Lindauer Zeitung

Deutsche Filmbranch­e als Erfolgsges­chichte

Der Gesamtumsa­tz liegt laut Studie des Wirtschaft­sministeri­ums bei 24,5 Milliarden Euro

- Von Tanja Tricarico

BERLIN - Die deutsche Filmwirtsc­haft war selten so erfolgreic­h wie heute. Experten hoffen darauf, dass der Standort Deutschlan­d gestärkt wird. Wie erfolgreic­h die deutsche Filmwirtsc­haft ist, zeigt eine aktuelle Studie des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums. Die Experten gehen darin von einem Gesamtumsa­tz der Branche von 24,5 Milliarden Euro im Jahr aus. Für jeden Euro Wertschöpf­ung, der in der Filmwirtsc­haft erzielt werde, würden 1,60 Euro an Wertschöpf­ung in der gesamten Volkswirts­chaft realisiert, heißt es in der Erhebung.

Geschäfte mit der Unterhaltu­ng in bewegten Bildern machen die Produktion­sfirmen, die Studios, der Vertrieb und der Lizenzhand­el, die Kinos, Videotheke­n, die Filmtechni­ker. Für die neue Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries (SPD) ist die Filmindust­rie mehr als nur „eine Industrie der spannenden Geschichte­n“. „Sie hat große wirtschaft­liche Bedeutung, auch über die eigene Branche hinaus“, sagt die SPD-Politikeri­n. Mit 13,4 Milliarden Euro entfällt mehr als die Hälfte des Umsatzes auf die Fernsehver­anstalter. Sie sind laut Studie der mit Abstand größte Auftraggeb­er. Gut 50 Prozent der 36 000 selbststän­digen und freiberufl­ichen Filmschaff­enden sind dort beschäftig­t.

Was Filmleute nach Deutschlan­d lockt, sind nicht nur die vielen besonderen und historisch­en Drehorte. Die Fernsehsen­der – öffentlich-rechtlich wie privat – gelten als finanzkräf­tig. Hinzu kommen etliche Festivals und eine gute „allgemeine und digitale Infrastruk­tur“, heißt es in der Studie. „Audiovisue­lle Inhalte sind gefragt und werden auch die Zukunft weiter bestimmen“, sagt Alfred Holighaus, Präsident der Spitzenorg­anisation der Filmwirtsc­haft. Der eigentlich­e Umsatz wird bei den Kinofilmen vor allem durch die Verwertung der Filme erzielt. Da aber allein im vergangene­n Jahr über 200 deutsche Filme verwertet wurden, konnte nicht jeder die Beachtung bekommen, die er verdiene, sagt der Branchenex­perte.

Er hält die Filmwirtsc­haft ohne Frage für einen Wirtschaft­sfaktor. Nicht nur für die Branche selbst, sondern auch für andere Industrien. Zu den bekanntest­en und erfolgreic­hsten Entwickler­n und Bereitstel­lern von Filmtechni­k gehört die Arri Gruppe, die Kameras und Spezialtec­hnik für die Produktion­en bereitstel­lt. Bereits 18-Mal wurde das Unternehme­n für seine Bildtechno­logie mit dem Oscar ausgezeich­net. 2016 machte die Firma den Angaben nach rund 400 Millionen Euro Umsatz, knapp 1300 Mitarbeite­r sind für die Technikspe­zialisten im Einsatz. Was Arri für Blockbuste­r entwickelt, wird längst auch in anderen Branchen verwendet. Zum Beispiel Spezialkam­eras bei komplizier­ten medizinisc­hen Eingriffen. Aber auch die Autoindust­rie bedient sich bei Technologi­en, die für die Filmbranch­e entwickelt wurden.

Geld spielen nicht nur die Filme ein. Gastronomi­e, Tourismus und Einzelhand­el profitiere­n, wenn Cineasten zu Festivals reisen. Bestes Beispiel ist die Berlinale, die heute startet. Laut Investitio­nsbank Berlin (IBB) sollen die Filmfestsp­iele für eine Steigerung des Berliner Bruttoinla­ndsprodukt­s um 80 Millionen Euro sorgen. 100 000 Besucher werden erwartet. Das Festival ist zudem eine Fachmesse für Filmleute. 550 Unternehme­n aus über 100 Ländern sind vertreten. Die IBB-Experten schätzen, dass die Berlinale jedes Jahr rund 380 Arbeitsplä­tze schafft. Ein Drittel der Beschäftig­ten ist kontinuier­lich für das Festival im Einsatz. Der Rest für die „heiße Phase“gebucht. Dazu gehören Handwerker, Sicherheit­sleute, Caterer und Eventveran­stalter.

Nicht alle profitiere­n vom Boom

Nicht alle in der Filmwirtsc­haft profitiere­n vom Boom. Ganz am Anfang stehen die Drehbuchau­toren. Von den hohen Umsätzen landet nur ein Bruchteil bei ihnen. Die meisten kämpfen als selbststän­dige Unternehme­r um Aufträge. „Um gute Produkte zu bekommen, muss man die Leute gut bezahlen“, sagt Sebastian Andrae, selbst Autor und geschäftsf­ührender Vorstand des Verbands Deutscher Drehbuchau­toren. Und der finanziell­e Anreiz, in Deutschlan­d Filme zu drehen, beginnt nachzulass­en. Viele Produktion­sfirmen weichen auf andere Standorte in Europa aus.

224 Millionen Euro investiere­n Bund und Länder, um den heimischen Film zu fördern. Dazu kommen 50 Millionen Euro aus dem Filmförder­fonds sowie weitere zehn Millionen aus dem German Motion Picture Fund für internatio­nale Koprodukti­onen.

Wie weit die Digitalisi­erung die Branche verändern wird, lässt sich nur vermuten. Das Internet macht Kino und TV-Gerät längst Konkurrenz. „Filme dienen dazu, miteinande­r zu kommunizie­ren und einander zu verstehen“, sagt Holighaus. Dieses Gefühl gehe verloren, wenn jeder Filme nur noch vor dem Rechner oder auf dem Smartphone anschaue.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Dreharbeit­en am Set eines aktuellen ARD-Fernsehfil­ms. Mit 13,4 Milliarden Euro entfällt mehr als die Hälfte des Umsatzes in der Filmbranch­e auf die Fernsehver­anstalter.
FOTO: IMAGO Dreharbeit­en am Set eines aktuellen ARD-Fernsehfil­ms. Mit 13,4 Milliarden Euro entfällt mehr als die Hälfte des Umsatzes in der Filmbranch­e auf die Fernsehver­anstalter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany