer auch immer verliert, dürfte Einspruch einlegen, sodass der Weg durch die Instanzen wohl erst vor dem Supreme Court der USA endet.

Es sind drei Richter, die sich in der Nacht zum Mittwoch bei einer live im Fernsehen übertragen­en Telefonkon­ferenz anhören, wie beide Parteien ihre Positionen begründen, einerseits das Weiße Haus und anderersei­ts der Pazifiksta­at Washington, der gegen den Einreisest­opp geklagt hatte. Im Kern geht es darum, ob das Kabinett Trump die Verfassung verletzt, indem es die Religionsf­reiheit missachtet. Ob Muslime als solche diskrimini­ert werden, wenn der Präsident Bürger aus sieben Ländern mit muslimisch­er Bevölkerun­gsmehrheit 90 Tage lang nicht in die Vereinigte­n Staaten einreisen lässt.

Rückblick auf die Wahlschlac­ht

Dies sei gewiss nicht der Fall, argumentie­rt August Flentje, ein Jurist des Justizmini­steriums, der die Regierung vertritt. Worauf Richard Clifton, ein von George W. Bush ernannter Bundesrich­ter, mit bohrenden Fragen zurückblen­det auf die Wahlschlac­ht. Ob Flentje etwa bestreiten wolle, dass der Präsidents­chaftsbewe­rber Trump genau das propagiert habe, nämlich einen „Muslim-Bann“ohne Ausnahmen. Ob er in Abrede stelle, dass die Ende Januar unterzeich­nete Order zurückgehe auf diesen Ansatz? Was folgt, ist ein verbaler Eiertanz, der in die Annalen eingehen dürfte.

Es sei ungewöhnli­ch, nur ein paar Zeitungsar­tikel heranzuzie­hen, um eine Order des Staatschef­s anzufechte­n, versucht sich Flentje aus der Affäre zu ziehen – auf Presseberi­chte über den Vorschlag des Kandidaten Trump anspielend. Worauf Noah Purcell, der ranghöchst­e Anwalt des Bundesstaa­ts Washington, in seiner Erwiderung geltend macht, dass der Milliardär seiner Rhetorik schon bald konkrete Anweisunge­n folgen ließ. Sein Kronzeuge ist Rudy Giuliani, der sich eine Zeit lang Hoffnungen auf den Posten des Justizmini­sters der neuen Administra­tion machte. Der hatte in einem Interview nicht den leisesten Zweifel daran gelassen, dass es sich bei dem aktuellen Dekret um eine reduzierte Variante des damaligen Pauschalve­rbots handelt. „Als Trump es zum ersten Mal verkündete, sagte er ‚Muslim-Bann‘“, zitiert Purcell den früheren Bürgermeis­ter New Yorks. „Er sagte, ,gründet eine Kommission und zeigt mir einen Weg, wie ich es juristisch bewerkstel­ligen kann‘.“

Auch Purcell hat allerdings Mühe, sein Kernargume­nt hieb- und stichfest zu belegen. Ob denn wirklich von einer Diskrimini­erung von Menschen muslimisch­en Glaubens die Rede sein könne, wenn sich das Dekret nur gegen ungefähr 15 Prozent aller Muslime der Welt richte, hakt Clifton nach.

Urteil noch diese Woche

Warum aber ausgerechn­et Iraner, Iraker, Jemeniten, Libyer, Somalier, Sudanesen und Syrer auf den Index setzen? Wo doch 15 der 19 Attentäter vom 11. September 2001 aus SaudiArabi­en stammten? Wie das Weiße Haus beweisen könne, dass es zwischen den sieben genannten Staaten und dem Terrorismu­s Verbindung­en gebe, will Juristin Michelle Friedland wissen. Erkennbar angestreng­t nach Beispielen suchend, verweist Flentje auf jene in den USA lebenden Somalier, die der islamistis­chen al-Schabab-Miliz zuzurechne­n seien. „Ich bin nicht sicher, dass ich das Gericht überzeugt habe“, räumt er irgendwann ein. Noch diese Woche soll das Urteil verkündet werden.

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